Recht und Steuern

Verjährung

Vor Jahresablauf sollten Unternehmen ihre Forderungen auf eine mögliche Verjährung hin überprüfen. Vielen Gläubigern droht zum Jahreswechsel durch Verjährung ein Rechtsverlust.

1. Verjährung von Forderungen

Werden Ansprüche, etwa aus Kauf- oder Werkverträgen über einen gewissen Zeitraum nicht eingefordert, verjähren sie und sind nicht mehr durchsetzbar. In der Regel endet die Frist am Ende eines Jahres. Darüber hinaus: Wer einen verjährten Anspruch trotzdem erfüllt, etwa aus Unwissenheit, kann seine Leistung nicht mehr zurückfordern. Für Unternehmer lohnt es sich daher, sich mit Verjährungsfristen vertraut zu machen.    

2. Hemmung der Verjährung

Eine laufende Verjährungsfrist kann vorübergehend gehemmt werden. Der Zeitraum, in dem die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet, § 209 BGB. Die Hemmung ist strikt von einem "Neubeginn der Verjährung" zu unterscheiden. Hemmung bedeutet, dass nur noch die restliche Verjährungsfrist nach dem Ende des jeweiligen Grundes für die Hemmung läuft. Die Verjährungsfrist beginnt also nicht erneut in voller Länge zu laufen.
Die Verjährung wird gehemmt durch die rechtliche Verfolgung des Anspruchs.
Beispiele: Klageerhebung, Zustellung eines gerichtlichen Mahnbescheids im Mahnverfahren, Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, Beginn eines schiedsgerichtlichen Verfahrens, Zustellung eines Antrags auf Erlass eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung, Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren, § 204 Abs. 1 BGB.
Wird die Verjährung durch die aufgezählten gerichtlichen Maßnahmen gehemmt, kommt der Gläubiger in den Genuss einer Art Karenzfrist von sechs Monaten nach § 204 Abs. 2 BGB, innerhalb derer er weitere Maßnahmen ergreifen muss. Dies kann zum Beispiel von Bedeutung sein, wenn die restliche (noch verbleibende) Verjährungsfrist nur noch wenige Tage beträgt. Die Karenzfrist beginnt mit Beendigung des gerichtlichen Verfahrens zu laufen.
Einen weiteren Hemmungsgrund stellt die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubiger dar, § 203 Satz 1 BGB. Dabei beträgt die Karenzfrist nur drei Monate, § 203 Satz 2 BGB.
Außergerichtliche Mahnungen hemmen dagegen die laufende Verjährung nicht, selbst dann nicht, wenn sie schriftlich oder sogar in Form eines eingeschriebenen Briefes erfolgen.

3. Ablaufhemmung

Von der „Hemmung der Verjährung“ ist die sogenannte „Ablaufhemmung“ zu unterscheiden. Die Ablaufhemmung bewirkt, dass eine an sich eintretende Verjährung nicht sofort in Kraft tritt, sondern erst, wenn bestimmte Umstände hinzukommen. Dies gilt etwa für die Ablaufhemmung von Regressansprüchen des Letztverkäufers gegenüber seinem Lieferanten nach § 445a BGB. Gemäß § 445b Abs. 2 BGB verjährt der Regressanspruch frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt, in dem der Verkäufer die Ansprüche des Käufers erfüllt hat.  Eine Höchstfrist, d.h. ein gesetzliche Begrenzung der Ablaufhemmung des 445b Abs. 2 BGB gibt es seit dem 1.1. 2022 nicht mehr.

4. Neubeginn der Verjährung

In bestimmten Fällen sieht der Gesetzgeber einen Neubeginn der Verjährung vor. Dies bedeutet, dass die Verjährungsfrist vollständig neu zu laufen beginnt. Nach § 212 BGB ist dies der Fall, wenn
  • der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt
  • oder gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlungen vorgenommen oder beantragt werden, es sei denn, diese werden später wieder aufgehoben.
In diesem Zusammenhang ist von großer Bedeutung, dass bei einem Neubeginn der Verjährung die neue Frist nicht erst mit dem 1. Januar des Folgejahres zu laufen beginnt, sondern unmittelbar nach dem Tag des Ereignisses, das zum Neubeginn der Verjährung geführt hat (z. B. Zeitpunkt der Abschlagszahlung).

5. Vertragliche Absprachen  

Vertragliche Abreden über die Länge und den Beginn der Verjährung können grundsätzlich getroffen werden. Dabei ist eine Verlängerung auf bis zu 30 Jahre ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn grundsätzlich möglich, § 202 Abs. 2 BGB. Unzulässig ist es aber, die Verjährungsfrist für Fälle einer Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung abzukürzen, § 202 Abs. 1 BGB. 
Bei einem Verbrauchsgüterkauf (Unternehmer verkauft eine bewegliche Sache an einen Verbraucher, § 474 BGB) kann die Verjährungsfrist für Mängelansprüche nur beim Verkauf von Gebrauchtwaren auf ein Jahr verkürzt werden, § 476 Abs. 2 BGB.

6. Rechtsfolgen

Rechtsfolge der Verjährung ist, dass sich der Schuldner auf die Verjährung berufen und die Erfüllung des Anspruchs verweigern kann. Der Gläubiger kann seinen Anspruch nicht mehr erfolgreich einklagen, obwohl der Anspruch weiterhin besteht. Grundsätzlich sind auch die von einem Hauptanspruch abhängigen Nebenleistungen (zum Beispiel Zinsen) ebenfalls verjährt. Ein Schuldner, der zur Erfüllung einer an sich schon verjährten Schuld etwas geleistet hat, kann das Geleistete nicht mehr zurückfordern. Dies gilt selbst dann, wenn er von der Verjährung nicht gewusst hat, § 214 Abs. 2 BGB.

7. Übersicht über die allgemeinen Verjährungsregeln

Art des Anspruchs
Verjährungsfrist
Fristbeginn
Alle privatrechtlichen Ansprüche, soweit nicht durch Gesetz oder wirksam durch Rechtsgeschäft eine andere Frist vereinbart ist (z. B. Kaufpreisanspruch des Verkäufers, Sachleistungsanspruch des Käufers, Vergütungsanspruch des Unternehmers beim Werkvertrag, Herstellungsanspruch des Bestellers beim Werkvertrag, Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Miete inkl. Nebenkosten).
§ 195 BGB
3 Jahre



aber maximal
10 Jahre

Jahresende*



Entstehung des Anspruchs unabhängig von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis, § 199 Abs. 4 BGB

Gewährleistung aus Kaufverträgen
§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB
2 Jahre
Ablieferung/
Übergabe
Gewährleistung aus Kaufverträgen über Bauwerke und Baustoffe, die einen Mangel verursacht haben
§ 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB
5 Jahre
Ablieferung/
Übergabe
Gewährleistung aus Kaufverträgen – auch über Bauwerke und Baustoffe – bei arglistigem Verschweigen des Mangels
§ 438 Abs. 3 BGB
3 Jahre
aber bei Bauwerken nicht vor Ablauf von 5 Jahren
Jahresende*
Abnahme
Gewährleistung aus Werkverträgen über Arbeiten an einer Sache
§ 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB
2 Jahre
Abnahme

Gewährleistung aus Werkverträgen über Arbeiten an einem Bauwerk bzw. Planungsleistungen
§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB
5 Jahre
Abnahme

Gewährleistung aus Werkverträgen über Arbeiten an Sachen oder Bauwerken – bei arglistigem Verschweigen des Mangels
§ 634a Abs. 3 BGB
3 Jahre
aber bei Bauwerken nicht vor Ablauf von 5 Jahren
Jahresende*
Abnahme
Gewährleistung aus Werkverträgen über unkörperliche Arbeitsergebnisse (z. B. Gutachten, EDV-Programm)
§§ 634a Abs. 1 Nr. 3, 195, 199 Abs. 1 BGB
3 Jahre
Jahresende*
Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache
§ 548 Abs. 1 BGB
6 Monate
Rückerhalt der Mietsache

Ansprüche des Mieters auf Aufwendungsersatz und auf Erstattung der Wegnahme einer Einrichtung
§ 548 Abs. 2 BGB
6 Monate
Beendigung des Mietverhältnisses
Wettbewerbsrechtliche Unterlassungs-, Beseitigungs- und Aufwendungsersatzansprüche nach UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb)
§ 11 Abs. 1, Abs. 2 UWG
6 Monate






3 Jahre
Entstehung des Anspruchs und Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners bzw. Zeitpunkt, zu dem Gläubiger ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen.
Entstehung des Anspruchs unabhängig von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis
Gewinnabschöpfungsanspruch nach UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb)
§ 11 Abs. 4 UWG
3 Jahre
Entstehung des Anspruchs unabhängig von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis
Wettbewerbsrechtliche Schadensersatzansprüche nach UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb)
§ 11 Abs. 3 UWG
10 Jahre


30 Jahre
Entstehung des Anspruchs unabhängig von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis
Begehung der schadensauslösenden Handlung
Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen
§ 199 Abs. 2 BGB
30 Jahre
von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung, dem sonstigen schadensauslösenden Ereignis an
Sonstige Schadensersatzansprüche
(z. B. wegen eines Vermögensschadens, Eigentumsverletzung, Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb)
§ 199 Abs. 3 BGB
10 Jahre



30 Jahre
Entstehung des Anspruchs (Eintritt des Schadens), unabhängig von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis**
Von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung, dem sonstigen schadensauslösenden Ereignis an, unabhängig von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis und Entstehung des Anspruchs **
Herausgabeanspruch aus Eigentum und anderen dringlichen Rechten (z. B. Pfandrecht)
§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB
30 Jahre
Rechtskraft der Entscheidung bzw. Errichtung des vollstreckbaren Titels
rechtskräftig festgestellte Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen, Ansprüche die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind. Ansprüche, für die ein Vollstreckungsbescheid oder eine sonstige vollstreckbare Urkunde existiert
falls diese Titel aber künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen (z. B. Zinsen) zum Inhalt haben
§§ 197 Abs. 1 Nr. 3-5, Abs. 2, 195, 199 Abs. 1 BGB
30 Jahre





3 Jahre
Rechtskraft der Entscheidung bzw. Errichtung des vollstreckbaren Titels




Jahresende*
* Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB.
** Maßgeblich ist die früher endende Frist.

Hinweis: Dieses Merkblatt soll nur erste Hinweise geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.