Der Erfolg, der schwer weiterzureichen ist

Eine 70- bis 80-Stunden-Woche, Arbeiten am Freitag, Samstag, Sonntag, abends und nachts. Es ist anstrengend, Tobias Finnern muss zupacken können. Seinen Job findet er wunderbar. In einer Zeit, in der viele auf die Work-Life-Balance achten, ist er mit seiner Meinung eher einsam. Der 58-Jährige leitet die Firma Baronesse Catering und Events in Lüneburg. Er sucht einen Nachfolger. „Mein Berater hat gesagt, ich muss damit rechnen, dass es acht Jahre dauert“, sagt Finnern und grinst: „Habe ich nicht geglaubt, aber er hatte wohl recht, ich bin jetzt im fünften Jahr.“
Die Einschätzung des Beraters teilt Kai Lührs. Er ist bei der IHKLW Ansprechpartner für die Nachfolge und Übernahme von Betrieben. „Vor 15 Jahren konnte sich der Unternehmer jemanden aussuchen, heute ist es andersherum. Es gibt deutlich mehr Unternehmen als Interessenten.“ Seine Erfahrung lässt sich im aktuellen DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge nachlesen: Gab es 2007 rund 6.400 Interessenten, standen dem 4.500 Unternehmen gegenüber, die einen Nachfolger suchten. Im Jahr 2020 wünschten sich rund 6.800 Chefs eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Doch es gab gerade 2.000, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen wollten. Die Zahlen ergeben sich aus den Personen, die die IHK-Beratung bundesweit nutzen.
„In der Gastronomie sind die Hürden hoch“, sagt Lührs. „Das Personal ist der Flaschenhals; alle wollen feiern, aber in der Branche arbeiten wollen nur wenige.“ Personalmangel sei nur ein Problem, die Politik werde als wenig verlässlich wahrgenommen, das mindere den Mut zum Risiko.
Auch der Lebensmittelkaufmann Finnern weiß, wie schwierig es ist, Leute zu finden. Er beschäftigt ein halbes Dutzend feste Kollegen, dazu 40 bis 50 Aushilfen. Der Lüneburger geht davon aus, in diesem Jahr einen Umsatz von mehr als einer Million Euro zu erzielen. Er liefert an renommierte Adressen in der Region, dazu an Privatleute, die Hochzeiten oder Geburtstage feiern. Es läuft gut, gleichzeitig führt Finnern seine Firma so bodenständig, dass „meine Eigenkapitalquote bei 100 Prozent liegt. Alles, was hier steht, ist bezahlt“.
Der Erfolg ist auf seiner Internetseite nachzulesen: bester Service, 1-a-Qualität, Empfehlungen an Bekannte und Freunde. Gäste erhalten auf Wunsch ein Rund-um-Sorglos-Paket: Geschirr, Stühle, eine perfekt bestückte Bar, zuvorkommenden Service. Nur eins macht er nicht – billig. „Ich lehne lieber einen Auftrag ab, als das schlechte Qualität auf dem Teller landet.“ Trotzdem macht Finnern bei der Nachfolge-Suche ernüchternde Erfahrungen: Mal sprang jemand auf den letzten Metern ab, mal klappte die Finanzierung nicht, mal lagen Wertvorstellungen weit auseinander. Abläufe, die Berater Lührs kennt: „In der Nacht vor dem Notartermin bekommen einige kalte Füße, alles zurück auf null. Nachfolgeregelung erfordert Geduld.“ Und mehr noch: Das Unternehmen muss zukunftsfest aufgestellt sein. Für den abgebenden Unternehmer bedeutet das, sich rechtzeitig um gutes und sich verjüngendes Personal zu kümmern, rechtzeitig zu verstehen, dass ein Chef delegieren muss: „Man muss loslassen.“ Zu bedenken sei überdies, dass Kinder nicht selbstverständlich in die Fußstapfen ihrer Eltern treten wollen, sie haben oftmals andere Interessen. Die Frage der Nachfolge müsse daher früh gestellt werden.
Wie drängend das Thema ist, macht er daran fest, dass er pro Jahr hunderte Anrufe und Nachfragen verzeichnet, bei 20 bis 50 Unternehmen sei die Übergabe konkret. Der Betriebswirt betreut elf Landkreise im Nordosten Niedersachsens. Ein Appell an die Politik: „Eigentlich müsste es in jedem Landkreis einen Berater geben.“
Dramatisch liest es sich im DIHK-Report: „Insgesamt nennen 94 Prozent der IHKs Schwierigkeiten bei der Nachfolgesuche. Die gründungsstarken Altersjahrgänge zwischen 18 und 40 Jahren sind immer schwächer besetzt. Gleichzeitig erreichen immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer das Ruhestandsalter.“ Lührs: „Es ist ein leises Sterben. Einige Unternehmen werden schließen – es gibt zu wenige, die übernehmen wollen.“ Die gute Nachricht ist für Lührs, dass es immer noch genügend Interessenten gebe, die selbst unternehmerische Verantwortung übernehmen möchten. Darum ist es wichtig, dass das Unternehmen rechtzeitig „Übergabe-fit“ ist. Die IHKLW empfiehlt, im Alter von 55 Jahren erstmalig darüber nachzudenken und zu planen. Es sollte das wichtigste Projekt der Firmengeschichte werden. Gastronom Finnern glaubt, dass er jemanden findet; den will er begleiten bei Akquise, in der Küche, bei den Veranstaltungen. „Man muss dafür brennen, aber ich habe vor zwanzig Jahren bei null angefangen, jetzt kann jemand ein etabliertes Unternehmen übernehmen.“ Mit vollen Auftragsbüchern schon für das kommende Jahr.
Carlo Eggeling
IHKLW-Nachfolgemoderator
Kai Lührs berät als Nachfolgemoderator unserer IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) und der IHK Elbe-Weser Unternehmen auf Nachfolgesuche und Gründer*innen, die ein Unternehmen übernehmen möchten. Kontakt: 0160 7439638, kai.luehrs@ihklw.de. Weitere Informationen: Nachfolge und Übernahme regeln