Lohn- und Gehaltspfändungen


Die Zwangsvollstreckung in Arbeitslohnforderungen ist ein häufig angewandtes Mittel, betitelte Forderungen beizutreiben, stellt doch das Arbeitseinkommen bei vielen Schuldnern das einzige Vermögen dar. Zudem ist das Bestehen einer Lohnforderung verhältnismäßig leicht zu ermitteln.
Während der Umgang mit gepfändeten Arbeitslöhnen und Gehältern in den Personalabteilungen größerer Unternehmen zur täglichen Routine gehört, sehen sich Unternehmen ohne entsprechendes Fachressort oftmals Schwierigkeiten gegenüber, die sie ohne juristische Unterstützung kaum zu lösen imstande sind. Diese IHK-Information soll Ihnen Verhaltensregeln an die Hand geben, mit deren Hilfe Sie größere Sicherheit bei gegen Ihre Arbeitnehmer gerichteten Lohn- und Gehaltspfändungen erlangen sollen.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss flattert ins Haus: Was bedeutet das?

Dem Arbeitgeber wird durch das Vollstreckungsgericht ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) zugestellt. Er enthält den Ausspruch, dass die Lohn- oder Gehaltsforderung eines Arbeitnehmers (Schuldner), die dieser gegen den Arbeitgeber (Drittschuldner) hat bzw. künftig haben wird, in Höhe eines bezifferten Betrages gepfändet und dem Vollstreckungsgläubiger „zur Einziehung überwiesen“ wird.
Mit Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Arbeitgeber erlangt der Gläubiger ein Pfändungspfandrecht an der Lohn- oder Gehaltsforderung des Arbeitnehmers und die Forderung gilt ab diesem Zeitpunkt zwangsvollstreckungsrechtlich als „verstrickt“, d. h., ab diesem Zeitpunkt hat das Vollstreckungsgericht sozusagen die Hand auf die Forderung gelegt.
Der Überweisungsbeschluss beinhaltet die Verwertung der Forderung, d. h. mit Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Arbeitgeber wird automatisch der Gläubiger Inhaber der Gehaltsforderung, soweit die Forderung besteht und pfändbar ist. Letztere Einschränkung ergibt sich daraus, dass das Vollstreckungsgericht das Bestehen der Forderung vor Erlass des PfÜB nicht überprüft – es wird die „angebliche Forderung“ gepfändet.
In aller Regel ergehen die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse in einem Bescheid, so dass die Pfändung und Verwertung gleichzeitig erfolgen. Ergeht aber zunächst nur ein Pfändungsbescheid, darf der Arbeitgeber den pfändbaren Betrag noch nicht an den Gläubiger bezahlen, da dieser erst mit der Überweisung Inhaber der Forderung wird.

Was ist zu tun?

Pfändungsbeschluss

Im Pfändungsbeschluss wird an den Arbeitgeber (Drittschuldner) das Verbot ausgesprochen, die gepfändete Forderung an den Arbeitnehmer (Schuldner) zu bezahlen. Dies gilt aber nur, soweit die Lohnforderung pfändbar ist. Das heißt, innerhalb der Pfändungsfreigrenzen darf und muss der Arbeitgeber den Lohn weiterhin an den Arbeitnehmer auszahlen. Es ist deshalb zunächst die Pfändungsfreigrenze zu ermitteln. Die Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen ergeben sich aus § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO). Da die Vollstreckungsgerichte nicht verpflichtet sind, die Pfändungsgrenze ziffernmäßig anzugeben, verweisen sie in der Regel nur auf die Tabelle des § 850 c ZPO. Deshalb muss der Arbeitgeber anhand des § 850 c ZPO die Pfändungsfreigrenze selbst ermitteln (siehe unter 3.).
Soweit das Arbeitseinkommen die Pfändungsgrenze übersteigt, ist das Verbot, an den Arbeitnehmer zu bezahlen, strikt zu beachten.
Der Arbeitgeber kann insoweit nach der Lohnpfändung durch Zahlung an den Arbeitnehmer nicht mehr von seiner Leistungspflicht frei werden, d. h. im Falle einer Auszahlung des gesamten Arbeitsentgeltes an den Arbeitnehmer wäre der Arbeitgeber verpflichtet, den die Pfändungsgrenze übersteigenden Betrag nochmals an den Vollstreckungsgläubiger zu bezahlen.
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber nachweislich in Unkenntnis der Pfändung den gesamten Lohn an den Arbeitnehmer bezahlt. Dies ist z. B. dann denkbar, wenn der PfÜB im Wege der Ersatzzustellung an einen Angestellten des Arbeitgebers ausgehändigt wurde, dieser den PfÜB aber nicht weitergeleitet hat. In diesen Fällen wird der Arbeitgeber trotz der Zahlung an den Arbeitnehmer gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger von seiner Leistungspflicht frei (BGHZ 86, 338 f.).

Überweisungsbeschluss

Durch die Einziehung der Forderung an den Gläubiger, ist der Arbeitgeber als Drittschuldner verpflichtet, den zuvor oder zeitgleich gepfändeten Betrag an den Gläubigern zu leisten, insofern die Forderung besteht.
Hierbei kann der Arbeitgeber als Drittschuldner grundsätzlich alle Einwendungen vorbringen, die ihm selbst gegen den Lohnanspruch des Arbeitnehmers ohne den Pfändungsbeschluss zurzeit der Pfändung gegen seinen Arbeitnehmer zugestanden hätten (Verjährungs- und Verfallfristen, vorherige Erfüllung oder aufrechenbare Gegenforderung; § 404 BGB entspr.)
Dies muss in der Drittschuldnererklärung erläutert werden. In ganz besonderen Ausnahmefällen kann es auch in Betracht kommen, dass der Titel gegen die guten Sitten verstößt und deshalb nichtig ist.
Von der Rechtsmäßigkeit der PfÜB muss sich der Arbeitgeber nicht überzeugen. Das heißt, der Arbeitgeber wird auch dann von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer frei, wenn er aufgrund eines zu Unrecht erlassenen oder ohne sein Wissen wieder aufgehobenen PfÜB den pfändbaren Betrag an den Vollstreckungsgläubiger bezahlt (§ 836 Abs. 2 ZPO).

Drittschuldnererklärung

Schließlich hat der Arbeitgeber die Pflicht, dem Vollstreckungsgläubiger gegenüber nach der Pfändung auf Anfrage – welche regelmäßig im Beschluss enthalten sein wird – eine sog. Drittschuldnererklärung abzugeben. Diese Drittschuldnererklärung ist kein Schuldanerkenntnis, sondern eine Wissenserklärung. Als sog. Drittschuldner ist der Arbeitgeber dem Gläubiger des Arbeitnehmers gesetzlich zur Auskunft über die Ansprüche seines Mitarbeiters verpflichtet.
Geltend gemacht werden können gegebenenfalls Form- und Zustellungsmängel sowie die Nichtbeachtung von Pfändungsschutzvorschriften. Er hat zu erklären,
  1. ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkenne und Zahlung zu leisten bereit sei, ggf. auch die Anzahl der Raten und Höhe der monatlichen Beträge, in der der gepfändete Betrag überwiesen wird. Wird die Forderung abgelehnt, ist dies zu begründen.
  2. ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung erheben.
  3. ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei (§ 840 ZPO) und ggf. die Summer der Vorpfändungen.
Wegen der Bedeutung dieser Erklärung für die Darlegungs- und Beweislast des Drittschuldners ist erhebliche Sorgfalt an sie zu stellen. Der Arbeitgeber wird nämlich an seiner Drittschuldnererklärung festgehalten, wenn ihm später kein anderer Gegenbeweis gelingt. Kommt der Arbeitgeber der Erklärungspflicht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nach, macht er sich gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger schadensersatzpflichtig (§ 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und riskiert in jedem Falle verklagt zu werden, da er auch bei einem späteren Gegenbeweis die Anwalts- und Gerichtskosten zu tragen hätte.

Gleichzeitige Vollstreckung mehrerer Gläubiger

Bei mehreren Pfändungen gegen denselben Arbeitnehmer gilt der Prioritätsgrundsatz, d. h. die zeitlich als erste zugestellte Pfändung geht den übrigen vor. Die Befriedigung der Vollstreckungsgläubiger hat also in der Reihenfolge der zugestellten PfÜB zu erfolgen.
Verstößt der Arbeitgeber gegen den Prioritätsgrundsatz und zahlt er versehentlich aufgrund einer nachrangigen Forderung, wird er gegenüber dem vorrangigen Gläubiger nicht von seiner Zahlungspflicht befreit. Er muss also an diesen nochmals bezahlen. Gegen den nachrangigen Vollstreckungsgläubiger hat der Arbeitgeber dann allerdings einen Rückzahlungsanspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), für dessen Geltendmachung er aber das Prozessrisiko trägt.
Wenn sich der Arbeitgeber bei mehreren erfolgten Pfändungen nicht sicher ist, an wen er zahlen soll, empfiehlt es sich, den pfändbaren Betrag zu hinterlegen und damit die Verteilung des Erlöses dem Gericht zu übertragen. Die Hinterlegung erfolgt bei dem Vollstreckungsgericht, dessen PfÜB dem Arbeitgeber zuerst zugestellt worden ist, unter Angabe des Sachverhaltes und Aushändigung aller dem Arbeitgeber zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse (§ 853 ZPO).

Wie ist es, wenn eine Bank wegen angezeigter Lohnabtretung Priorität beansprucht?

Auch hier gilt das Prioritätsprinzip. Das heißt, der Arbeitgeber hat den pfändbaren Betrag an die Bank zu leisten, da die Forderung nach der Abtretung nicht mehr dem Arbeitnehmer zustand und somit nicht mehr durch den PfÜB gepfändet und dem Vollstreckungsgläubiger zur Einziehung überwiesen werden konnte.
Eine Leistung an den Vollstreckungsgläubiger würde ihn nicht von der Leistungspflicht gegenüber der Bank befreien. Auch hier bestünde die Gefahr einer Doppel-Inanspruchnahme.
Dasselbe gilt auch, wenn an der Wirksamkeit der Abtretung Zweifel bestehen. Der Arbeitgeber ist vor einer doppelten Inanspruchnahme dadurch geschützt, dass er sich lediglich an der ihm gegenüber erfolgten Abtretungsanzeige orientieren muss. Solange die Abtretungsanzeige Bestand hat, darf sich der Arbeitgeber auf diese Anzeige verlassen und die Überweisung trotz nachgefolgter Pfändung an die Bank vornehmen (§ 409 BGB). Die Abtretungsanzeige kann von dem Arbeitnehmer rechtswirksam, übrigens nur mit Zustimmung der Bank, wieder zurückgenommen werden.
Bestehen bei dem Arbeitgeber dennoch Zweifel, an wen er zu leisten hat, etwa weil der Zeitpunkt der erfolgten Abtretung nicht sicher feststellbar ist, ist dem Arbeitgeber in jedem Falle zu empfehlen, den pfändbaren Betrag der Lohn- oder Gehaltsforderung bei dem Vollstreckungsgericht zu hinterlegen.

Wie ermittelt man das pfändbare Arbeitseinkommen?

Ermittlung des pfändbaren Bruttoarbeitseinkommens

Dazu gehört alles, was der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung erhält („alle in Geld zahlbaren Lohnbestandteile“):
  • Regelmäßiger Arbeitslohn,
  • Provisionen,
  • Prämien,
  • Zuschläge (z. B. für Nacht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit),
  • Gratifikationen,
  • Abfindungen und Ausgleichszahlungen für Wettbewerbsbeschränkungen,
  • Naturalleistungen werden mit ihrem Geldwert berücksichtigt.
Nicht zum pfändbaren Bruttolohn gehören:
  • Vermögenswirksame Leistungen,
  • Beiträge des Arbeitgebers zu Direktversicherungen,
  • Urlaubsgelder,
  • Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses (Treueprämien etc.),
  • Aufwandsentschädigungen und Auslösegelder,
  • Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen,
  • Heirats- und Geburtsbeihilfen,
  • Sterbebeihilfen,
  • Erziehungsgelder und Studienbeihilfen,
  • hälftige Mehrarbeitsvergütung und
  • Weihnachtsvergütungen bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens jedoch 500 €.

Ermittlung des daraus pfändbaren Nettoeinkommens

Das pfändbare Nettoeinkommen ergibt sich nach Abzug der nachfolgenden Beträge vom zuvor bestimmten pfändbaren Bruttolohn:
  • Lohn- und Kirchensteuer,
  • Solidaritätszuschlag und
  • Sozialversicherungsbeiträgen.

Abzug der Pfändungsfreibeträge

Vom pfändbaren Nettoeinkommen sind dann noch die jeweiligen Pfändungsfreibeträge abzuziehen:
  1. Das pfändbare Nettoeinkommen ist auf einen durch 10 Euro teilbaren Betrag abzurunden.
  2. Von diesem Betrag werden 1.073,88 Euro (Arbeitnehmerselbsteinbehalt) seit 01.07.15 abgezogen.
  3. Darüber hinaus sind für die erste Unterhaltsverpflichtung 404,16 Euro und für die zweite bis fünfte je 225,17 Euro abzuziehen. Achtung: Zu berücksichtigende Unterhaltsverpflichtungen sollte der Arbeitgeber sich vom Arbeitnehmer unbedingt schriftlich nachweisen lassen, um sich ggf. gegenüber Dritten haftungsausschließend auf diese Angaben berufen zu können.
  4. Der sich daraus ergebende sog. „Grundbetrag“ ist dann noch um den „pfändungsfreien Mehrbetrag“ zu vermindern (3/10 für den Arbeitnehmer plus 2/10 für die erste Unterhaltsverpflichtung sowie je ein weiteres Zehntel für die Unterhaltsverpflichtung).
Achtung: Gegebenenfalls sind im Pfändungsbeschluss angegebene Besonderheiten zu berücksichtigen (z. B. wegen eigenem Einkommen sind Ehefrau und Kinder nicht zu berücksichtigen oder Genehmigung weiterer Freibeträge).
Bitte beachten Sie: Als Arbeitgeber und Drittschuldner haften Sie für Fehler, die sich aus einer Falschberechnung ergeben.

Wer trägt die Kosten einer Lohnpfändung?

Die Kosten, die dem Arbeitgeber durch die Abgabe der Drittschuldnererklärung, die Berechnung und Abführung des pfändbaren Arbeitseinkommens entstehen, können höher sein als die der normalen Lohnzahlung. Grundsätzlich können diese Mehrkosten weder vom Arbeitnehmer noch vom Gläubiger einbehalten oder zurückverlangt werden, es sei denn, Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben eine sog. „Kostenüberbürdung“, z. B. im Arbeitsvertrag, vereinbart. Eine denkbare Formulierung wäre z. B.:
„Der Arbeitnehmer hat die durch eventuelle Lohnpfändungen und -abtretungen beim Arbeitgeber verursachten Mehrkosten zu tragen. Je notwendigem Schreiben oder je Überweisung betragen an den Neu- bzw. Pfändungsgläubiger diese Mehrkosten pauschal 10 Euro. Der Arbeitnehmer kann den Nachweis führen, dass dem Arbeitgeber keine oder geringere Kosten entstanden sind. Der Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer gilt als jeweils vor der Pfändung oder Abtretung entstanden und fällig geworden.“

Berechtigen Lohnpfändungen zur Kündigung?

Nur in bestimmten Ausnahmefällen, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Pfändungen einen derart hohen Arbeitsaufwand verursachen, dass es zu wesentlichen Störungen im Arbeitsablauf oder der betrieblichen Organisation kommt.
Stand: März 2017
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