Abschlussveranstaltung Förderprojekt Innenstadtberater/Vorstellung des aktuellen Gewerbemietspiegels

Ein neuer Kosmos

Nach drei intensiven Jahren endet die aktuelle Förderperiode für das Projekt „Innenstadtberater“ am 31. Dezember 2024. Die IHK Karlsruhe führte in Kooperation mit dem Regionalverband Mittlerer Oberrhein das Projekt im Rahmen des „Handel 2030“-Dialoges durch, um Innenstädte mit 10.000 bis 50.000 Einwohnern zukunftsfähig zu gestalten. Gefördert vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg erhielten 19 Kommunen gezielte Beratung und konkrete Maßnahmen zur Belebung ihrer Ortszentren.
Amazon ist keine Stadt. Dieses Zitat auf der Auftaktfolie der Keynote von Dr. Matthias Stippich, Architekt, Stadtplaner und Dozent zur „Transformation der Innenstadt“ hat es in sich: Es weist zwar auf einen wichtigen Player im Bereich des Einzelhandels hin, aber betont zugleich, dass es sich doch nur um einen Online-Marktplatz handelt. Auf Amazon kann man nicht flanieren, Netzwerken, moderne Büroräume genießen, im Liegestuhl sitzen oder ein Konzert anhören. Und genau das macht den Unterschied zur Innenstadt aus. Darin waren sich alle Rednerinnen und Redner der Abschlussveranstaltung Innenstadtberater einig. Dieser Unterschied ist es auch, der die beiden Innenstadtberater der IHK Karlsruhe, Christopher Woschek und Michael Rausch, beziehungsweise ihr Projekt, auf den Plan gerufen hat. Die beiden haben nacheinander den inzwischen 19 Kommunen zwischen 10.000 und 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern als Moderatoren dabei geholfen, ihre Attraktivität zurückzugewinnen. Mit Innenstadt-Checks, Passanten- und Online-Befragungen, Passanten Zählungen, Schaufensterchecks und Online-Marketing-Workshops.
Ministerialrat Stefan Mogler, stellvertretender Leiter des Referats Mittelstand und Handwerk im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg konnte der IHK Hoffnung machen, dass das vorerst abgeschlossene Förderprojekt Innenstadtberater eine Fortsetzung findet und die IHK Karlsruhe (das sei eine reine Formsache) wiederum einen Zuschlag für die nächsten zwei Jahre erhält. Die Zielgruppe der Kommunen werde leicht verändert und soll nun auf 5.000 bis 70.000 Einwohnende angehoben werden. Außerdem dürfen Kommunen, die bereits die Angebote genutzt haben, weiterhin begleitet werden. Dr. Matthias Proske, Verbandsdirektor des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein freut sich bereits auf die weitere Zusammenarbeit. „Unsere Innenstädte leben von Vielfalt und Kooperation. Mit diesem Projekt haben wir den Grundstein für eine lebendige Innenstadt gelegt“, betonte IHK-Präsident Wolfgang Grenke in seiner Begrüßung.

Die Verschiebung der DNA

Wie sich die Innenstädte entwickelt haben, zeigte Stippich anhand eines von ihm so genannten Innenstadtversprechens, das sich aus einzelnen DNA-Teilchen zusammensetzt: Aus Arbeit, Repräsentation, Gemeinschaft, Wohnen und Handel. Während die Einzelteile im letzten Jahrhundert noch ungleich zusammengewürfelt waren mit dem klaren Fokus auf dem Einzelhandel, sieht er die Zentren der Zukunft (bis 2030) als ein gleichberechtigtes Miteinander. Als Beispiel nannte er Kaufhäuser, die nach der Umnutzung zu einem ganzen Kosmos werden, mit Wohnungen, Dienstleistungen und Handel unter einem Dach. In den Städten sieht er sogar die Produktion von Kleinserien als mögliche Ergänzung. Nina Haug, Stadtplanerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am KIT richtete im zweiten Teil des Vortrags ihren Blick auf ein studentisches Projekt, das die Innenstadt Heilbronn aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken soll.
Die Ergebnisse: „Wir müssen das räumliche Verständnis von Innenstadt überdenken, bestimmte Bauwerke können als Magnete fungieren, man muss die Innenstädte weiter fassen, Wege zum Bahnhof oder zu Grünräumen einbeziehen, die digitalen Chancen nutzen und sich gegenseitig befruchten, eine Vielfalt und Nutzungsmischung vorantreiben und die Aufenthaltsqualität speziell auch von Außenräumen verbessern“, so die Expertin.

Einzelhandelsmieten deutlich gefallen

Auch Bernd Fleischer Vorsitzender IHK-Ausschusses Immobilien und Standortentwicklung betonte in einer Zusammenfassung der Ergebnisse des neu aufgelegten Gewerbemietspiegels der IHK Karlsruhe: „Es gibt nicht mehr ein einziges Zugpferd Einzelhandel. Innenstädte müssen sich neu erfinden. Das Nebeneinander von Wohnen, Leben und Arbeiten ist die einzig mögliche Zukunft der Zentren.“ Dafür sprechen auch die Zahlen: Über 4.000 qualifizierte Daten waren die Grundlage für den in drei Bereiche, so genannte Assets, aufgeteilten Mietspiegel: Im Büromarkt zeige der Pfeil schräg nach unten: Die Preise sind gefallen oder teilweise stagniert. Die Preise im teuren Stadtzentrum Karlsruhe, in der Innenstadt, der Weststadt und der Oststadt liegen zwischen 15 und 17 Euro pro Quadratmeter. In Bruchsal gab es eine Seitwärtsentwicklung, der Quadratmeter liegt nach wie vor bei rund 9 Euro.
Anders sieht die Situation bei den Lager- und Produktionsflächen aus: Die Preise gehen klar nach oben. Besonders hoch ist die Nachfrage in Karlsruhe und Ettlingen, gefolgt von Baden-Baden, Bühl und Bruchsal
Im Bereich des Einzelhandels ist die Schere zwischen Spitzen- und Niedrigpreisen deutlich weiter auseinander gegangen: In der Karlsruher 1A-Lage reichen die Angebotspreise von 35 bis zu 90 Euro pro Quadratmeter, (Zum Vergleich: Vor zwei Jahren lagen die günstigsten Angebote noch bei 65 Euro) in Bretten fällt das Niveau bescheidener aus mit 10 bis 15 Euro. In Bruchsal liegen die Preise bei 6 bis 27 Euro, ähnlich wie in Ettlingen, Bühl und Rastatt. Nur in Baden-Baden halten sich noch höhere Preise in Top Lagen bis 71 Euro pro Quadratmetern, aber auch hier sind die niedrigsten Angebote deutlich geringer als 2022.
Beim Blick auf den gesamtdeutschen Umsatz im Einzelhandel sei zwar der Onlineanteil inklusive Lebensmitteln noch vergleichsweise niedrig, allerdings sieht es bei Elektro (38 Prozent Onlinehandel), Fashion und Accessoires (45 Prozent) und Büchern/Schreibwaren (34 Prozent) ganz anders aus.

Intensiver Austausch ist wichtig

In der von Lisa Frey, Referentin Handel, moderierten Paneldiskussion mit Nicole Bär, Citymanagerin Ettlingen, Lutz Raeck vom Gewerbeverein BinA e.V. Bühl, Sven Wipper, Vorsitzender vom Branchenbund Bruchsal, Einzelhändlerin Miriam Stephan und Mike Rausch ging es um den Status Quo der Innenstädte. Das Fazit: Die Zusammenarbeit aller Innenstadtakteure, von der Stadt, über die Gewerbetreibende bis zu den Immobilienbesitzern seien elementar wichtig. Gerade mit letzteren müsse man sich intensiv austauschen, um einen gesunden und attraktiven Mix von Angeboten zu erreichen. Raeck brach in der Diskussion nicht nur eine Lanze für die Gewerbevereine, sondern auch für die IHK, die mit den Innenstadtberatern ein sehr gutes Angebot bereitstelle, das dabei auch noch umsonst sei. Sein Appell: „Unbedingt machen!“