Gesetzesänderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz
Raus aus der Teilzeitfalle! - Das war das von der parlamentarischen Mehrheit getragene politische Motiv für die Änderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, die am 1. Januar 2019 in Kraft treten werden.
Um was geht es?
Die Arbeit soll laut Aussage des Arbeitsministers Hubertus Heil zum Leben passen! Bestimmte Lebensphasen, -umstände und -situationen – wie zum Beispiel in der Familie oder dem Freundeskreis oder Fort- und Weiterbildungswünsche – bringen das Bedürfnis von Arbeitnehmern mit sich, die Arbeitszeit der jeweiligen Lebensgegebenheiten anpassen zu können. Damit der Arbeitnehmer sein Bedürfnis gegenüber dem Arbeitgeber auch mit Wirkung auf den Arbeitsvertrag durchsetzen kann, werden dem Arbeitnehmer durch das „Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit“ mehr Rechte eingeräumt.
Daneben ändert das Gesetz die Regelungen für die Arbeitnehmer, die Arbeit auf einseitigen Abruf durch den Arbeitgeber leisten. Das Gesetz soll die Planungs- und Einkommenssicherheit von Arbeitnehmern auf Abruf verbessern, indem der Anteil der vom Arbeitgeber einseitig abrufbaren Arbeit künftig reduziert wird.
Was ist das Ziel?
Ziel des Gesetzes ist es, die Planbarkeit der Arbeitszeit und die Einkommenssicherheit zu verbessern. So soll z. B. den Arbeitnehmern, insbesondere Frauen, der Weg aus einer Teilzeitbeschäftigung erleichtert und damit auch der Altersarmut durch geringe Beitragszahlungen in die Altersvorsorge vorgebeugt werden. Insgesamt soll für Arbeitnehmer die Planbarkeit der Arbeitszeit und Einkommenssicherheit verbessert werden.
Was wurde geändert?
Einführung einer Brückenteilzeit
Nach dem im Jahr 2001 von der Rot-Grünen- Koalition eingeführten Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) kann der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird, sofern die im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Jedoch kann der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber nach der gegenwärtigen Gesetzeslage keine (Wieder-) Erhöhung seiner vertraglich geregelten Arbeitszeit fordern. Diese rechtliche Situation konnte dazu führen, dass ein Arbeitnehmer in die – mehrheitlich politisch so bewertete – Teilzeitfalle geraten konnte.
Andere Gesetze wie das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Pflegezeitgesetz sowie Familienpflegegesetz, die dem Arbeitnehmer ebenfalls einen durchsetzbaren Anspruch auf Teilzeit gegen den Arbeitgeber einräumen, sehen dagegen ein Rückkehrrecht des Arbeitnehmers zur ursprünglich vereinbarten Arbeitszeit vor.
Nun mit den zum 01.01.2019 in Kraft tretenden Änderungen des TzBfG wird dem Arbeitnehmer (nach § 9a TzBfG neu) für die Zukunft die Möglichkeit eingeräumt, eine Teilzeitbeschäftigung zeitlich begrenzt beim Arbeitgeber einzufordern (sogenannte Brückenteilzeit). Der Arbeitgeber kann den Wunsch des Arbeitnehmers ablehnen, soweit betriebliche Gründe entgegenstehen.
Die zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit muss mindestens 1 Jahr und darf höchstens 5Jahre dauern. Während der Dauer der zeitlich begrenzten Verringerung der Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer keine weitere Verringerung und keine Verlängerung seiner Arbeitszeit nach dem TzBfG verlangen.
Änderung der Darlegungs- und Beweislast bei Besetzung eines Arbeitsplatzes
Neben der Einführung der Brückenteilzeit erleichtern die Gesetzesänderungen dem bereits in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmer seine Rechte bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber wahrzunehmen, wenn der Arbeitgeber ihn dabei nicht berücksichtigt hat. Die Erleichterung tritt dadurch ein, dass der Gesetzgeber die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers nach der Gesetzeslage bis Ende 2018 zum Teil auf den Arbeitgeber überträgt.
Einschränkung des Umfangs der Arbeit auf Abruf
Schließlich änderte der Gesetzgeber noch die Bestimmungen zur Arbeit auf Abruf. Arbeit auf Abruf kann der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vertraglich vereinbaren, wenn der Arbeitgeber wegen wechselndem Arbeitsanfall die Beschäftigung seines in der Regel teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers je nach Bedarfssituation vorbehalten möchte.
Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer die wöchentliche Mindestdauer der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag nicht festgelegt, gelten ab 2019 nicht mehr nur 10 Stunden als vereinbart, sondern 20.
Gibt es eine Vereinbarung über die wöchentliche Arbeitszeit ist zwischen einer Vereinbarung über die Mindest- oder Höchstarbeitszeit zu unterscheiden. Ist eine Mindestarbeitszeit vereinbart, dann darf zukünftig der Arbeitgeber nun noch bis zu 25 Prozent der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist dagegen eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber zukünftig nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen. Des Weiteren hat der Gesetzgeber nun die Berechnungsgrundlage für Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gesetzlich geregelt. Für die Bestimmung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts ist die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate als so genannter Referenzzeitraum zugrunde zu legen. Jedoch werden Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeitsversäumnis, Arbeitsausfälle und Urlaub nicht berücksichtigt. Hat das Arbeitsverhältnis noch keine drei Monate bestanden, ist der kürzere Zeitraum für die Berechnung der durchschnittlichen Arbeitszeit heranzuziehen.
Wen betrifft die Gesetzesänderung zum TzBfG?
Die Neuerungen zur Änderung der Darlegungs- und Beweislast bei Besetzung eines Arbeitsplatzes sowie der Einschränkung der Arbeit auf Abruf betreffen alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Teilzeitarbeitsverhältnisse oder Arbeitsverhältnisse, mit der Möglichkeit der Arbeit auf Abruf, unterhalten.Von der Neueinführung der Brückenteilzeit sind nur solche Arbeitgeber betroffen, die in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigen. Der Arbeitnehmer muss zudem länger als sechs Monate beim Arbeitgeber beschäftigt sein.
Arbeitgebern, die 46 bis 200 Arbeitnehmer beschäftigten, können die vom Arbeitnehmer begehrte Brückenteilzeit ablehnen, wenn die vom Gesetzgeber geregelte Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist: Demnach muss der Arbeitgeber pro Einheit bis 15 Arbeitnehmern nur einem Arbeitnehmer Brückenteilzeit gewähren, also mehr als 45 vier Arbeitnehmern, mehr als 60 fünf, mehr als 75 sechs, usw.
Welche Schritte sind bis zur Brückenteilzeit zu durchlaufen?
- Der Arbeitnehmer hat die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens 3 Monate vor deren Beginn geltend zu machen.
- Die Anzeige seines Verlangens muss in Textform erfolgen (Papierform oder elektronischer Form ohne Unterschrift).
- Der Arbeitgeber hat das Verlangen des Arbeitnehmers mit dem Ziel, zu einer einvernehmlichen Vereinbarung zu gelangen, zu erörtern, insbesondere soll ein Einvernehmen über die Verteilung der Arbeitszeit erreicht werden.
- Der Arbeitgeber hat bei Vorliegen der Voraussetzungen der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmer festzulegen, es sei denn, es sprechen betriebliche Gründe für eine Ablehnung der Brückenteilzeit.
- Der Arbeitgeber hat seine Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung spätestens 1 Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung mitzuteilen.
- Die Mitteilung des Arbeitgebers hat in Schriftform zu erfolgen.
- Kommt der Arbeitgeber nach fehlender Einigung seiner Mitteilungspflicht nicht nach, verringert sich die Arbeitszeit kraft Gesetzes automatisch im vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang und die Arbeitszeitverteilung erfolgt ebenfalls nach den Wünschen des Arbeitnehmers.
- Die Verteilung der Arbeitszeit kann jedoch für die Zukunft bei erheblich überwiegendem betrieblichen Interesse gegenüber dem Interesse der Beibehaltung geändert werden. Die neuen Arbeitszeiten gelten jedoch frühestens 1 Monat nach Ankündigung der Änderung.
- Während der Dauer der zeitlich begrenzten Verringerung der Arbeitszeit ist eine Arbeitszeitänderung dem Umfang nach nicht möglich.
- Eine erneute Verringerung der Arbeitszeit nach dem TzBfG kann der Arbeitnehmer erst nach Ablauf eines Jahres nach Rückkehr zur ursprünglichen Arbeitszeit verlangen.
Was ist sonst noch wissenswert?
Auch wenn einzelne Regelungen der Gesetzesänderung aus unterschiedlichen Gründen auf Kritik stießen, unterstützten die meisten Parteien im Bundestag dem Grunde nach die Regelungsziele.
Von wirtschaftsliberaler Seite wurde insbesondere kritisiert, dass der Arbeitnehmer keine sozial-rechtfertigenden Gründe für sein Verlangen auf Brückenteilzeit angeben muss. Der bloße Wunsch des Arbeitnehmers nach Brückenteilzeit – zum Beispiel zur Verbesserung des Golfhandicaps – könne derart erhebliche Eingriffe in die unternehmerische Freiheit, in die Vertragsfreiheit und in den Grundsatz, dass Verträge zu halten sind, nicht rechtfertigen.
Da von den rund 37 Millionen Arbeitnehmern nur rund 22 Millionen bei Arbeitgebern mit über 45 Arbeitnehmern beschäftigt sind und davon knapp 10 Millionen bei Arbeitgebern mit über 45 bis 200 Arbeitnehmern, fällt ein Anteil von über 40 % aller Arbeitnehmer aus dem Anwendungsbereich der Brückenteilzeitregelung vollständig heraus, was besonders die den Arbeitnehmern nahestehende Interessengruppen kritisch anmerkten.
Hinzu kommen noch folgende Aspekte: Das Institut der deutschen Wirtschaft hat Befragungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels ausgewertet. Demnach befinden sich auf das Jahr 2016 bezogen die meisten teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in Arbeitsverhältnissen, die dem Wunscharbeitszeitumfang entsprechen. Lediglich 8 Prozent aller Arbeitnehmer strebten im Jahr 2016 eine Erhöhung der Arbeitszeit an. Im Beobachtungszeitraum von 2013 bis 2016 zeigte sich, dass über einen Dreijahreszeitraum die Hälfte davon ihren Vollzeitwunsch erfüllen konnte. Von der anderen Hälfte hatte der überwiegende Anteil zwischenzeitlich seinen Vollzeitwunsch aufgegeben. Ein Teil der Teilzeitkräfte wird mangels fachlicher Qualifikation mangels Angebot keine Chancen haben, die Arbeitszeit zu verlängern. Im Ergebnis wird die Einführung der Brückenteilzeit faktisch nur im Promillebereich Arbeitnehmern helfen.