Baustelle Bahn
Das Schienennetz im Großraum Köln wird in den nächsten Jahren modernisiert und ausgebaut. Wird moderne Technik allein deutlich mehr Güter aufs Gleis bringen können? Die Logistikbranche zweifelt.
Text: Beate Schwarz
Der Zug steht. Schaden an einem Wagen. Wann er auf ein Abstellgleis geschleppt werden kann, ist völlig offen. Denn die Fahrdienstleitung der Deutschen Bahn ist überlastet. Für Angelika und Karl-Heinz Lenicker, Inhaberin und Inhaber des mittelständischen Logistikunternehmens Lenicker GmbH in Hürth, sind solche Havarien ein tägliches Ereignis – und Beispiel für die Probleme des Schienengüterverkehrs, nicht nur in der Region Köln. „Deutschland hat das am stärksten vernachlässigte Netz in Europa. Dass das vorhandene nicht besser genutzt werden kann, liegt vor allem am Personalmangel und an fehlender Digitalisierung“, sagt Karl-Heinz Lenicker.
Die Kombination von Transporten auf Bahn, Lkw und Schiff, der sogenannte Kombi- oder Modalverkehr, sei die Zukunft, meint Lenicker. Aktuell werden in Deutschland allerdings weniger als 19 Prozent der Güter mit der Bahn transportiert. Bis 2030 sollen es mindestens 25 Prozent sein. Das ist das Ziel der Bundesregierung.
Damit das klappt, müssen viele Milliarden Euro in Infrastruktur investiert werden: in Gleise, Stellwerke, Digitalisierung. Der Eisenbahnknoten Köln ist im Bundesverkehrswegeplan 2030 als „Projekt im vordringlichen Bedarf“ gelistet. Bis alles abgearbeitet ist, wird es für Bahnkundinnen und -kunden hart: Langsamfahrten und Umleitungen wegen Streckensperrungen kosten Zeit.
Gleise in Deutschland mehrfach belegt
Durch den Fokus auf Nachhaltigkeit hat die Verlagerung von Transporten auf die Schiene Fahrt aufgenommen, bestätigt Christoph Grunert, Geschäftsführer der Talke Gruppe in Hürth, ein weltweit führender Dienstleister für die chemische und die petrochemische Industrie. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten entscheide die Kundschaft allerdings noch stärker als sonst nach dem Preis – und da stehe die Schiene bei kurzen Strecken meist schlechter da. „Ein zweites Kriterium ist Verlässlichkeit. Wird eine Bahnstrecke plötzlich gesperrt, geht es für die Ware nicht weiter. Gibt es auf der Autobahn einen Stau, kann ich den umfahren.“
Sanierung auf Hochtouren
Der Ausbau des Kölner Knotens soll den Schienenverkehr leistungsfähiger machen. Das Projekt besteht aus 15 Infrastrukturmaßnahmen wie elektronische Stellwerke, separate und elektrifizierte Trassen für dicht getaktete S-Bahnen und Ausweichgleise für langsame Güterzüge.
Zudem wird die Generalsanierung stark belasteter Streckenabschnitte verstärkt. Bis 2030 plant die DB Netz, bundesweit über 40 Strecken für jeweils mehrere Monate zu sperren. Die IHK Köln ist im Austausch mit der Bahn, um die Versorgung der Betriebe und die Mobilität der Berufspendelnden in der Region zu sichern.
Der Ausbau des Kölner Knotens soll den Schienenverkehr leistungsfähiger machen. Das Projekt besteht aus 15 Infrastrukturmaßnahmen wie elektronische Stellwerke, separate und elektrifizierte Trassen für dicht getaktete S-Bahnen und Ausweichgleise für langsame Güterzüge.
Zudem wird die Generalsanierung stark belasteter Streckenabschnitte verstärkt. Bis 2030 plant die DB Netz, bundesweit über 40 Strecken für jeweils mehrere Monate zu sperren. Die IHK Köln ist im Austausch mit der Bahn, um die Versorgung der Betriebe und die Mobilität der Berufspendelnden in der Region zu sichern.
Das Grundübel in Deutschland sei die Schieneninfrastruktur, sagt Grunert. „Anders als in der Schweiz oder den Niederlanden nutzen Personen- und Güterverkehre meistens dasselbe Gleis. Die Verkehrsinfrastruktur grundlegend zu verbessern, ist nicht nur ein Finanzierungs- und ein Rechtsthema. Es braucht ein Umdenken bei Politik und Bevölkerung.“
Digitalisierung erhöht Kapazität
Digitalisierung ist ein Schlüssel, um im bestehenden Schienennetz mehr Züge zeitgleich fahren zu lassen – und zusätzlich die Sicherheit zu verbessern. „Dafür müssen Infrastruktur und Züge zusammen modernisiert werden“, sagt Dr. Kristel Degener, Leiterin des Geschäftsbereichs Wirtschaft und Politik der IHK Köln. Für das Großprojekt European Train Control System (ETCS) werden auch im Knoten Köln Sensoren unter dem Gleisbett eingebaut und Fahrzeuge nachgerüstet.
„Bislang werden Bahnstrecken über Signale in mehrere Kilometer lange Blockabschnitte eingeteilt. Ein Zug darf erst in den Block einfahren, wenn der vorherige ihn verlassen hat. Das ist aus Sicherheitsgründen nötig, da der Bremsweg eines Zuges oft länger ist als die Sichtweite des Zugführers. Diese starren Blockabschnitte setzen eine strenge Grenze, wie viele Züge je Stunde und Richtung fahren können“, erläutert Degener. „Mit ETCS können Züge Geschwindigkeiten und Abstände kontinuierlich untereinander übermitteln und ihr Tempo flexibel anpassen. So werden Sicherheitsabstände eingehalten und die Kapazität der Strecke bestmöglich genutzt.“
Zeitgewinn am Eifeltor
Am größten Terminal für modalen Verkehr in Deutschland, Köln-Eifeltor, werden bisher jährlich rund 290.000 Ladeeinheiten umgeschlagen. Digitalisierung und Automatisierung sollen helfen, dass es mehr werden. Digitale (OCR-)Tore an den Ein- und Ausfahrten zur Straße und papierlose Abfertigung sparen an anderen Terminals der Deutschen Umschlaggesellschaft Schiene-Straße mbH pro Lkw-Abfertigung bereits mindestens 15 Minuten Zeit. Dadurch können pro Tag mehr Ladeeinheiten umgeschlagen werden. Am Eifeltor soll die Technik kurzfristig installiert werden. Geplant ist auch ein neunter Umladekran. Die Kapazität des Terminals könnte laut einem Sprecher der Deutschen Bahn mittelfristig auf bis zu 450.000 Ladeeinheiten pro Jahr steigen. Um dieses Volumen zu nutzen, muss aber auch die Kapazität der Rheinstrecke angepasst werden.
Die IHK-Position
- Auch wenn der Knoten Köln bereits ausgebaut wird, sind weitere Maßnahmen in der Region und angrenzenden Kammerbezirken erforderlich, um den Schienengüterverkehr zu beschleunigen und Verspätungen zu reduzieren.
- Nur eine verlässliche Schiene ist eine Alternative zur Straße. Essenziell sind der Ausbau der Strecken zu den Häfen Antwerpen und Rotterdam, die Modernisierung der rechten und der linken Rheinstrecke sowie der durchgehend zweigleisige Ausbau der Rhein-Sieg-Strecke.
- Die bestehenden, gut ausgebauten Grubenbahnen zwischen Tagebauen und Kraftwerken im Rheinischen Revier dürfen nach Ende der Braunkohleförderung nicht abgebaut, sondern müssen in den Knoten Köln integriert werden.
- Die Güterverkehrsstudie für das Gebiet der Metropolregion Rheinland aus dem August 2022 arbeitete Probleme und Potenziale heraus.
Kontakt
Dr. Kristel Degener
Leiterin Wirtschaft und Politik