Gebäude können nachhaltig Strahlkraft beweisen

Interview mit Reinhard Blaurock, IHK-Vizepräsident und Geschäftsführender Gesellschafter der Vollack Gruppe, und Klaus Teizer, Geschäftsführer bei Vollack
Nachhaltigkeit und Energieeffizienz rücken für Unternehmen immer stärker in den Fokus. Warum sollten sie dabei auch an ihre Gebäude denken? 
R. Blaurock: In Gebäuden liegt in vielerlei Hinsicht ein großes Potenzial. Die Entscheidung für einen klimafreundlichen Neubau oder eine energetische Sanierung des Bestands kann für Unternehmen eine wichtige Stellschraube sein, um die eigene CO2-Bilanz zu verbessern und die Energie- und Betriebskosten deutlich zu senken. Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens ist nicht nur ein ökologisches Ziel. Zudem gilt: Dieses Ziel muss gemeinsam erreicht werden. Nachhaltig geplante oder revitalisierte Gebäude bewirken in ihrer Gesamtheit sehr viel. Und sie beeinflussen nicht nur den Carbon Footprint, sondern auch die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden; nicht zuletzt „wirken“ Gebäude nach innen und nach außen. Denn nachhaltiges unternehmerisches Handeln ist ein sichtbares Bekenntnis und wird zudem bei der Orientierung am Arbeitsmarkt immer öfter zum Kompass für Bewerberinnen und Bewerber. 
Ein umweltfreundliches Gebäude als Strategie gegen den Fachkräftemangel? 
R. Blaurock: Ja, genau. „Sinn stiften“ lautet dabei die Erkenntnis. Im Grunde allen Menschen, aber auch gerade den Generationen Y und Z ist es wichtig, in ihrer Tätigkeit einen tieferen Sinn zu sehen. Sie fragen sich: Wie nachhaltig agiert das Unternehmen, bei dem ich arbeite oder mich bewerbe? Wer sich als Arbeitgeber positionieren möchte, sollte seine Arbeitswelt im Blick haben und Bedingungen schaffen, in denen Menschen gerne, motiviert und erfolgreich arbeiten. Ein Gebäude ist ein wichtiger Baustein in einer positiven Unternehmenskultur. Wir bei Vollack sagen: Gebäude wirken immer, jeden Tag. Dabei hat Nachhaltigkeit eben drei Dimensionen: die ökologische, ökonomische und sozio-kulturelle. Im Zusammenspiel entsteht besonders großer Mehrwert.
Wie kann ein Gebäude mit Strahlkraft aussehen?
R. Blaurock: Ein Beispiel ist der Firmensitz der bekannten Outdoor-Marke VAUDE. Vollack entwickelte den Masterplan zum Umbau des Gebäudes. Holz als umweltfreundliches Baumaterial, ausgedehnte Grünflächen und eine zehn Meter hohe Kletterwand am Eingang vermitteln Outdoor-Feeling und passen zur Markenpersönlichkeit. Für die nachhaltige Umsetzung mit Alleinstellungscharakter erhielt der VAUDE-Campus die Zertifizierung in Silber der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und wurde mit dem GreenTec Award ausgezeichnet. Aber so etwas wie ein Patentrezept für die perfekte Lösung gibt es nicht. Wir bei Vollack konzipieren Gebäude in intensiver Zusammenarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden – individuell an deren Strategie, den Bedarfen und Prozessen ausgerichtet. Das Ziel ist, eine ressourcenschonende und wirtschaftliche Gebäudelösung zu entwickeln, die zum jeweiligen Unternehmen maßgenau passt. 
Sind umweltfreundliche Gebäude dann nicht teurer als andere? 
K. Teizer: In vielen Köpfen hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass nachhaltige Gebäude im Vergleich zu konventionellen Neubauten deutlich kostspieliger seien. Klar ist, bevor Unternehmen mit ihren Gebäuden Energie- und Betriebskosten sowie CO2-Emissionen einsparen können, müssen sie erst einmal investieren. Doch Untersuchungen, die Vollack an umgesetzten Objekten durchgeführt hat, belegen: Nachhaltigkeit rechnet sich. Auch die Mehrkosten für innovative Energiekonzepte amortisieren sich im Betrieb der Gebäude schon nach wenigen Jahren. Einen wirtschaftlichen Anreiz schafft zudem die Bundesförderung für effiziente Gebäude, kurz BEG. Sie macht Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien bei Neubauten und Sanierungen besonders attraktiv.
Man hört im Zusammenhang mit Bauprojekten immer wieder von explodierenden Kosten. Wie können sich Bauherren schützen?  
K. Teizer: Bei Vollack entstehen zukunftsweisende Gebäudelösungen nach der eigenen Methode und als Design + Build. Dabei vereinen wir das digitale Building Information Modeling (BIM) und Lean Construction (LEAN). Beide Ansätze verfolgen dasselbe Ziel: Planungs- und Bauprozesse zugunsten des Bauherrn und aller Projektbeteiligten zu optimieren, zu strukturieren, transparent und effizient zu gestalten. Wir sind überzeugt davon, dass dieser Weg für Bauherren ein transparenter und verlässlicher ist. Die Frage ist nicht nur, wie sich das Planen und Bauen jetzt und in Zukunft gestaltet, sondern auch, wie sich die Branche und die Zusammenarbeit mit Bauherren entwickeln sollte, um im Ergebnis für alle neue Impulse geben zu können. Die Branche ist da sicherlich in Transformation.
Wie sieht Planen und Bauen heute konkret aus? 
K. Teizer: Für unseren Kunden Scheugenpflug entsteht zum Beispiel aktuell ein neues Electronics Competence Center in Neustadt an der Donau. Mit der Anwendung von BIM und LEAN gelingt es uns, ein in der Herstellung und in der späteren Nutzung besonders klimafreundliches Gebäude zu realisieren. Der Neubau aus drei architektonisch markant gestalteten Gebäudekuben entsteht als KfW 40-Gebäude auf einer Bruttogeschossfläche von rund 4.000 Quadratmetern und schließt an das bestehende Firmengebäude an. Zur intelligenten Haustechnik gehört eine 220 Quadratmeter große Photovoltaikfassade. Diese wird im Zusammenwirken mit einer PV-Anlage auf dem Dach und einem 840 Quadratmeter großen PV-Carport fast 90 Prozent des Gebäudeenergiebedarfs decken. Zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen mit Wärmerückgewinnung der Lüftungsgeräte werden den gesamten Wärmebedarf decken. Für den Neubau streben wir eine Zertifizierung mit dem LEED-Gold-Standard an. LEED steht für Leadership in Energy and Environmental Design und ist ein international anerkanntes Zertifizierungssystem für ökologisches Bauen. Das Ziel besteht also in einem Gebäude, das ökologisch ressourcenschonend, ökonomisch verantwortungsvoll und sozio-kulturell beflügelnd für die Menschen ist, die investieren und die Flächen nutzen.
Weitere Impulse zum Thema nachhaltiges Bauen gibt es beim 5. Karlsruher Bauherrenkongress – Digitales Planen, Bauen und Betreiben am Mittwoch, 10. Juli 2024, von 10 bis 17 Uhr. Hier erwarten Sie außerdem Vorträge und Diskussionen von und für öffentliche Bauherren. 
Weitere Infos unter www.vollack.de oder www.evenoo.com