IHKplus April 2023

Rheinisches Revier: Zukunftsplanung? Unklar

Eigentlich muss es jetzt ganz schnell gehen im Rheinischen Revier. Schließlich ist der abermals vorgezogene Ausstieg aus der Braunkohle 2030 beschlossene Sache. Doch der Weg zur erfolgreichsten wirtschaftlichen Transformationsregion in Europa – so das ambitionierte Ziel des Strukturwandels – scheint noch weit. Messbare Erfolge sucht man bislang vergebens.
Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft des Rheinischen Reviers hängen an der Energie. Bislang hat der Strukturwandel vor allem viel politische und verwaltungstechnische Energie gekostet, die in den Aufbau von Strukturen und die Orchestrierung der gewaltigen Summe von rund 14,8 Milliarden Euro Steuermitteln für den Strukturwandel im Rheinischen Revier geflossen ist.
Entscheidend für den Erfolg des Strukturwandels im Rheinischen Revier wird aber sein, wie viel unternehmerische Energie in Form von Investitionen wirken kann und wird. Bislang sucht man nachhaltige und wertschöpfungsgebundene neue Arbeitsplätze in Unternehmen vergebens. Und als wenn das nicht schon genug Anlass zur Beunruhigung geben sollte, wurde gleichzeitig der Zeitdruck im laufenden Prozess erhöht.
So gehen die Braunkohle-Kraftwerke acht Jahre früher vom Netz als ursprünglich vereinbart. Ersetzt werden sie durch wasserstofffähige Gaskraftwerke mit drei Gigawatt Leistung und durch Erneuerbare mit einem Gigawatt Leistung – damit fehlen vier Gigawatt Leistung, bei prognostiziert steigendem Strombedarf.
Wie die gesicherte Stromversorgung bei heutigem oder gar bei höherem Bedarf in der Zukunft aufrechterhalten bleiben kann, ist immer noch ungewiss. Denn beim Einstieg in eine gesicherte regenerative Stromerzeugung ist der Plan längst nicht so konkret wie beim Ausstieg. Dass die hoch gesteckten Ausbauziele so schnell erreicht werden können, bezweifeln viele mit Blick auf die zurückliegenden Erfahrungen.
Die Energieversorgung der nahen Zukunft ist nur die eine große Unbekannte in der Zukunftsformel für das Rheinische Revier, vor allem mit Blick auf Investitionsentscheidungen, die Unternehmen schon heute treffen müssten. Der zweite Knackpunkt: Es fehlt an zusätzlichen Flächen für die Unternehmensinvestitionen.

Lösungsorientiertes Handeln wäre gefragt

Seit Start des Strukturwandelprozesses steht den Kommunen im Rhein-Erft-Kreis, denen es bereits vorher an Flächen für Ansiedlung und Erweiterung von Unternehmen fehlte, faktisch kein einziger Quadratmeter neuer industriell nutzbarer Flächen zur Verfügung.
Eine vielversprechende Option für den Rhein-Erft-Kreis bietet zum Beispiel die Erweiterung Knapsacks an der Stadtgrenze von Hürth und Erftstadt: „Diese Fläche bietet gute Voraussetzungen für die Ansiedlung und erfolgreiche Entwicklung von Unternehmen“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Uwe Vetterlein. „Ein zusammenhängender, verhältnismäßig großflächiger Standort mit homogener Eigentümerstruktur, ohne Wohnbebauung in der Nachbarschaft, mit guter Verkehrsanbindung über Autobahnen und der Möglichkeit, eine Bahnverbindung zu schaffen.“ Der neue Regionalplan, der Ende 2024 womöglich entschieden werden soll, kommt für solche zusätzlichen strukturrelevanten Flächen viel zu spät.
Dabei wäre jetzt lösungsorientiertes Handeln der Landesplanung gefragt. Statt unternehmerischer Energie gibt es im Rheinischen Revier bislang Innovations- und Infrastrukturprojekte. Keine Frage, auch die werden – neben Energie- Versorgungssicherheit, Fachkräften, Flächen sowie zügigen Planungs- und Genehmigungsverfahren – für einen erfolgreichen Strukturwandel benötigt. Dass diese jedoch keine unmittelbare Wirkung entfalten können, ist ebenfalls unbestritten.
Wenn Machbarkeitsstudien gefördert werden, fährt dadurch noch lange keine neue S-Bahn. Viel entscheidender ist jedoch: Unternehmerische Ansätze kommen bislang überhaupt nicht zum Tragen.

Das Hin und Her schafft Frust

Mit dem Projekt „Quirinus Control“ zum Beispiel wollten der Elsdorfer Unternehmer Kurt Vetten (SME Management GmbH) und 20 Partner ein technisches Monitoringsystem für die Strom-Versorgungssicherheit der Betriebe im Rheinischen Revier aufbauen. Nach zweieinhalbjähriger behördlicher Prüfung ging es im Sommer 2022 an den Start.

„Leider taten sich die politischen Entscheidungsstellen schwer, eine passende Förderkulisse zu finden“, so Kurt Vetten.

Was direkt und indirekt rund 100 bis 150 sozialversicherungspflichtige Dauerarbeitsplätze im Rheinischen Revier hätte bedeuten können, wurde letztendlich als „Forschungsvorhaben“ eingestuft und fiel unter das „7. Energieforschungsprogramm“ des Bundes. Damit musste der Projektantrag zum vierten Male komplett umgeschrieben, die Konsortialführung an einen Forschungspartner übergeben werden, und mehrere Unternehmen sind überwiegend wegen der großen Verzögerungen sowie aus wirtschaftlichen Gründen aus dem geplanten Projekt ausgestiegen.
Auch andernorts wächst der Frust. Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Region Aachen berichten von schlechten Erfahrungen bei der Antragstellung – von komplexen Verfahren, ausbleibenden Antworten und dem Eindruck, auf sich allein gestellt zu sein. Viele gute Ideen, so
scheint es, wurden bereits in den gewaltigen Mühlen von Antragstellung, Bewertung, Identifizierung von Förderzugängen und Bewilligung zermahlen.
Die Gründe dafür sind struktureller Natur. So gibt es kein einheitliches Budget und kein einheitliches Fördersystem. Die Summe setzt sich vielmehr aus Mitteln des Landes, des Bundes und der EU zusammen. Zudem gibt es auf allen drei Ebenen jeweils eine Fülle von gut gemeinten Förderzugängen mit jeweils eigenen Spielregeln und Zielen – was fehlt, ist eine klare Orientierungshilfe mit Überblick und Entscheidungskompetenz, um ein zügiges Verfahren zu garantieren.
Der Löwenanteil der bisher gebundenen Fördermittel fließt in wissenschaftliche Projekte, die keine unmittelbaren Arbeitsplatzeffekte haben. Und zu Projektträgern, die im Förderdschungel bereits gestählt sind. Ein Beispiel für Förderprogramme sind die „Zukunftsgutscheine Rheinisches Revier“, die für kleine Unternehmen im Rheinischen Revier gedacht sind. Die IHK Köln berät dazu.
Zukunftsgutscheine für den Strukturwandel
Kleine und mittelgroße Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten und Sitz im Rheinischen Revier können einen Teil der nötigen Investitionen für den grünen und digitalen Umbau mit Mitteln des Landes, des Bundes und der EU finanzieren. Infos zum Förderprogramm „Zukunftsgutscheine Rheinisches Revier“ gibt es bei der IHK Köln. Konkret geht es um Geld für Beratungsleistungen für neue Geschäftsmodelle, um die Qualifizierung und Neueinstellung von Mitarbeitenden mit neuen Ideen und neuem Wissen für die Transformation im Betrieb oder um Mittel für betriebliche Investitionen.
Die Lösung: eine investive Förderrichtlinie für das Rheinische Revier im Einklang mit dem europäischen Beihilferecht. Gleichzeitig brauchen die Kommunen mehr echte Eigenverantwortung für den Strukturwandel in der Region, um einen Teil der Mittel in konkreten Projekten einsetzen zu können.
Die Landesregierung wiederum sollte ihrem Gestaltungsauftrag für eine Industrieregion der Zukunft nachkommen – indem sie Rahmenbedingungen schafft, die Investitionen von Unternehmen nach sich ziehen, indem sie die Energiewende mit einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung als Standortfaktor gestaltet und indem sie ein klares Zielbild des Rheinischen Reviers der Zukunft zeichnet.
Leiterin Wirtschaft und Politik
Detlef Kürten
Innovation und Technologie