IHK-Merkblatt (Stand: April 2024)

Was Unternehmen über das Widerrufsrecht wissen müssen

Das Widerrufsrecht ist essenziell im Bereich des Business-to-Consumer-E-Commerce (B2C). Die europaweit vereinheitlichten Regelungen bieten klare Vorteile für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch Stolpersteine für Unternehmerinnen und Unternehmer.

Warum ist das Widerrufsrecht wichtig?

Verbraucher*innen haben gemäß § 355 BGB bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht. In diesem Zusammenhang sind Unternehmer*innen dazu verpflichtet, Verbraucher*innen über die Konditionen, Fristen und das Verfahren zur Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Dazu gehört auch die Übermittlung des Muster-Widerrufsformulars in Textform, indem Unternehmer*innen das gesetzlich vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung korrekt ausfüllen und übermitteln.
Trotz der bereits seit 2014 in Kraft getretenen europäischen Verbraucherrechte-Richtlinie, die die Vereinheitlichung der Widerrufsrechte in ganz Europa zum Ziel hat, sind auf B2C-Websites (Verträge zwischen einem*einer Unternehmer*in und einem*einer Verbraucher*in) oft veraltete Informationen und Muster zum Widerrufsrecht des*der Verbrauchers*Verbraucherin zu finden. Die Verwendung veralteter Muster birgt das Risiko einer Abmahnung und sollte daher vermieden werden.

Fernabsatzverträge und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge: Was verbirgt sich dahinter?

Ein Fernabsatzvertrag liegt vor, wenn ein Vertrag zwischen einem*einer Unternehmer*in und einem*einer Verbraucher*in abgeschlossen wird und beide Parteien nicht gleichzeitig physisch anwesend sind. Dies umfasst typischerweise Vereinbarungen, die aufgrund von Bestellungen über Onlineshops oder durch telefonische Vertragsabschlüsse zustande kommen.
Ein Vertrag gilt grundsätzlich als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen, wenn der Vertragsschluss oder das Angebot des*der Unternehmers*Unternehmerin an einem Ort erfolgt, an dem Verbraucher*innen nicht üblicherweise damit rechnen, mit einem Vertragsangebot konfrontiert zu werden. Ein klassisches Beispiel dafür sind sogenannte Haustürgeschäfte. Ebenso fällt ein Vertrag unter die Regelungen für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, wenn er zwar im Geschäftsraum des Unternehmens abgeschlossen wird, die vorherige Akquise jedoch außerhalb dieses Raumes erfolgt ist. Zu guter Letzt unterliegen auch Vertragsschlüsse im Rahmen von Kaffeefahrten – organisierten Ausflügen von Unternehmen zur Werbung für Waren oder Dienstleistungen – den Vorschriften für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge.

Widerrufsrecht in der Praxis: Wie funktioniert es und was sind die Rechtsfolgen?

Im Falle eines Widerrufs genügt die schriftliche Erklärung des*der Verbrauchers*Verbraucherin über die Aufhebung des Vertrags. Besondere Formerfordernisse gibt es nicht, sodass die Erklärung auch per Fax, E-Mail oder in Textform abgegeben werden kann. Es muss deutlich werden, dass der*die Verbraucher*in den Vertrag rückgängig machen bzw. sich vom Vertrag lösen will. Die genaue Bezeichnung als Widerruf ist nicht zwingend notwendig. Auch muss er nicht begründet werden.
Die Frist für einen wirksamen Widerruf beträgt 14 Tage ab Erhalt der Ware.
Für die Einhaltung der Frist genügt es, den Widerruf rechtzeitig abzusenden. Spezielle Regelungen für den Fristbeginn finden sich in § 356 Abs. 2, 3 BGB. Demnach beginnt die 14-tägige Frist:
  • Bei der persönlichen Entgegennahme von Waren mit deren tatsächlichem Erhalt.
  • Bei getrennt gelieferten Waren erst, nachdem der*die Verbraucher*in die letzte Ware erhalten hat, auch bei Lieferungen in mehreren Teilen.
  • Bei regelmäßigen Lieferungen von Waren über einen festgelegten Zeitraum nach Erhalt der ersten Teillieferung.
  • Bei Dienstleistungen ab dem Tag des Vertragsabschlusses.
Achtung: Eine versäumte oder fehlerhafte Belehrung setzt die 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Gang. Das Widerrufsrecht erlischt jedoch spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, sofern nicht anders bestimmt.
Der Widerruf führt zur Rückabwicklung des Vertrags, was bedeutet, dass sowohl erhaltene Leistungen als auch Waren zwischen den Vertragsparteien zurückzuführen sind.
Nach Ausübung des Widerrufsrechts müssen Verbraucher*innen und Unternehmer*innen innerhalb von 14 Tagen die erhaltenen Leistungen zurück gewähren. Der*die Unternehmer*in kann die Rückzahlung des Kaufpreises vorerst verweigern, bis der*die Verbraucher*in die Ware an ihn zurückgeschickt hat oder den Versand nachweist. Die Rückzahlung erfolgt in der Regel mit dem ursprünglich verwendeten Zahlungsmittel, es sei denn, es wurde ausdrücklich und nicht bloß in den AGB anders vereinbart und dem*der Verbraucher*in hierdurch keine Kosten entstehen.
Die Kosten für den Versand der Ware zum*zur Verbraucher*in trägt der*die Unternehmer*in, jedoch begrenzt auf die günstigste Standardlieferungsoption. Rücksendekosten können hingegen dem*der Verbraucher*in auferlegt werden, sofern dies in der Widerrufsbelehrung explizit angegeben wurde. Der*die Unternehmer*in kann allerdings auch anbieten, die Kosten zu übernehmen.
Sofern für die Widerrufsware ein Wertverlust geltend gemacht werden kann, hat der*die Verbraucher*in einen Wertersatz an den*die Unternehmer*in nur zu leisten, wenn dieser auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendig war und der*die Verbraucher*in über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt wurde. Die Notwendigkeit der einzelnen Prüfungsmaßnahmen ist einzelfallabhängig. Als Daumenregel gilt: nimmt der Verbraucher die Sache soweit in Augenschein und untersucht sie, wie er dazu auch in einem Ladengeschäft in der Lage gewesen wäre, hat er keinen Wertverlust zu leisten.

Belehrungspflichten: Was muss der*die Unternehmer*in beachten?

Im Falle eines Fernabsatzvertrags muss der*die Unternehmer*in den*die Verbraucher*in in Textform (wie Brief, Telefax oder E-Mail) über die Bedingungen, Einzelheiten zur Ausübung und die rechtlichen Konsequenzen des Widerrufsrechts informieren. Insbesondere bei Online-Auktionen wie z. B. auf eBay, wo ein 14-tägiges Widerrufsrecht vorgeschrieben ist, ist die Belehrung unverzüglich nach Vertragsschluss – am besten mit der Bestellbestätigungsmail – erforderlich. Hierbei sind folgende Punkte zu berücksichtigen:
  • Erreichbarkeit: Die Informationen sollten an einer leicht wahrnehmbaren Stelle platziert werden, ohne dass der Verbraucher lange suchen muss.
  • Sprechende Hyperlinks: Bei der Verwendung von Hyperlinks müssen diese eindeutig gekennzeichnet sein.
  • Optische Hervorhebung: Falls die Informationen innerhalb anderer Vertragsbestandteile oder AGB mitgeteilt werden, müssen sie deutlich von den übrigen Informationen abgegrenzt und optisch hervorgehoben sein.
  • Zeitpunkt der Mitteilung: Die Informationen sollten rechtzeitig vor der Abgabe einer Verbrauchererklärung übermittelt werden, um dem Verbraucher eine informierte Entscheidung zu ermöglichen.

Wann greift das Widerrufsrecht nicht?

In der Vorschrift des § 312g Abs. 2 BGB sind einige Ausnahmen vom Widerrufsrecht normiert. Beispielhaft sind folgende Verträge zu nennen, bei denen das Widerrufsrecht entfällt:
  • Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den*die Verbraucher*in maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Dies lässt sich damit begründen, dass diese Waren für das Unternehmen im Falle einer Rücknahme wirtschaftlich wertlos sind, weil sie aufgrund der besonderen Gestaltung nicht mehr ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Preisnachlässe abgesetzt werden können,
  • Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
  • Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
  • Verträge zur Lieferung untrennbar vermischter Waren,
  • Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
  • Verträge zur Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder Computersoftware in einer versiegelten Verpackung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
  • Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten, mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
  • Waren und Dienstleistungen, deren Preis Schwankungen unterliegt, auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat,
  • Verträge über Beherbergung, Beförderung, Mietwagen, Lieferung von Speisen, Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitgestaltung, wenn für die Erbringung ein spezifischer Termin oder Zeitraum vorgesehen ist,
  • öffentlich zugängliche Versteigerungen (nicht: Ebay-Versteigerungen),
  • Verträge über dringende Reparaturleistungen,
  • Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der*die Verbraucher*in die Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde sowie
  • notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nur, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers aus § 312d Abs. 2 BGB gewahrt sind.

Muster für die Widerrufsbelehrung: Rechtssicherheit für Unternehmen

Muster- Widerrufsbelehrung  mit verschiedenen Textbausteinen zu den unterschiedlichen Fallgestaltungen
Die Muster sollten grundsätzlich unverändert übernommen werden, um abmahnsicher zu sein. Lediglich dort, wo die Gestaltungshinweise unter dem Mustertext es vorsehen, sind weitere Anpassungen möglich, die mit der Ausgestaltung des Online-Shops übereinstimmen sollten.
Hilfreich bei der Erstellung der Widerrufsbelehrung ist auch der Rechtstexter von Trusted Shops.

Quelle: IHK Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim