Die neue EU-Ökodesign-Verordnung

Am 28.06.2024 wurde die „Verordnung (EU) 2024/1781 vom 13. Juni 2024 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2020/1828 und der Verordnung (EU) 2023/1542 und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG“ hier im EU-Amtsblatt verkündet. Sie tritt am 18. Juli 2024 in Kraft und gilt unmittelbar in allen EU-Staaten.
Sie löst die bisherige Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) ab. Die zu jener Richtlinie im Lauf der letzten Jahre erlassenen delegierten Rechtsverordnungen bleiben jeweils bis zu deren Aktualisierung in Kraft.

Ziele und Begriffsbestimmungen

Ziel der Verordnung ist es, „die ökologische Nachhaltigkeit von Produkten zu verbessern, damit nachhaltige Produkte zur Norm werden, der CO2-Fußabdruck und ihr Umweltfußabdruck über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg verringert wird und der freie Verkehr nachhaltiger Produkte im Binnenmarkt sichergestellt ist. Mit dieser Verordnung wird zudem ein digitaler Produktpass eingeführt, es werden verbindliche Anforderungen für die umweltorientierte Vergabe öffentlicher Aufträge eingeführt und ein Rahmen geschaffen, um zu verhindern, dass unverkaufte Verbraucherprodukte vernichtet werden.“
Die Verordnung gilt zunächst allgemein für alle physischen Waren, die in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, jedoch mit Ausnahmen (z. B. Lebensmittel, Arzneimittel, teilweise Fahrzeuge).
Artikel 2 enthält eine Vielzahl von Begriffsbestimmungen, u. a.
  • Umwelt-Fußabdruck, CO2-Fußabdruck und Material-Fußabdruck,
  • besorgniserregende Stoffe (nicht nur „besonders besorgniserregend“, also weiter gefasst als die SVHC gemäß REACH-Verordnung),
  • unverkauftes Verbraucher-Produkt, unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer (d. h. unabhängig vom Hersteller)
  • und eine Unterscheidung zwischen Vertreiber (ist dem Hersteller oder Importeur nachgeschaltet) und „Händler“ (hat nur Endnutzer als Kunden oder nimmt selbst das Produkt in Betrieb).

Ökodesign-, Leistungs- und Informationsanforderungen

Artikel 5 listet 16 mögliche Ökodesign-Anforderungen auf (z. B. Reparierbarkeit, Rezyklatanteil, Recyclingfähigkeit), die jeweils von der EU-Kommission im Rahmen von delegierten Rechtsakten je nach Produkt ausgewählt werden. Laut Absatz 11 sollen – wohl nur in der grauen Theorie – u. a. „keine unverhältnismäßigen nachteiligen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer“ und keine „unverhältnismäßigen administrativen Belastungen aufgebürdet werden“.
In den delegierten Rechtsakten werden jeweils auch Leistungsanforderungen (z. B. Energieverbrauch) und Informationsanforderungen (für Kunden) festgelegt, wobei die Optionen hier jeweils weit gefasst werden. Die Informationsanforderungen sollen u. a. eine „Rückverfolgung der besorgniserregenden Stoffe während des gesamten Lebenszyklus der betreffenden Produkte“ ermöglichen, wozu diese auf dem Produkt selbst oder einem aufgebrachten Datenträger (z. B. Strich-Code) abrufbar sein müssen.
Artikel 9 bis 11 treffen generelle Vorgaben für einen digitalen Produktpass, der in allen künftigen delegierten Verordnungen im Detail vorgeschrieben werden wird. Bis zum 19.07.2026 soll die EU ein digitales-Produktpass-Register einrichten, in das nicht alle Informationen, aber zumindest eindeutig zuordenbare Produktkennungen hochgeladen werden müssen. Darüber hinaus wird es ein öffentlich zugängliches Webportal mit allen Produktpass-Daten bei gleichzeitig definierten Zugangsrechten geben.

Vorrangige Produktgruppen

Für die Priorisierung von Produkten, die unter die Ökodesign-Anforderungen fallen sollen, erstellt die EU-Kommission Arbeitspläne, den ersten bis 19. April 2025. Vorrang sollen dabei zunächst folgende Produktgruppen haben:
Eisen und Stahl, Aluminium, Textilien, insbesondere Bekleidung und Schuhwerk, Möbel, einschließlich Matratzen, Reifen, Waschmittel, Anstrichmittel, Schmierstoffe, Chemikalien; energieverbrauchsrelevante Produkte und Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologie und sonstige Elektronikgeräte.

Verbot der Vernichtung von Kleidung und Schuhen

Artikel 23 bis 26 legen fest, dass ab dem 19. Juli 2026 eine Vernichtung der in Anhang VII aufgeführten unverkauften Verbraucherprodukte durch größere Unternehmen verboten ist (durch mittlere Unternehmen vier Jahre später). Betroffen sind zunächst bestimmte Waren-Codes von Kleidung, Bekleidungszubehör und Schuhen.

Pflichten der Beteiligten

In den Artikeln 27 bis 38 werden die Pflichten der verschiedenen Wirtschaftsbeteiligten (z. B. Hersteller, Vertreiber) bzw. die Art der Pflichten (z. B. Berichterstattung) festgelegt.
Daran schließen sich Kapitel zur Produktkonformität, zur Notifizierung von Konformitätsbewertungsstellen, zu Anreizen, zur Marktüberwachung und zu Schutzklauselverfahren (bzgl. Produkten, mit denen ein Risiko verbunden ist) an.
Artikel 78 enthält eine geringfügige Änderung der EU-Batterieverordnung. Artikel 79 listet komplizierte Übergangsbestimmungen bzgl. der bisherigen Ökodesign-Regelungen auf. Die Verordnung umfasst außerdem sieben Anhänge, u. a. zum digitalen Produktpass.
Unmittelbar geltende Pflichten ergeben sich aus der neuen Verordnung nicht, aber mittelfristig werden sehr viele Hersteller und Importeure betroffen sein.
Quelle: IHK Südlicher Oberrhein