Widerrufsrecht beim Messekauf

Auf Vorlage des Bundesgerichtshofs hatte der Europäische Gerichtshof jüngst darüber zu entscheiden, ob ein Widerrufsrecht des Verbrauchers mit entsprechenden Belehrungspflichten des Unternehmers auch bei einem Messekauf besteht. Es kommt wie so oft auf den Einzelfall an.
Ein Verbraucher bestellte auf einer Messe am Stand eines Unternehmens, das seine Produkte ausschließlich auf Messen absetzt, Ware (hier: einen Dampfstaubsauger). Das Unternehmen belehrte den Verbraucher nicht darüber, dass nach deutschem Recht im Einklang mit einer EU-Richtlinie ein Widerrufsrecht bestehe. Das Unternehmen wurde daraufhin von der Verbraucherzentrale verklagt es zu unterlassen, Produkte ohne Belehrung der Verbraucher über deren Widerrufsrecht zu verkaufen.
Gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 2011/83 steht dem Verbraucher eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag widerrufen kann. Nach Artikel 2 Nummer 9 der Richtlinie sind Geschäftsräume entweder unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder aber bewegliche Gewerberäume, in denen er diese für gewöhnlich ausübt. Die Richtlinie wurde in deutsches Recht umgesetzt.
Klärungsbedürftig war nun die Frage, ob ein Messestand Geschäftsraum im Sinne der Richtlinie ist.
Nach dem Europäischen Gerichtshof kommt es auf das konkrete Erscheinungsbild des Standes aus Sicht der Öffentlichkeit an. Genauer, ob sich der Stand als ein Ort darstellt, an dem der Unternehmer, der ihn innehat, seine Tätigkeiten, einschließlich saisonaler, für gewöhnlich ausübt, sodass ein Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen kann, dass er, wenn er sich dorthin begibt, zu kommerziellen Zwecken angesprochen wird. Maßgeblich sei die Wahrnehmung eines Durchschnittsverbrauchers, d.h. eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers. Das Erscheinungsbild, das der Stand dem Durchschnittsverbraucher bietet, sei unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände rund um die Tätigkeiten des Unternehmers und insbesondere der vor Ort auf der Messe selbst verbreiteten Informationen zu beurteilen.
Kann also nach dem Erscheinungsbild der Durchschnittsverbraucher damit rechnen, dass der Unternehmer an dem Stand seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen, dann ist der Messestand Geschäftsraum im Sinne der Richtlinie, so dass ein Widerrufsrecht des Verbrauchers ausscheidet.
Hintergrund für diese Auslegung der Richtlinie durch den Europäischen Gerichtshof ist der Verbraucherschutz. Der Verbraucher steht außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens möglicherweise psychisch unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt, wobei es keine Rolle spielt, ob er den Besuch des Unternehmens herbeigeführt hat oder nicht. Der Unionsgesetzgeber wollte auch Situationen einschließen, in denen der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen persönlich und individuell angesprochen wird, der Vertrag aber unmittelbar danach in den Geschäftsräumen des Unternehmens oder über Fernkommunikationsmittel geschlossen wird.