IHKplus 2.2024 | Durchblick

2:0 für Europa

Europawahl: Politischer Podiumstalk in der IHK Köln unter besonderen Vorzeichen
Text: Johanna Tüntsch
Im Vorfeld der Europawahl hatte die IHK Köln Kandidierende von CDU, FDP, Grünen und SPD aus dem Kammerbezirk eingeladen. Eine ungeplante Wendung machte den Abend umso mehr zu einem Statement für Demokratie: Zwar verlangte AfD-Kandidat Prof. Hans Neuhoff mit Verweis auf das Neutralitätsgebot des Hauses, auch sprechen zu dürfen, doch seinen Auftritt quittierten die daraufhin verbliebenen Gäste, Axel Voss (CDU) und Moritz Körner (FDP), mit einem klaren Bekenntnis zur Europäischen Union als wichtigster Grundlage unseres Wohlstandes.
Claudia Walther (SPD) und Alexandra Geese (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Europäischen Parlamentes, nahmen die Selbsteinladung des AfD-Kandidaten zum Anlass, sich nicht den Fragen der Wirtschaft zu stellen. Anders Voss und Körner, beide ebenfalls Mitglieder des Europäischen Parlamentes: Sie scheuten nicht die Debatte, deren Moderation Sandra Parthie übernahm, die für das Institut der Deutschen Wirtschaft das Büro Brüssel leitet.
Pointiert antworteten Voss und Körner auf Forderungen der Unternehmerinnen und Unternehmer, etwa nach weniger Bürokratie, Lösungen für den Fachkräftemangel sowie nach Verlässlichkeit hinsichtlich Energie, Verkehr und Freihandel. En passant zerlegten sie dabei die vermeintlichen Angebote Neuhoffs, der etwa davon sprach, die Europäische Union durch einen „Bund europäischer Nationen“ ersetzen zu wollen. „Das ist, als löse man eine WG auf, um dann den Mitbewohnern zu sagen: Zu meinen Regeln könnt ihr wieder bei mir einziehen. Darauf haben die anderen Länder bestimmt gewartet“, spottete Körner und stellte klar: „Der europäische Binnenmarkt ist das größte Entbürokratisierungsprojekt, das es gibt.“
Freihandelsabkommen garantieren uns das wirtschaftliche Überleben.
– Axel Voss, CDU
Voss will die europäische Wettbewerbsfähigkeit wieder stärker in den Fokus der Politik rücken und sagte, mit Rücksicht auf den Klimawandel „haben wir jetzt lange die eine Seite der Waage befüllt, jetzt muss die andere Seite befüllt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stützen.“

Bekenntnis zur Zuwanderung

Einig stellten sich die Europaparlamentarier von CDU und FDP gegen Neuhoffs Behauptung, Zuwanderung sei keine Hilfe im Ringen gegen den Fachkräftemangel. „Die, die kommen, müssen wir gut ausbilden. Es ist wichtig, dass wir positiv auf die Zuwanderung von Fachkräften reagieren“, so Voss. Irreguläre Zuwanderung müsse aber eingedämmt werden. Körner warb in diesem Zusammenhang für die jüngst vom Europäischen Parlament verabschiedete Asylreform: „Schnelle Verfahren an den Außengrenzen und ein Verteilmechanismus schaffen zusätzliche Ordnung – aber genau dagegen hat die AfD gestimmt.“ Dann wurde er noch deutlicher: „Wir müssen uns fragen: Sind wir für wirkliche Fachkräfte international attraktiv? Wenn wir eine möglichst rechte Politik vertreten, sind wir es nicht.“ Der Liberale sprach sich für Englisch als zweite Verwaltungssprache aus.
Entlarvend war auch die Diskussion um Freihandelsabkommen. Die AfD wolle sie nicht abschaffen, auch nicht den EU-Binnenmarkt, behauptete ihr Kandidat. „Dann sagen Sie aber auch die ganze Wahrheit“, forderte IHK-Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein: „Sie wollen kein Freihandelsabkommen auf europäischer Ebene, sondern für die Nationalstaaten. Die Folge wären 27 Freihandelsabkommen statt eines einzigen. In der Realität sind dies Bedingungen dafür, einen Binnenmarkt abzuschaffen.“
Der europäische Binnenmarkt ist das größte Entbürokratisierungsprojekt, das es gibt.
– Moritz Körner, FDP
Auch hier kam von CDU und FDP ein klares Bekenntnis: „Freihandelsabkommen garantieren uns das wirtschaftliche Überleben und helfen den demokratischen Systemen, sich gegenseitig zu stützen“, betonte Voss. Körner machte klar, dass der Verzicht auf Freihandelsabkommen zu Lasten der eigenen Wirtschaft geht. Man könne auch nicht der ganzen Welt die eigenen Standards diktieren. Das gelte auch für das Lieferkettengesetz, das vor allem eine Folge habe: „Unsere Unternehmen ziehen sich aus Risikomärkten ganz zurück. Damit ist für die sozialen Standards in den jeweiligen Ländern nichts erreicht.“

Energieversorgung gemeinsam betrachten

Energieversorgung sehen CDU und FDP als Thema, das eine gesamteuropäische Lösung verlangt. Körners Position: „Wir brauchen Europa auch da“, weil die Bedingungen für Solar- und Windkraft in den Ländern unterschiedlich verteilt seien. Voss forderte eine „Energieunion“: „Die Mitgliedsstaaten entscheiden, woher sie Energie gewinnen. Das müssen wir überwinden.“ IHK-Präsidentin Nicole Grünewald zitierte in ihrem Abschlusswort den EU-Politiker Jean Asselborn, der wenige Wochen zuvor in der IHK zu Gast gewesen war: „Wählt doch, wen ihr wollt – aber niemanden, der die EU kaputtschlagen will.“
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