Gesundheitsbranche: Mit Rezepten für die Zukunft
Ob Krankenkasse oder Pharmaindustrie, Pflegedienst oder Biotech, Krankenhaus oder Abrechnungsdienst – die Gesundheitswirtschaft ist besonders in der Kölner Region ein starker Wirtschaftsfaktor, und das mit überproportionalem Wachstum.
- Schnelltest, so sicher wie PCR
- Kostensenkung durch KI
- Medizintechnik für die Zukunft
- Hidden Champion aus Köln
- Schlechte Bedingungen für Arbeitskräfte
- INTERVIEW mit Aurel Schoeller, Vorsitzender der Geschäftsführung von pfm medical: „Regulierungen wirken negativ auf die Innovationstätigkeit”
- IHK Köln plant neuen Arbeitskreis Gesundheitswirtschaft
Sie sind die Ausnahme von der Fachkräftemangel-Regel: Die Courage&Khazaka-Mitarbeiterinnen Roshda Issa (r.) und Ana Carolina Kelmer Kühn arbeiten an neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Hautanalysegeräte.
© IHK Köln / Astrid Piethan
Intensive Forschung, die fortschreitende Digitalisierung und insbesondere die Anwendungsfelder für Künstliche Intelligenz lösen enorme Entwicklungsschübe aus. Das gilt auch für die großen Player wie die Bayer AG, die allein am Stammsitz in Leverkusen fast 7.000 Menschen beschäftigt. Bayer arbeitet aktuell unter anderem in der personalisierten Medizin, die individuell zugeschnittene Therapien entwickelt, an KI-gestützten Lösungen. Das gilt aber ebenso für Start-ups, junge Unternehmen und mittelständische Betriebe, die die technologische Entwicklung vorantreiben.
AUS KÖLN!
96 Prozent der Deutschen kennen laut einer Umfrage den „Klosterfrau Melissengeist“. Was aber wenige wissen: Das von einer Ordensschwester vor rund 200 Jahren begründete Unternehmen ist heute mit 1.700 Mitarbeitenden international aktiv und hat mehr als 200 Produkte für die Selbstmedikation im Sortiment.
96 Prozent der Deutschen kennen laut einer Umfrage den „Klosterfrau Melissengeist“. Was aber wenige wissen: Das von einer Ordensschwester vor rund 200 Jahren begründete Unternehmen ist heute mit 1.700 Mitarbeitenden international aktiv und hat mehr als 200 Produkte für die Selbstmedikation im Sortiment.
Schnelltest, so sicher wie PCR
Ein Beispiel dafür ist detechgene, eine Ausgründung der Kölner Uniklinik. Das junge Unternehmen hat einen einfach handhabbaren Schnelltest für Krankheitserreger entwickelt, der nach Studien so sicher und präzise sein soll wie ein im Labor durchgeführter PCR-Test. Der Vorteil dabei: Der Test kann ohne vorherige Schulung und an praktisch jedem Ort der Welt mithilfe eines Kartuschensystems durchgeführt werden, das Ergebnis liegt nach nur 20 Minuten vor.
Dr. Robin Bayer (l.) und Dr. Reza Esmaillie haben einen leicht handhabbaren Schnelltest für Krankheitserreger entwickelt.
© IHK Köln / Astrid Piethan
Detechgene scheint dabei auf einem guten Weg zu sein: „Wir konnten im vergangenen Jahr eine Finanzierungsrunde abschließen und uns für das Förderprogramm ZukunftBIO.NRW qualifizieren. Hierzu entwickeln wir den ersten molekularbiologischen POC-Schnelltest zur Detektion von Magen-Darm-Erregern“, berichtet Chief Technology Officer Dr. Robin Bayer. Aktuell baut das sechsköpfige Team im BioCampus Cologne seine Entwicklung und Produktion auf.
Kostensenkung durch KI
Auf einem ganz anderen Feld ist das ebenfalls noch junge Unternehmen damedic aktiv – aber auch hier geht es um Effizienz und Kostensenkung. Das 2018 gegründete Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, die Abrechnung der medizinischen Leistungen zu verbessern, und setzt dabei auf die optimale Kombination von KI-basierter Software und menschlicher Expertise. „Unsere Plattform ermöglicht eine um 50 Prozent schnellere Abrechnung, reduziert die Zahl der Prüffälle durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen um ein Viertel und ermöglicht so einen um fünf Prozent höheren Ertrag“, sagt Dr. Rupprecht Milojcic, Co-Gründer von damedic. Er sieht noch „riesiges Potenzial in der KI“, vorausgesetzt, man stelle sich auf die massiven Veränderungen ein und passe Prozesse an.
Dr. Rupprecht Milojcic, Co-Gründer von Damedic, setzt auf die optimale Kombination von KI-basierter Software und menschlicher Expertise, um mehr Effizienz bei der Abrechnung medizinischer Leistungen zu erreichen.
© IHK Köln / Astrid Piethan
Medizintechnik für die Zukunft
Wie gut Tradition und Innovation harmonieren können, zeigt indes das Beispiel pfm medical: Seit über 50 Jahren steht pfm medical als mittelständisches Familienunternehmen mit Hauptsitz in Köln für spezielle Lösungen in der Medizintechnik. Viele der über 2.000 Produkte wurden mit- oder selbstentwickelt, das Unternehmen hält 380 Schutzrechte in 120 Patentfamilien. Pfm medical entwickelt sich dynamisch weiter, und das trotz erheblicher Beschränkungen (s. Interview).
Hidden Champion aus Köln
Beschränkungen, die auch die Courage+Khazaka electronic GmbH deutlich spürt. Das Unternehmen ist ein echter „Hidden Champion“. In der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, aber Weltmarktführer. In diesem Fall auf dem Gebiet der Hautanalysegeräte. Das 1986 gegründete Unternehmen verkauft seine Produkte, die im wissenschaftlichen Bereich ebenso genutzt werden wie in der Kosmetikberatung, in mehr als 70 Länder weltweit.
AUSGEZEICHNET!
Bedeutsam für die Branche sind natürlich auch die Medizinische Fakultät der Kölner Universität mit derzeit rund 4.000 Studierenden und die Kölner Uniklinik mit etwa 12.000 Beschäftigten – sie wurde gerade wieder vom US-Magazin Newsweek auf Rang 1 der besten Kliniken in NRW und Platz 77 unter 2.400 Krankenhäusern weltweit gewählt.
Bedeutsam für die Branche sind natürlich auch die Medizinische Fakultät der Kölner Universität mit derzeit rund 4.000 Studierenden und die Kölner Uniklinik mit etwa 12.000 Beschäftigten – sie wurde gerade wieder vom US-Magazin Newsweek auf Rang 1 der besten Kliniken in NRW und Platz 77 unter 2.400 Krankenhäusern weltweit gewählt.
Die Reputation von Courage+Khazaka zeigt sich auch in der Tatsache, dass seine Technik schon für Hautuntersuchungen bei Astronauten auf der Internationalen Raumstation genutzt wurde. Unter anderem der Fachkräftemangel führe allerdings bereits zu massiven Problemen, berichtet der Mitgründer und heutige Hauptgeschäftsführer Prof. h.c. Gabriel Khazaka: „Durch diesen Mangel dauern Entwicklungen neuer Produkte sehr lange oder sind gar nicht durchführbar.“ Ein Umstand, der durch die „starke Zunahme der Bürokratie“ noch verschärft werde: „Lange Wartezeiten auf Termine und Entscheidungen sorgen in mittelständischen Unternehmen für eine Verzögerung von Neuentwicklungen und enorme Kosten.“
Sie führen beim Kölner Weltmarktführer bei Hautanalysegeräten die Regie: Prof. h.c. Gabriel Khazaka, Mitgründer und heutiger Hauptgeschäftsführer, mit Geschäftsführerin Diana Khazaka und Geschäftsführer Georg Khazaka.
© IHK Köln / Astrid Piethan
Schlechte Bedingungen für Arbeitskräfte
Auffällig ist , dass pfmmedical, Courage+Khazaka, damedic und detechgene unisono ein weiteres Kernproblem der Region benennen: schlechte Rahmenbedingungen vor allem für junge Menschen und Familien. So sagt Milojcic von damedic: „Es wird Zeit, dass wir hier aus dem Tiefschlaf erwachen und die Rahmenbedingungen attraktiver machen. Wohnungsangebot, Kita-Plätze, Parkplätze für Mitarbeitende in der Innenstadt – das ist nur eine kleine Auswahl von Themen.“
SCHON GEWUSST?
In der Gesundheitswirtschaft in Deutschland arbeiten rund 5,8 Millionen Menschen. Davon allein etwa 260.000 in der „Gesundheitsregion Köln-Bonn“, die nach Definition des gleichnamigen Vereins neben Köln, Bonn und Leverkusen die Kreise Rhein-Erft, Oberberg, Rhein-Sieg, Rhein-Kreis Neuss sowie Altenkirchen und Neuwied umfasst. Der größte Teil dieser Kreise und Kommunen gehört auch zur IHK-Region Köln, in der die Branche besonders stark vertreten ist.
Neben dem Weltkonzern Bayer gibt es dafür Beispiele wie Miltenyi Biotech in Bergisch Gladbach. 1989 als Ein-Mann-Betrieb gegründet, beschäftigt das Unternehmen heute über 4.700 Menschen und ist eine der größten Biotechnologie-Firmen Deutschlands. Der Schwerpunkt liegt auf einem von Gründer Stefan Miltenyi entwickelten Verfahren zur Trennung von Zellen.
In der Gesundheitswirtschaft in Deutschland arbeiten rund 5,8 Millionen Menschen. Davon allein etwa 260.000 in der „Gesundheitsregion Köln-Bonn“, die nach Definition des gleichnamigen Vereins neben Köln, Bonn und Leverkusen die Kreise Rhein-Erft, Oberberg, Rhein-Sieg, Rhein-Kreis Neuss sowie Altenkirchen und Neuwied umfasst. Der größte Teil dieser Kreise und Kommunen gehört auch zur IHK-Region Köln, in der die Branche besonders stark vertreten ist.
Neben dem Weltkonzern Bayer gibt es dafür Beispiele wie Miltenyi Biotech in Bergisch Gladbach. 1989 als Ein-Mann-Betrieb gegründet, beschäftigt das Unternehmen heute über 4.700 Menschen und ist eine der größten Biotechnologie-Firmen Deutschlands. Der Schwerpunkt liegt auf einem von Gründer Stefan Miltenyi entwickelten Verfahren zur Trennung von Zellen.
INTERVIEW mit Aurel Schoeller, Vorsitzender der Geschäftsführung von pfm medical:
„Regulierungen wirken negativ auf die Innovationstätigkeit”
Aurel Schoeller ist Vorsitzender der Geschäftsführung von pfm medical. Er engagiert sich für den Standort unter anderem im Ausschuss Internationales der IHK Köln.
Wie sehen Sie aktuell die Entwicklung des Standortes Köln bzw. des Standortes Deutschland für Ihre Branche, vor allem mit Blick auf den internationalen Wettbewerb?
Die Branche Medizinprodukte ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland mit mehr als 36 Milliarden Euro Umsatz, wovon rund 67 Prozent in den Export gehen. Der überwiegende Teil der Unternehmen ist mittelständisch, genau wie pfm medical. Durch die zunehmenden Regulierungen in Europa und in Deutschland wird die Innovationstätigkeit negativ beeinflusst und viele Medizinprodukte werden aus dem Markt genommen. Wir bemühen uns, weiterhin unser Produkt- und Leistungsangebot nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern auch auszubauen. Es ist aber teurer geworden und dauert länger.
Wie ist die Situation speziell in Köln für Sie?
In unserer Heimatstadt beschäftigen wir immer noch über ein Drittel der weltweiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Standort Köln droht leider an Attraktivität zu verlieren. Stichworte sind Wohnungsknappheit, Infrastruktur, Verkehr und leider auch eine deutlich sichtbare Vermüllung in der Stadt. Eine besondere Wahrnehmung eingesessener mittelständischer Arbeitgeber seitens der Stadt Köln nehmen wir nicht wahr, das gilt allerdings so auch für NRW, unabhängig von der jeweiligen Landesregierung.
Insofern freut es mich, dass die IHK Köln politischer geworden ist und sich sachlich in den Diskurs einbringt. Köln ist so viel mehr als Karneval und Fußball. Das sollte stärker nach vorne gebracht werden. Dazu gehören auch langfristige Konzepte, die auf Zusammenarbeit ausgelegt sind, Stichwort: Metropolregion!
Insofern freut es mich, dass die IHK Köln politischer geworden ist und sich sachlich in den Diskurs einbringt. Köln ist so viel mehr als Karneval und Fußball. Das sollte stärker nach vorne gebracht werden. Dazu gehören auch langfristige Konzepte, die auf Zusammenarbeit ausgelegt sind, Stichwort: Metropolregion!
Wie kann die Gesundheitsbranche in der Region noch stärker werden?
Die Gesundheitsbranche in Köln sollte sich regional stärker vernetzen. Viele Stakeholder kennen sich gar nicht und können die Leistungsfähigkeit der Marktteilnehmer nicht wirklich einschätzen. Vor allem Wissenschaft, Industrie und Digitalwirtschaft hätten in der Region gemeinsam mehr Potenzial. Es fehlt aus unserer Sicht an Anlaufstellen und Transparenz.
IHK Köln plant neuen Arbeitskreis Gesundheitswirtschaft
Die IHK Köln plant deshalb, einen neuen Arbeitskreis Gesundheitswirtschaft einzurichten. Sie haben ein Unternehmen aus der Branche und Interesse, daran mitzuwirken? Dann melden Sie sich gerne bei Dr. Kristel Degener, Tel. 0221 1640-4200, kristel.degener@koeln.ihk.de
Kontakt
Kristin Schwarz
Wirtschaft und Politik