Wie entsteht mein Strom?
Grüne Energie soll die Wirtschaft antreiben. Doch woher kommt sie, wie wird sie gewonnen? Ein paar Erklärungen – mit Beispielen aus der Region.
Text: Marcus Bäcker
Dass der Strom aus der Steckdose kommt, ist eine vergleichsweise alte Erkenntnis und sorgte lange Zeit für eine gewisse Sorglosigkeit: Die Gefährdungen durch die Klimakrise schienen zeitlich und auch geografisch sehr weit weg, an Energie bestand kein Mangel. Heute kommt der Strom zwar noch immer aus der Steckdose, aber er soll grün sein, klimaneutral erzeugt, aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Um das zu gewährleisten, gibt es recht unterschiedliche Methoden.
Eine denkbar einfache ist es, grünen Strom auf althergebrachte Art über einen Anbieter zu beziehen – exakt so, wie es auch mit nicht ganz so grünem Strom geschieht. Eine wirtschaftlich interessante Alternative dazu stellen die sogenannten Power Purchase Agreements (PPAs) dar. Bei ihnen handelt es sich um spezielle Stromlieferverträge zwischen Kraftwerksbetreibern auf der einen und größeren Abnehmern – also etwa Unternehmen – auf der anderen Seite.
Stromlieferverträge bieten Sicherheit
In Zeiten der Energiewende gelten PPAs als wichtiges Instrument, um beispielsweise Windkraftanlagen oder Solarparks unabhängig vom Erneuerbare-Energien-Gesetz zu finanzieren und zu betreiben. Der Vorteil für die abnehmenden Unternehmen: Sie haben beim Strompreis langfristige Planungssicherheit und erzielen obendrein einen Imagegewinn. Im Bezirk der IHK Köln hat die REWE Group – sie versorgt ihre Märkte bereits seit 2008 komplett mit Strom aus regenerativen Quellen – einen langfristigen Liefervertrag für Grünstrom aus dem Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 3 unterzeichnet. 2025 soll die deutschlandweit größte Anlage ihrer Art vollständig den Betrieb aufnehmen.
Großes Potenzial für Solarenergie
Wer als Unternehmerin oder Unternehmer mit einer eigenen Anlage grünen Strom erzeugen will, bedient sich am ehesten der Photovoltaik. In den Solarzellen der entsprechenden Anlagen regt das Sonnenlicht Elektronen an, sich zu bewegen. Der dabei entstehende Gleichstrom wird durch einen Wechselrichter zu Wechselstrom umgewandelt und steht dem Betreiber danach zur Verfügung. Überschüssiger Strom wird entweder für den späteren Verbrauch gespeichert oder in das öffentliche Stromnetz eingespeist.
In Köln hat die RheinEnergie im Juni 2023 am Standort Parkgürtel mit dem Bau einer der größten Aufdachanlagen der Stadt begonnen. Allein im ersten Schritt werden auf einer Lagerhalle 1.388 Solarmodule installiert. Für Andreas Feicht, den Vorstandsvorsitzenden der RheinEnergie, hat Köln großes Potenzial für Solarenergie. „Mit den Dachflächen an unserem Unternehmenssitz setzen wir ein beispielgebendes Zeichen für einen solchen Ausbau.“
Alte Erkenntnisse, moderne Technik
Soll die Energiewende gelingen, muss nicht nur Strom, sondern auch Wärme aus erneuerbaren Quellen generiert werden. Eine bedeutende Rolle spielt dabei die heftig diskutierte Wärmepumpe. Nutzbar gemacht wird dabei die thermische Energie aus der Umgebung zurückgegeben wird. Weil die Temperaturen der jeweiligen Energiequelle für das Heizen von Gebäuden oder industrielle Prozesse nicht hoch genug sind, kommen Wärmepumpen zum Einsatz, in denen die gewünschten Temperaturen durch die Anwendung eines geschlossenen Kältemittelkreislaufes mit Verdichter und Wärmetauschern erreicht werden. Wichtig: Spezielle Wärmepumpen können gleichzeitig auch zum Kühlen dienen.
Wer nach Anwendungen dieser Technologie im großen Stil sucht, wird zukünftig an dem Leverkusener Standort der Bayer AG nicht vorbeikommen: Dort entsteht derzeit mit Solida 1 eine der modernsten Arzneimittelproduktionen weltweit. Ihr Energiebedarf wird weitgehend durch oberflächennahe Geothermie gedeckt werden, das heißt: Die Chempark-Betreiberin Currenta GmbH & Co. OHG wird über bestehende Brunnen dem Boden Grundwasser aus 30 Metern Tiefe entnehmen und sie mehreren Großwärmepumpen zur Kalt- und Warmwassererzeugung zukommen lassen. Im Vergleich zu herkömmlichen Betrieben wird die Geothermie-Anlage den CO2-Ausstoß um 70 Prozent reduzieren.
Großwärmepumpe im Möbelhaus
Großwärmepumpen sind seit dem Tag der Eröffnung am 16. März 2009 auch im IKEA Möbel- und Einrichtungshaus Köln-Butzweilerhof im Einsatz. Um die Bruttogeschossfläche von rund 40.000 Quadratmetern mit Fußbodenheizung und Deckenstrahlplatten zu beheizen und zu kühlen, wird Erdwärme via Grundwasser genutzt, die die Anlage auf das erforderliche Temperaturniveau bringt. Die Filiale im Kölner Nordwesten war eines der ersten IKEA-Häuser mit Großwärmepumpen. Mittlerweile sind Heizungen ohne CO2-Emissionen bei Neubauten und Erneuerungen der Standard beim Möbelhändler.
Im Juni 2023 erteilte die RheinEnergie den Generalplanungsauftrag für eine Großwärmepumpe in einer Leistungsklasse, die in Europa bislang ihresgleichen sucht: Sie wird gleich neben dem bestehenden Kraftwerk in Niehl die Umweltenergie des Rheins nutzen und 150 Megawatt Wärmeleistung liefern, die in das Fernwärmenetz für die Kölner Innenstadt eingespeist werden wird; das Wasser kehrt im dann kälteren Zustand in den Rhein zurück. Die Inbetriebnahme ist für Anfang 2027 geplant. Eine weitere 50-Megawatt-Wärmepumpe soll den Standort Köln-Merkenich ertüchtigen und Wärmeleistung auch an die Industrie abgeben.
Die Energie muss zur Kundschaft
Klar ist: Die auf sinnvollste Weise erzeugte Energie nützt nichts, wenn sie nicht dort ankommt, wo sie gebraucht wird, und nicht im erforderlichen Ausmaß zur Verfügung steht. Die Ebero AG in Pulheim verkauft deshalb Gasrohre, die auch wasserstofffähig sind, und smarte Technologien, die den Energieverbrauch sekundengenau auswerten und die Daten an die Energieerzeuger weiterleiten. Das Unternehmen selbst bezieht grünen Strom und hat sich die komplette Klimaneutralität ohne Ankauf von Zertifikaten zum Ziel gesetzt. Carsten Schweneker, Vorsitzender der Ebero AG, bekräftigt: „Das ist der Weg, den wir beschreiten wollen.“
Kontakt
Rainer van Loon
Energie und Umwelt