Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Der Bundestag hat im Juni 2021 das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)“ oder kurz auch „Lieferkettengesetz“ – verabschiedet. Ziel ist es, Menschenrechte und Umwelt in der globalen Wirtschaft besser zu schützen. Dafür tragen auch Unternehmen in Deutschland Verantwortung. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass in ihren Lieferketten die Menschenrechte und Umweltstandards eingehalten werden.
Die Gesetzgebung zum „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ entstand weit vor der aktuell brisanten Lage auf dem Weltmarkt. Die sich seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verschärfenden Lieferengpässe aufgrund unterbrochener Lieferketten und der Anstieg der Energiepreise zwingen derzeit viele Unternehmen in die Knie. Betriebe stehen vor dem Produktionsstillstand, der Entlassung ihrer Mitarbeiter und dem möglichen Aus.
Sollten die Betriebe die Krise überstanden haben, müssen sie sich aufgrund des neuen Lieferkettengesetzes mit dessen Pflichten auseinandersetzen. Denn die Bundesregierung erwartet von den betroffenen Unternehmen die Einführung eines Prozesses der unternehmerischen Sorgfalt in Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt.
Welche Unternehmen sind ab wann betroffen?
- Das Gesetz ist zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten und verpflichtet zunächst Unternehmen mit in der Regel mehr als 3.000 Arbeitnehmern und Sitz in Deutschland.
- Zum 1. Januar 2024 soll der Anwendungskreis dann auf alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erweitert werden. Ins Ausland entsandte Mitarbeiter sowie Leiharbeiter, die mindestens sechs Monate in dem Betrieb beschäftigt sind, werden dabei eingerechnet.
Dennoch können auch kleinere und mittlere Unternehmen unter Umständen mittelbar vom Gesetz betroffen sein. Denn wenn Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereiches des LkSG direkte Zulieferer von Unternehmen sind, die unter das Gesetz fallen, dann können sie durch ihre Vertragsbeziehung (in der z. B. menschenrechtsbezogene Erwartungen festgeschrieben sein könnten) zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten angehalten werden.Die Pflichten aus dem LkSG können ihrer Natur nach allerdings nicht einfach an die Zulieferer weitergegeben werden. Das betrifft etwa Berichtspflichten gegenüber der Behörde und der Öffentlichkeit. Auch mit Kontrollmaßnahmen oder Sanktionen durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat ein Zulieferer außerhalb des gesetzlichen Anwendungsbereiches nicht zu rechnen. Zudem bleiben die unter das Gesetz fallenden Unternehmen in der eigenen Verantwortung, ihre Lieferketten im Blick zu behalten und die Pflichten zur Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu erfüllen.
Welche Anforderungen werden an Unternehmen gestellt?
Die Bundesregierung erwartet von Unternehmen die Einführung eines Prozesses der unternehmerischen Sorgfalt mit Bezug auf die Achtung der Menschenrechte. Die Sorgfaltspflichten beziehen sich auf den eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare Zulieferer. Für mittelbare Zulieferer gilt eine anlassbezogene Sorgfaltspflicht, d.h. Unternehmen müssen allein bei substantiierten Hinweisen auf mögliche Rechtsverletzungen in der Lieferkette tätig werden.
Die wesentlichen Kernelemente des Gesetzes lassen sich dabei wie folgt zusammenfassen:
- Einrichtung eines Risikomanagements: Ein Verfahren, das (mögliche) negative Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte identifiziert, stellt den Kern der unternehmerischen Sorgfalt dar. Unternehmen müssen zudem die betriebsinterne Zuständigkeit festlegen und die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen sicherstellen. Das BAFA hat eine Handreichung zur Umsetzung einer Risikoanalyse nach den Vorgaben des LkSG veröffentlicht. Diese und andere Informationen zum Thema finden Sie hier.
- Verabschiedung einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte: Aus der von der Unternehmensleitung verabschiedeten Grundsatzerklärung soll deutlich werden, dass das Unternehmen der Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte nachkommt.
- Die Verankerung von Präventionsmaßnahmen sowie das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen: Basierend auf den Ergebnissen der Risikoanalyse sollen Maßnahmen zur Abwendung potenzieller und tatsächlicher negativer Auswirkungen identifiziert und in die Geschäftstätigkeit integriert werden. Diese können beispielsweise Schulungen von Mitarbeitern und Lieferanten, Anpassungen von Managementprozessen und den Beitritt zu Brancheninitiativen beinhalten.
- Das Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens: Ein unternehmensinterner oder externer Beschwerdemechanismus soll es jedem ermöglichen, auf (mögliche) nachteilige Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf die Menschenrechte hinzuweisen. Weitere Informationen, sowie eine Handreichung "Beschwerdeverfahren" des BAFA finden Sie hier.
- Dokumentation und Berichterstattung: Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist unternehmensintern fortlaufend zu dokumentieren. Das Unternehmen hat jährlich einen Bericht über die Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr zu erstellen und auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Nähere Informationen zur Berichtspflicht finden Sie von der BAFA hier.
Die Sorgfaltspflichten begründen explizit eine Bemühens- und keine Erfolgspflicht. Unternehmen müssen also nachweisen können, dass sie die im Gesetz beschriebenen Sorgfaltspflichten umgesetzt haben, die vor dem Hintergrund ihres individuellen Kontextes machbar und angemessen sind. Dabei gilt: je stärker die Einflussmöglichkeit eines Unternehmens ist, je wahrscheinlicher und schwerer die zu erwartende Verletzung der geschützten Rechtsposition und je größer der Verursachungsbeitrag eines Unternehmens ist, desto größere Anstrengungen kann einem Unternehmen zur Vermeidung oder Beendigung einer Verletzung zugemutet werden.
Wie soll das Gesetz durchgesetzt werden?
Das Gesetz sieht eine behördliche Überwachung mit Bußgeldern vor. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wird als zuständige Aufsichtsbehörde benannt und mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet.
Sofern ein Unternehmen die Zusammenarbeit verweigert und somit gegen die Bemühenspflicht verstößt, kann das BAFA ein Zwangsgeld von bis zu 50.000 Euro verhängen. Verstößt ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen die vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten, so kann das BAFA ein Bußgeld verhängen, dass sich am Gesamtumsatz des Unternehmens orientieren soll. Auch kann das Unternehmen bei einem schweren Verstoß für bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Hilfestellung bei der Umsetzung für kleinere und mittlere Unternehmen
Viele Unternehmen haben die Bedeutung und die Chancen unternehmerischer Sorgfalt erkannt und wollen ihre Lieferketten nachhaltig managen. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen mit unter 500 Beschäftigten haben aber oft zu knappe personelle und finanzielle Ressourcen, um das Thema systematisch anzugehen und im Unternehmen zu verankern – etwa wenn es um Dokumentationspflichten oder Compliance-Regelungen geht. Der KMU-Kompass will hier gezielt unterstützen und einen schnellen Einstieg bieten: Wo fange ich an? Und wie gehe ich vor? Mit einfachen Fragen leitet das Online-Tool Nutzerinnen und Nutzer Schritt für Schritt an, Sorgfaltsmaßstäbe an ihr unternehmerisches Handeln anzulegen und diese stärker zu beachten.
Fazit: Eine gute Vorbereitung auf die neuen Verkehrssicherungspflichten in der Lieferkette wird in vielen deutschen Unternehmen zunächst eine systematische Aufbereitung von Lieferantendaten zu Zwecken der Analyse und Bewertung von individuellen Lieferkettenrisiken bedeuten.