IHKplus 2.2024 | Durchblick

Ja zu Europa, aber mit weniger Bürokratie

Europa wählt – und die Region schaut hin. Zwischen dem 6. und 9. Juni 2024 wählt die EU ein neues Parlament, in Deutschland ist der Urnengang für den 9. Juni terminiert. Von entscheidender Bedeutung ist die Wahl für die Wirtschaft in unserer Region, denn in Brüssel und Straßburg werden viele wichtige ökonomische Weichen gestellt.
Fragt man die Unternehmen direkt, bekommt man gleich eine ganze Reihe von Sorgen und Nöten genannt, die die Unternehmerinnen und Unternehmer ächzen lassen. Primär wird aber vornehmlich die überbordende Bürokratie auf europäischer Bühne als Hemmschuh identifiziert.
„Damit unsere Standorte in Deutschland weiter international konkurrenzfähig bleiben, haben vernetzte, vereinfachte und vor allem schnellere Genehmigungsverfahren für den Transport unserer Maschinen hohe Priorität.“
Rike Johnsen, Geschäftsführerin (CFO) der Kampf GmbH
Viel zu viele und vor allem zu komplexe und intransparente Regulierungen, langwierige Entscheidungsprozesse und zu weit weg von den Bedürfnissen der Unternehmen – die Bürokratie kostet die Unternehmen einfach zu viel Zeit und Aufwand, die in der Ausführung der eigentlichen Tätigkeiten dann wieder fehlen.
Die lähmende Bürokratie wirkt sich auch negativ auf die Attraktivität der EU als Wirtschaftsstandort aus. Das zeigen die Ergebnisse des IHK-Unternehmensbarometers zur Europawahl. Demnach hat sich die Wettbewerbsfähigkeit für jedes zweite Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert, in der Industrie sind es sogar zwei von drei Unternehmen.
„In der jetzigen Lage, in der Deutschland schon seit Jahren in einer Wirtschaftsflaute steckt und unter immens hohen Energiekosten leidet, ist es umso wichtiger, dass Brüssel für den europäischen Markt nun zügig die richtigen Rahmenbedingungen sowie schlanke Planungs- und Genehmigungsverfahren schafft."
Dr. Thorsten Dreier, Technologievorstand der Covestro AG
Nicht nur in der Wirtschaft, sondern insgesamt steht Europa vor großen Herausforderungen. Kriege in der Ukraine und in Gaza, Sorge vor einem drohenden Rechtsruck durch die Wahlerfolge der Populisten in einzelnen Ländern, das immer weiter wachsende Misstrauen in die Politik und die handelnden Personen – die Probleme sind zahlreich.

„EU vor großer Zerreißprobe“

Der ehemalige luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sieht die EU sogar vor „einer großen Zerreißprobe“, sollte beispielsweise Donald Trump Ende dieses Jahres zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt werden. Das sagte er im Rahmen einer Veranstaltung des „Kölner Presseclubs“, der den Gesprächsabend mit dem überzeugten Europäer im Merkens-Saal der IHK Köln veranstaltete.
Denen, die wählen wollen, sagte Asselborn, Europa sei trotz allem in weiten Teilen noch immer ein Hort der Freiheit, der Sicherheit und des Wohlstandes. Und gab ihnen einen Rat mit auf den Weg: „Wählt, wen Ihr wollt, aber wählt nicht diejenigen, die Europa  kaputtschlagen wollen und die Demokratie in Frage stellen.“

Sechs Forderungen der IHK Köln

Damit unsere Region auch in Zukunft wettbewerbsfähig ist, hat die IHK Köln als starke Stimme der Wirtschaft insgesamt sechs konkrete Forderungen formuliert, die von unserer Seite aktiv an die Politik kommuniziert werden:
  1. Flüchtlingsproblematik lösen und Arbeitskräftezuwanderung organisieren!
    Um Fachkräftemangel zu mindern, müssen EU-Mitglieder Geflüchtete effektiver integrieren. Eine einheitliche EU-Zuwanderungspolitik ist nötig. Fokus auf Bildung, Sprache und Qualifikation.EU soll Spracherwerb in Herkunftsländern unterstützen.
  2. Bürokratische Hemmnisse abbauen!
    Zu viel Bürokratie auf EU-Ebene belastet die Region. Daher Reduzierung von Anzeige- und Meldepflichten sowie Online-Verwaltungsverfahren. Zudem ist Steuerbürokratie zu begrenzen und das EU-Engagement für den Mittelstand zu stärken. Zukünftige Vorhaben sind durch KMU-Tests zu bewerten, das „One in, one out“-Prinzip ist anzuwenden.
  3. Freihandel fördern – Protektionismus verhindern!
    Offene Märkte und regelbasierter Handel fördern Wohlstand. Protektionismus schadet Unternehmen. Die EU sollte für offene Märkte eintreten, neue Handelsabkommen vorantreiben und globale Regeln stärken. Subsidiarität ist zu wahren, KMU sind einzubinden und Zollrechtsreform praxisnah zu gestalten.
  4. Versorgungssicherheit gewährleisten!
    Europäische Energie- und Klimapolitik erfordert gemeinsame Strategien und globale Zusammenarbeit. Der Fokus soll auf Versorgungssicherheit, Ausbau erneuerbarer Energien und Stärkung des Energiebinnenmarktes liegen. Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und koordinierte Maßnahmen gegen hohe Energiepreise sind notwendig.
  5. Verkehrs- und Energieinfrastruktur fördern!
    Ein zuverlässiges Verkehrssystem ist entscheidend für Unternehmen, daher Priorität auf Sanierung maroder Brücken, Ausbau des Transeuropäischen Kernnetzes, Schienenliberalisierung und Förderung multimodaler Terminals. Alternative Antriebe fördern für Klimaziele, Grenzwerte sollen am technischen Fortschritt ausgerichtet werden.
  6. Industrie in Europa halten!
    Die EU soll industrielle Innovation fördern und fairen Wettbewerb sicherstellen. Rahmenbedingungen für digitale Transformation, Klimaneutralität und Energiewende unterstützen. Innovationsförderung KMU-freundlich gestalten und Kreislaufwirtschaft vorantreiben.

Wirtschaftspolitik und Konjunktur