IHK-Vollversammlung, 12. März 2021
Kölner Erklärung zur Sozialen Marktwirtschaft
Bereits in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 (Staatsschuldenkrise) wurde von Vielen angezweifelt, ob die Soziale Marktwirtschaft als freiheitliches Ordnungssystem heute noch zur Lösung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, demographischer oder ökologischer Probleme ausreicht oder ob eine neue Form des Wirtschaftens mit deutlich stärkerer staatlicher Lenkung gebraucht würde.
Gleiches zeichnet sich in der aktuellen Corona-Krise ab, obwohl die Soziale Marktwirtschaft gerade in den rund zehn Jahren zwischen diesen Krisen ihre Stärken erneut erfolgreich unter Beweis gestellt hat.
In der Vergangenheit hat die Soziale Marktwirtschaft, aufbauend auf der Freiheit des Einzelnen und seiner persönlichen Verantwortung, immer neue Herausforderungen gemeistert. Der Aufschwung nach der Krise in 2009 konnte aus eigener Kraft der Wirtschaftsakteure ohne massive staatliche Eingriffe gemeistert werden.
Die Anpassungsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft, resultierend aus der Vielzahl eigenverantwortlicher, freier Entscheidungen, bildete hierbei den entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Gesellschaftssystemen mit staatlicher Lenkung.
Aus Sicht der Vollversammlung der IHK Köln bietet die Soziale Marktwirtschaft nach wie vor die entscheidende Orientierung für notwendige Regulierungen.
Es hat sich erwiesen, dass die Globalisierung zu einer guten Güterversorgung geführt hat und auch in der aktuellen Krise trotz nationalstaatlicher Grenzschließungen und anderer Eingriffe beeindruckend schnell zu internationaler Zusammenarbeit in der Versorgung mit wichtigen Gütern beitragen konnte.
Zur Überwindung von aktuellen und zukünftigen Krisen benötigt die Soziale Marktwirtschaft daher Unterstützer, die sich zu ihren Prinzipien bekennen und für ihre Werte einstehen.
Die Vollversammlung der IHK Köln bekennt sich zu dieser Aufgabe. Sie möchte dazu beitragen, die Soziale Marktwirtschaft als leistungsfähige und belastbare Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung weiterzuentwickeln:
- Wir werben für die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft als Handlungsrahmen für alle gesellschaftlichen Gruppen.
- Wir stehen ein für die Leitlinien des unternehmerischen Handelns in der Tradition des Ehrbaren Kaufmanns - Anstand, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Verantwortlichkeit. Bei Verstößen werden wir entsprechend offen für die Beseitigung eintreten.
- Wir schaffen Verständnis und Bewusstsein durch eine klare und allgemeinverständliche Formulierung der Spielregeln der Sozialen Marktwirtschaft als freie Wettbewerbsordnung.
- Wir erarbeiten Denkanstöße für eine moderne Ausrichtung der Sozialen Marktwirtschaft angesichts wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, demographischer, ökologischer und auch gesundheitspolitischer Herausforderungen. Gerade in der aktuellen Krisensituation zeigt sich, dass die Kombination aus staatlichem und privatem Gesundheitssystem im Vergleich zu rein staatlichen Systemen gut funktioniert.
- Wir schärfen das Bewusstsein für Verstöße gegen die marktwirtschaftliche Ordnung und suchen nach Lösungen bei Defekten der Märkte.
- Die staatliche Regulierung ist notwendig, um die Kräfte des Marktes zu entfalten. Wir schärfen das Bewusstsein für Regelungen, die den Wettbewerb untergraben, suchen gleichzeitig konstruktiv nach Lösungen bei nicht funktionierenden Märkten.
Angesichts der drängenden Probleme der Gegenwart und der absehbaren Herausforderungen in der Zukunft müssen jetzt Vorstellungen über die Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft erarbeitet werden.
Als Plattform eines breiten gesellschaftlichen Dialogs möchte die Vollversammlung der IHK Köln die Diskussion mit allen gesellschaftlichen Gruppen in der Region intensivieren, um einer Rückbesinnung auf eine Ordnungspolitik im Geiste der Sozialen Marktwirtschaft erneut zum Durchbruch zu verhelfen.
Folgende Grundprinzipien bilden aus unserer Sicht Kernelemente der Sozialen Marktwirtschaft:
I. Die Soziale Marktwirtschaft verbindet Verantwortung und Haftung
Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen. Nur durch die Fokussierung auf das Prinzip der Untrennbarkeit von Handlung und Haftung wird das Vertrauen in die Märkte gestärkt. Strukturen, in denen einzelne Akteure „to big to fail“ sind, konterkarieren dieses System.
II. Die Soziale Marktwirtschaft braucht Freiheit
Die Soziale Marktwirtschaft lebt von der unternehmerischen Freiheit, Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Der aus den Entscheidungen resultierende Erfolg Einzelner sichert letztlich den Wohlstand Aller. Das Recht auf privates Eigentum und ein funktionierendes Preissystem sind die entscheidenden Anreize für effizientes Wirtschaften. Bei allen notwendigen Regulierungen muss die Soziale Marktwirtschaft daher den Marktakteuren angemessene Entscheidungsspielräume und Raum für kreative Versuche und Lösungen sichern.
III. Die Soziale Marktwirtschaft schützt den Einzelnen
Die Soziale Marktwirtschaft bietet dem Einzelnen Schutz. Gesellschaftliche bzw. staatliche Hilfen unterstützen den Menschen zur Absicherung der existentiellen Lebensrisiken. Dabei baut der soziale Ausgleich auf dem Vorrang der Selbstverantwortung auf. Auch bei der Organisation des sozialen Ausgleichs gilt es, die integrative Kraft des Marktes zu nutzen.
IV. Die Soziale Marktwirtschaft nimmt die ökologische Herausforderung an
Zur Sozialen Marktwirtschaft gehören ökologisch begründete Leitplanken, nach denen sich wirtschaftliches Handeln nur unter Beachtung seiner Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Klimaverträglichkeit entfalten soll. Wichtig ist, dass der Umweltschutz effizient betrieben wird. Um diese Herausforderung zu meistern, sollte der Preismechanismus zur Steuerung der Umweltfaktoren konsequent genutzt werden (z. B. durch eine Zertifikate-Lösung).
V. Die Soziale Marktwirtschaft ist innovativ
Wettbewerb ist der Schlüssel für Wohlstand und die Weiterentwicklung der Wirtschaft. Das freie Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, von Entscheidungen der Unternehmen und der Privatpersonen bestimmt, was und in welchen Mengen produziert bzw. gekauft wird. Durch Innovationen, wie z. B. im Rahmen der Digitalisierung, werden neue Werte geschaffen. Die Soziale Marktwirtschaft ermöglicht eine nachhaltige Wertschöpfung und verhindert Abstieg durch Stillstand. Sie schafft volkswirtschaftlichen Wohlstand und eröffnet Beschäftigungsmöglichkeiten für Alle. Die Versuche staatlicher Lenkung schlagen dabei nur allzu leicht in die Subventionierung einzelner Unternehmen und Branchen um.
VI. Die Soziale Marktwirtschaft braucht einen Schiedsrichter und einen Regelmacher
Die Freiheit des Einzelnen findet dort ihre Grenze, wo die Ordnung insgesamt bedroht wird und Entscheidungen Einzelner zum Nachteil Aller gereichen. In der Sozialen Marktwirtschaft gibt der Staat den Rahmen für den Markt vor. Der Staat übernimmt als Schiedsrichter die Kontrolle des Marktes und sichert damit seine Funktionsfähigkeit. Täglich wird der bestehende Ordnungsrahmen auf die Probe gestellt. Nur allzu leicht werden auch durch gesetzliche Regelungen zentrale Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft missachtet oder sogar außer Kraft gesetzt. Bestehende Regeln sollten nicht zur Besitzstandswahrung dienen, sondern müssen vielmehr fortlaufend überdacht und an neue Anforderungen angepasst werden.
VII. Die Soziale Marktwirtschaft – nicht nur ein Erfolgsmodell für Deutschland
Wie schon die Finanzkrise im Jahr 2009 und nun noch eindrücklicher die Covid-19 Pandemie gezeigt hat, können viele Probleme nicht mehr allein auf der Ebene des Nationalstaates angegangen werden.
Erfolgversprechende Lösungen setzen vielfach institutionelle Reformen mit entsprechenden Sanktionsmechanismen im globalen Maßstab voraus. Wir bekennen uns gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemie zu Multilateralismus und Freihandel. Als Grundlage solcher Reformen bieten sich die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft an. Sie können als Leitlinien zur Gestaltung internationaler Institutionen und deren Verhalten dienen.
Stand: 12. März 2021