IHKplus | Ausgabe 04.2023

Unternehmensnachfolge: In guten Händen

Tausende Kölner Unternehmerinnen und Unternehmer gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Doch die Suche nach geeigneten Nachfolgerinnen und Nachfolgern ist oft komplex. Was ist zu tun, damit die Betriebsübergabe gelingt?
Text: Uwe Herzog
Wenn bei Tanja Kinstle vom Unternehmensservice der IHK Köln das Telefon klingelt, geht es meist um eine Herzensangelegenheit: die Suche nach einer geeigneten Nachfolgerin oder einem Nachfolger für das eigene Unternehmen. Täglich beantworten die Expertinnen und Experten der IHK Anfragen zur Unternehmensübergabe.
Bundesweit verzeichneten die Industrie- und Handelskammern dazu zuletzt rund 18.000 Beratungsgespräche innerhalb eines Jahres. Darunter sind auch zahlreiche Gründerinnen und Gründer, die ihren Traum von der eigenen Firma in einem bestehenden Betrieb verwirklichen wollen: „Das richtige Unternehmen zu finden, dauert seine Zeit“, erklärt Petra Göbbels, die bei der IHK Köln Gründerinnen und Gründer berät. „Eine Übereinstimmung bei der Vorstellung des Kaufpreises, eine gemeinsame Idee von der Gestaltung der Übergabe und die Zukunftsfähigkeit der Produkte oder Dienstleistungen sind nur einige Faktoren, die passen müssen.“

Fachkompetenz optimal nutzen

Der Markt für Unternehmensnachfolgen wächst stetig, da immer mehr Baby-Boomer, die um 1960 geboren wurden, aus den Unternehmensführungen ausscheiden. Erhebungen der IHK Köln gehen von rund 9.300 Betrieben mit rund 220.000 Beschäftigten aus, die allein im Bezirk der IHK Köln im Zeitraum von 2019 bis 2028 zum Verkauf stehen oder bereits übergeben wurden.
„Ganz wichtig ist eine frühzeitige Vorbereitung auf die Übergabe, denn es gibt dabei vieles zu bedenken“, rät Tanja Kinstle. Nachfolgerinnen und Nachfolger finden sich zumeist in der eigenen Familie, dem eigenen Betrieb – oder durch ein Inserat in Nachfolgebörsen wie www.nexxt-change.org. Das unter Beteiligung der Industrie- und Handelskammern betriebene Internetportal schreibt seit 16 Jahren Erfolgsgeschichten: „Die Seite wird monatlich rund 95.000-mal besucht, insgesamt haben wir mehr als 20.100 erfolgreiche Vermittlungen gezählt“, sagt Jakob Michael Müller vom Bundeswirtschaftsministerium, bei dem das Portal gehostet ist.
Die Beratung der IHK vor Ort tut ihr Übriges, um alle Beteiligten zusammenzubringen: „Dabei ist Diskretion für uns selbstverständlich“, betont Petra Göbbels, „daher beraten wir Unternehmerinnen und Unternehmer auf der einen, und Gründerinnen und Gründer auf der anderen Seite durch unterschiedliche Ansprechpersonen.
Die meisten Angebote finden sich im Handel, im verarbeitenden Gewerbe, im Hotel- und Gaststättenbereich sowie im Dienstleistungssektor. Laut jüngstem Nachfolgebericht der Deutschen Industrie- und Handelskammer erfolgen etwa zwei Drittel der Angebote aus Altersgründen. Lediglich zwölf Prozent der Unternehmensverkäufe werden aus wirtschaftlichen Erwägungen ins Auge gefasst. Petra Göbbels: „Aus Sicht der Einsteigerinnen und Einsteiger bietet eine Nachfolge eine Option, das eigene Risiko zu reduzieren, da auf ein erfahrenes Team, ein erprobtes Geschäftsmodell oder bestehende Kundenbeziehungen zurückgegriffen werden kann.“

Nachfolge im Team finden

„Meine Chefin wollte ihr Delikatessengeschäft verkaufen“, berichtet die ehemalige Angestellte Nicole Coenen, „das hat mich neugierig gemacht. Ich habe mich intensiv bei der IHK beraten lassen und einen Businessplan erstellt. Doch obwohl sich das Geschäft in bester Citylage befindet und bereits gut eingeführt war, winkten zunächst bei der Finanzierung einige Banken ab. Man braucht da schon ein dickes Fell“, sagt die neue Inhaberin von „Gertrude No. 20 Delikatessen“. Schließlich habe sie doch noch eine Bank für die Finanzierung gewinnen können: „Die steht voll hinter mir, nachdem die IHK meinen Businessplan sehr gut bewertet hat.“
So wie Nicole Coenen ergeht es oft auch anderen Nachfolgerinnen und Nachfolgern: „Viele bringen großes fachliches Know-how mit, aber kaum jemand verfügt über die Mittel, um ein eingeführtes Unternehmen ohne jede Unterstützung übernehmen zu können“, berichtet IHK-Expertin Tanja Kinstle. Doch auch bei geringem Eigenkapital sei eine Übernahme machbar: „Es gibt verschiedene Förderungen, etwa durch die Förderbank KfW, die NRW.BANK oder die Bürgschaftsbank NRW“, erklärt Tanja Kinstle.
Darüber hinaus werde der erforderliche „Unternehmergeist“ gern unterschätzt. „Zudem sollte die Übergabe nach Möglichkeit nicht abrupt erfolgen, damit die Nachfolgerin oder der Nachfolger langsam bei den wichtigsten Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartnern eingeführt werden kann“, rät Tanja Kinstle.

Sanfte Übergänge schaffen

Tanja Kinstle: „Unser wichtigster Tipp für alle Beteiligten: rechtzeitig vorbereiten, nichts übers Knie brechen, gründlich informieren. Dann klappt es!“
Tanja Kinstle
Unternehmensservice