Stimme der Wirtschaft

Wahl-Foren 2025: Die neue Lust an der Debatte

18 Politikerinnen und Politiker, drei Wahl-Foren, eine Frage: Wer rettet die Wirtschaft? Wir waren in der letzten Woche im Kammerbezirk unterwegs und haben allen Parteien, die im Bundestag vertreten sind und Direktkandidatinnen und -kandidaten in unseren Wahlkreisen aufstellen, diese Frage gestellt. Und natürlich viele weitere. Wer kümmert sich endlich um den Bürokratieabbau und redet nicht bloß darüber? Wer stoppt die Deindustrialisierung? Und wie lösen wir den Fachkräftemangel?
Ich durfte alle drei Wahl-Foren in Leverkusen, Gummersbach und Bergheim moderieren, hatte also ein Ohr am Podium und das andere am Publikum. Dreimal war die Hütte voll, dreimal gab es gute Diskussionen auf der Bühne – und im Anschluss daran gute Gespräche zwischen Politik und Gästen an den Tischen im Foyer.
Meine größte Erkenntnis lautet: Es gibt in diesem Land eine echte Lust an der Debatte, eine Freude am lebhaft-sachlichen Austausch von Argumenten und Lösungswegen, wie wir aus der Krise kommen. Das macht mir Mut für die Zeit nach der Wahl.
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© IHK Köln

Prolog

„Wir alle spüren, wie der Wohlstand bröckelt. Wie Jobs auf der Kippe stehen. Oder verschwinden. Und wir alle haben nur eine Frage: Wer rettet die Wirtschaft?“
Diese Worte von Unternehmerin Louise Farina (hier finden Sie das passende Video) habe ich volley an alle Kandidatinnen und Kandidaten weitergegeben und wollte wissen, wer sich denn angesprochen fühlt. Die Reaktionen: Einmal gab es ein herzhaftes „Ich!“, ansonsten eher trockene bis zu komplexe Erklärungsansätze, dass das natürlich alles nicht ganz so einfach sei, aber wir ja irgendwo mal anfangen müssten. Aber der Reihe nach.

Leverkusen

Zum Auftakt hatten wir sechs Kandidaten aus zwei Wahlkreisen (Leverkusen – Köln IV, Rheinisch-Bergischer Kreis) zu Gast: Rolf Albach (FDP), Caroline Bosbach (CDU), Karl Lauterbach (SPD), Tomas M. Santillan (Die Linke), Nyke Slawik (Bündnis 90/Die Grünen) und Harald Weyel (AfD).
Spannend: Lauterbach, als Gesundheitsminister bis heute Teil der Bundesregierung, sprach selbstkritisch über die Energiepolitik: Beim Thema Industriestrompreis habe die Ampel falsch gehandelt. „Ich will jetzt nicht in die Schuldfrage einsteigen, aber es war auf jeden Fall ein Fehler.“ Das kam gut an. Genau wie der Schlagabtausch zum Thema Schuldenbremse: Nyke Slawik von den Grünen sprach sich klar für eine Reform aus („Wir brauchen einen Deutschlandfonds!“), Caroline Bosbach (CDU) hielt dagegen: „Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.“

Gummersbach

Im Oberbergischen Kreis kämpfen Carsten Brodesser (CDU), Pascal Reinhardt (SPD), Sabine Grützmacher (Bündnis 90/Die Grünen), Jan Köstering (Die Linke), Sebastian Diener (FDP) und Bernd Rummler (AfD) um das Direktmandat.
Fast 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten hier im Verarbeitenden Gewerbe. Heißt: Eine Industriekrise schlägt im Oberbergischen voll durch? Was wollen die Parteien in Sachen Energie?
Die Antworten in Kurzform: ++ Rummler (AfD) will „grundlastfähige Kraftwerke“ und „Gas wieder aus Russland“ ++ Grützmacher (Grüne) will „Planungssicherheit für Unternehmen durch ein geeintes Europa“ und „auf keinen Fall neue Atomkraftwerke“ ++ Diener (FDP) will die „Netzentgelte reformieren“ und „die Stromsteuer auf ein europäisches Mindestmaß reduzieren“ ++ Brodesser (CDU) will „den Strompreis um 5 Cent pro Kilowattstunde senken“ durch „Reduktion der Stromsteuer und der Netzentgelte“ ++ Köstering (Linke) will grundsätzlich in die „Netze und die erneuerbaren Energien investieren“ ++ Reinhardt (SPD) will durch den „Ausbau von Netzen, Batteriespeicher und Wasserstoff“ günstigen Strom ermöglichen.

Bergheim

Im Rhein-Erft-Kreis diskutierten Jeremy Jason (AfD), Georg Kippels (CDU), Fritz Laser (Die Linke), Christian Schubert (Bündnis 90/Die Grünen), Aaron Spielmanns (SPD) und Stefan Westerschulze (FDP) miteinander.
Spannend: Eigentlich sprechen sich alle Parteien dafür aus, Bürokratie abbauen zu wollen. Nur kommt in der Wirtschaft das Gegenteil an: Es wird immer mehr. Welche bürokratische Hürde würden Sie ganz konkret abschaffen, damit die Wirtschaft entlastet wird, wollte ich wissen.
Die Antworten: Laser (Die Linke) nannte keine konkrete Maßnahme („komplexe Frage“) ++ Spielmanns (SPD) will nicht abschaffen, sondern „digitale Zeiterfassung ermöglichen“ ++ Schubert (Bündnis 90/Die Grünen): „Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz muss als Erstes weg“ ++ Westerschulze (FDP) will an die „Arbeitszeitdokumentation von geringfügig Beschäftigten“ ++ Kippels (CDU) nannte die „Personaldatenmeldung der Betriebe“ ++ Jason (AfD) „würde bei allen zustimmen“.

Fazit

Das Thema Wirtschaft ist im Wahlkampf angekommen. Und wird wohl, wenn wir den Meinungsforschern folgen, neben dem Thema Migration die Bundestagswahl entscheiden. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei allen 18 Politikerinnen und Politikern für die Teilnahme an den Wahl-Foren bedanken: Es war ein respektvoller Umgang in einer fairen Debatten-Stimmung, bei der Überschneidungen genauso klar herausgearbeitet wurden wie politische Konfliktlinien. Auch positiv war, dass sich alle Kandidatinnen und Kandidaten im Nachgang noch Zeit für die Diskussion mit den anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmern genommen haben.
So geht Demokratie. Vielen Dank!

Fiese Krise

Grafik: 28 Prozent der Unternehmen sagen, dass ihre Geschäftslage schlecht ist
Mein Kollege Matthias Franken hat ganz frisch ausgewertet, wie die Stimmung der Unternehmen im Kammerbezirk ist. Alle Ergebnisse der Konjunkturumfrage finden Sie hier. Die Grafik oben zeigt vier Indikatoren, die belegen, wie sich der Negativ-Trend verstetigt hat: 28 Prozent der Unternehmen sagen, dass ihre Geschäftslage schlecht ist, nur noch ein Fünftel spricht von einer guten Lage. Der Rest tritt auf der Stelle.
Die Erwartungen an die nächsten Monate werden von 29 Prozent als pessimistisch angegeben, 59 Prozent glauben nicht an eine Veränderung. Nur 12 Prozent glauben, dass es besser wird. Es wird immer weniger investiert, die Wettbewerbsfähigkeit steht also auf dem Spiel: Fast 40 Prozent der Unternehmen planen mit weniger Investitionen, nur jede vierte Firma will mehr investieren. Und mehr als ein Viertel der Unternehmen plant, Jobs abzubauen – nur 13 Prozent wollen zusätzlich einstellen.
Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das bei uns im IHK-Bezirk so aus: Der Chemie-Riese Covestro (18.000 Mitarbeiter weltweit, mehr als 7.000 davon in Deutschland) hat angekündigt, seine Investitionen in Deutschland zu stoppen.
„Wir werden hier nicht mehr in energie- und rohstoffintensive Anlagen investieren“, sagte CEO Markus Steilemann in der Welt am Sonntag. Grund: Die Produkte können nicht mehr wettbewerbsfähig hergestellt werden. Unternehmen wie Covestro ziehen ihre Schlüsse aus den strukturellen Standortrisiken, meint mein Kollege Matthias Franken:
„Bürokratie, hohe Energie- und Arbeitskosten und eine marode Infrastruktur hemmen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.“

Unnötig

Der Rat der Stadt Köln will in der kommenden Woche eine Einweg-Abgabe für Pommesschachteln, Kaffee-To-Go-Becher und Pizzakartons verabschieden. Die Grundidee lautet: Die Betriebe zahlen eine zusätzliche Steuer auf ihre Verpackungen, können die Kosten aber an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben. Die Kölnische Rundschau hat am Donnerstag unsere Haltung dazu sehr gut auf den Punkt gebracht: „IHK will Verpackungssteuer einpacken."
IHK-Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein sagt: „In der jetzigen wirtschaftlichen Lage sind zusätzliche Belastungen Gift für Unternehmen. Die Verpackungssteuer ist eine Geldbeschaffungsmaßnahme ohne Wirkung für den Umweltschutz oder die Nachhaltigkeit. Sie spart uns keinen einzigen Pizzakarton. Der Rat der Stadt Köln muss es hinbekommen, auch ohne zusätzliche Steuern mit einem Etat auf Rekordniveau auszukommen.“
Beste Grüße & alles Gute
Willi Haentjes
Chefredakteur IHK Köln

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