Lieferkettengesetz: Gut gemeint. Schlecht gemacht.
Immer häufiger sind auch kleinere Unternehmen in der Region mit den Folgen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes konfrontiert. Die IHK Köln informiert und berät dazu individuell.
© Grafik: Yossakorn Kaewwannarat/iStock
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gilt seit Jahresanfang bereits für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Damit sind diese Unternehmen verpflichtet, sich aktiv um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihrer Lieferkette zu „bemühen“. Dazu verlangt das Gesetz von den verpflichteten Firmen unter anderem eine interne Risikoanalyse, die Einrichtung eines Beschwerdemanagements sowie Kontrollen bei den Zuliefernden.
Hinzu kommen große zusätzliche Bürokratielasten, etwa durch den jährlich fälligen Bericht, der einen 15-seitigen Fragenkatalog beantworten muss. Inzwischen wird indes deutlich, dass die Auswirkungen des LkSG weit über diese Großbetriebe hinausgehen.
„Wir bekommen immer häufiger Anfragen von kleinen Unternehmen, die geradezu verzweifelt sind, weil Geschäftspartnerinnen und -partner von ihnen verlangen, zum Beispiel ihre Vorzulieferer offenzulegen oder etwa einen Kodex zu unterschreiben“, berichtet Gudrun Grosse, Leiterin International der IHK Köln.
KMU unter Druck
Solche Forderungen bringen einerseits die Sorge mit sich, Geschäftsgeheimnisse aufdecken zu müssen, andererseits haben viele gar nicht die notwendigen Einflussmöglichkeiten auf ihre eigenen Zuliefernden. Hier zeigt sich nach Ansicht von Gudrun Grosse eine der Schwächen des Gesetzes.
Zwar dürfen die direkt durch das Gesetz verpflichteten Betriebe ihre Pflichten nicht einfach weiterreichen, und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat außerdem eine Handreichung veröffentlicht, die unter anderem die Grenzen der Inanspruchnahme nicht verpflichteter Unternehmen beschreibt. Aber laut BAFA hat es sogar schon Versuche gegeben, sich von Zulieferern, für die das LkSG gar nicht gilt, pauschal die Einhaltung des Gesetzes zusichern zu lassen. Das ist unzulässig und kann dazu führen, dass das Bundesamt eine Kontrolle beim verpflichteten Unternehmen durchführt. Vom Gesetz nicht erfasste Betriebe unterhalb der Beschäftigtengrenze müssen dagegen weder Zwangsmaßnahmen
noch Bußgelder fürchten.
noch Bußgelder fürchten.
Doch es ist eingetreten, was wir im Gesetzgebungsverfahren vorausgesagt haben: Die größeren Unternehmen sichern sich nachvollziehbar bei ihren Zulieferern ab – egal ob groß oder klein. Die Bürokratielasten und die Verantwortung werden in der Lieferkette weitergegeben. Deshalb sehen sich viele kleinere Unternehmen unter Druck. So berichtet Reinhard Houben, Inhaber eines kleinen Elektrotechnikbetriebes in Köln, von Versuchen großer Kunden, seinem Unternehmen die Pflichten des Gesetzes aufzubürden. „Dadurch wollen sich die vom Gesetz betroffenen Unternehmen gegenüber möglichen Klagen absichern. Die Vorstellung, dass ein Gesetz über Lieferketten nur ausschließlich das letzte Glied der Kette trifft, ist illusorisch.“
Zwar könnten kleinere Unternehmen nicht über das LkSG direkt in Haftung genommen werden, aber über Haftungsklauseln in Verträgen durchaus, bestätigt Gudrun Grosse. Es bleibt die Sorge, dass verpflichtete Unternehmen Geschäftsbeziehungen abbrechen könnten, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden.
Hoher Beratungsbedarf
Was ein Zuliefernder leisten könne, hänge nicht nur von seiner Größe und verfügbaren Ressourcen ab, sondern unter anderem auch von der Branche sowie „spezifischen Gegebenheiten vor Ort“, erklärt das BAFA. Das allerdings ist ein sehr vager Begriff. Wie sich das Gesetz in der Praxis weiter auswirken wird, ist ohnehin schwer abzusehen – auch deshalb, weil es weitere Definitionen mit großem Auslegungsbedarf enthält, etwa das Prinzip der Angemessenheit. Betriebe dürfen demnach nicht „überfordert“ werden. „Das Problem ist: Wo fängt Angemessenheit an und wo hört sie auf?“, fragt Gudrun Grosse.
Ein weiterer Punkt ist, dass das Gesetz nur zum Bemühen verpflichtet, nicht zum Erfolg. Wann aber wird dieses Bemühen als ausreichend bewertet? Diese Fragen werden das BAFA und in der Folge sicher auch Gerichte in vielen Einzelfällen klären müssen. Der Beratungsbedarf bei dem Gesetz ist dementsprechend hoch, und das nicht nur bei Kleinbetrieben ohne eigene Rechtsabteilung. Die Expertinnen und Experten der IHK Köln konnten bereits in einigen Fällen in dem Konflikt zwischen Unternehmen erfolgreich vermitteln.
Notbremse in Brüssel
Noch mehr Bürokratie aus einem europäischen Lieferkettengesetz ist in letzter Minute gestoppt worden. Gut so!
10 wichtige Hinweise zum LkSG
- Geltung:
Das LkSG gilt seit 1. Januar für alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten - Auswirkung für kleinere Betriebe:
Das LkSG wirkt sich auch auf Unternehmen aus, die nicht in den Anwendungsbereich fallen, aber Zuliefernde oder Tochtergesellschaft eines verpflichteten Unternehmens sind - Mitwirkung von Zuliefernden:
Das LkSG verlangt von den verpflichteten Unternehmen angemessene und risikoorientierte Kontrollmechanismen und Kontrollen bei den Zuliefernden. - Grenzen der Inanspruchnahme:
Die Übertragung der gesamten Pflichten an Zuliefernde ist nicht zulässig. - Durchsetzung bei Zuliefernden:
Verpflichtete Unternehmen könnten ergänzende Vertragsklauseln oder einen Code of Conduct fordern. In unserem Lieferkettenportal finden Sie ein Code-of-Conduct-Muster - Empfehlung für Zuliefernde:
Grundsätzlich sollte ein Zuliefernder Vorsicht walten lassen, wenn er vertraglich Umstände zusichern soll, über die er keine Kenntnisse oder auf die er kein Einflussvermögen hat. - Risikoanalyse:
Verpflichtete Unternehmen brauchen u. a. diese Informationen: über Land oder Region, Stufe der Wertschöpfungskette, Anzahl betroffener Personen, Größe des betroffenen Bereichs der Umwelt. - Betriebsgeheimnis:
Nicht verpflichtete Zuliefernde sollten bei Anfragen datensparsam agieren und nachfragen, wofür Daten benötigt werden. - Maßnahmen bei mittelbar Zuliefernden:
Zuliefernde werden häufig die Identität ihrer Vorliefernden nicht preisgeben wollen. Verpflichtete Unternehmen können dennoch den Vorgaben nachkommen, indem sie beispielsweise mit dem direkt Zuliefernden eine Übernahme von Kosten für Abhilfemaßnahmen vereinbaren. - Hilfe für Zuliefernde:
In der Praxis beschreiben nicht verpflichtete Zuliefernde mitunter, dass sie nicht in der Lage sind, ein eigenes Risikomanagementsystem zu etablieren.
„Man muss ständig im Austausch sein” – Interview mit Fabian Kusch, Bierbaum-Proenen
Fabian Kusch ist Leiter Nachhaltigkeit beim Arbeitskleidungshersteller Bierbaum-Proenen
© Bierbaum-Proenen
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betrifft BP aufgrund der Größe nicht direkt, hat es dennoch Auswirkungen auf das Unternehmen?
Wir schauen uns sehr genau an, wo und wie unsere Kleidung produziert wird, und haben sehr lange und vertrauensvolle Partnerschaften zu unseren Produktionsbetrieben. Das ist für unsere Kunden ein großer Vorteil. Viele von ihnen haben Fragen zum Thema Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, auf die wir glücklicherweise umfänglich und sehr zufriedenstellend antworten können.
Wie stellen Sie sicher, dass in Ihren Betrieben, zum Beispiel in Nordafrika, Standards bei Arbeitsbedingungen und Umweltschutz eingehalten werden?
In Tunesien haben wir mit unserem Schwesterunternehmen Vetra einen eigenen Produktionsbetrieb, in dem rund 280 Mitarbeitende BP-Produkte herstellen. Da haben wir direkten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen. Aber natürlich arbeiten wir auch mit anderen Produktionsbetrieben zusammen. Und auch wenn wir teilweise sehr lange Partnerschaften unterhalten, ist unser Einfluss in diesen Betrieben nicht so direkt wie in unserem eigenen Betrieb. Deswegen arbeiten wir seit 2010 mit der Fair Wear Foundation (FWF) zusammen. Diese unabhängige Multi-Stakeholder-Initiative setzt sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der internationalen Bekleidungsindustrie ein. Ihre Standards gelten allgemein als die höchsten in der Branche.
Was können generell kleinere und mittlere Unternehmen aus Ihrer Sicht tun, um die Einhaltung von Standards in ihrer Lieferkette sicherzustellen?
Beim Thema Nachhaltigkeit ist es aus unserer Sicht zunächst wichtig, ständig im Austausch zu sein: mit Kundinnen und Kunden, Zuliefernden, Händlerinnen und Händlern, den eigenen Beschäftigten und auch mit der Öffentlichkeit. Durch Austausch wächst Vertrauen, und dieses Vertrauen braucht es. Ein weiterer Aspekt ist die Mitgliedschaft in Vereinigungen und Institutionen wie in unserem Fall beispielsweise in der Fair Wear Foundation.
Kontakt
Gudrun Grosse
Leiterin International