Mobilität bringt Wachstum

Die gute Nachricht erreicht Günter Kruse, Geschäftsführer der Port Logistics Wittingen GmbH (PLW), im Juli vergangenen Jahres: Mit rund 2,5 Millionen Euro fördert das Land Niedersachsen den Ausbau des Wittinger Hafens. Geld, das die Stadt gut gebrauchen kann, denn insgesamt sind 4,2 Millionen Euro veranschlagt, um die Leistungsfähigkeit des Hafens bis Ende 2023 zu erhöhen.
Porträt von Günter Kruse, er steht am Elbe Seitenkanal.
Günter Kruse ist Geschäftsführer der Port Logistics Wittingen GmbH und Leiter des Bereichs Stadtentwicklung und Tiefbau der Stadt Wittingen. Während die Stadt Wittingen den Hafen betreibt, wickelt die Port Logistics Wittingen den Umschlag ab. Das Unternehmen gehört zu je 50 Prozent der Stadt und dem Logistikunternehmen Rhenus. © Hans-Jürgen Wege/tonwert21.de
Rund 300.000 Tonnen Güter werden pro Jahr am Hafen Wittingen umgeschlagen, doch das reicht nicht aus, den Bedarf in Zukunft zu decken. „Wir haben mehrere Anfragen von Un­ter­nehmen, die sich am Standort ansiedeln möchten“, sagt Kruse, der in Zukunft mit 400.000 bis 500.000 Tonnen Umschlag rechnet. Immerhin könnten nach der Sanierung der Liegestelle auch Schwergüter umgeschlagen werden. „Unsere Aufgabe als Stadt ist es, für die nötige Infrastruktur zu sorgen“, sagt Kruse, der auch den Bereich Stadtentwicklung und Tiefbau der Stadt Wittingen leitet. 
Zu Kruses Jobs gehört es, sich viele Gedanken um Gewerbeflächen und deren mobile Erreichbarkeit zu machen – oft gemeinsam mit Sabrina Puskeiler, Leiterin Stadtentwicklung der Stadt Wittingen. „Wittingen ist schon heute trimodal angebunden über die Bundesstraße 244, den Elbe-Seitenkanal und die Schienen-Strecke Uelzen-Gifhorn-Braunschweig, doch die Kapazitäten sind begrenzt“, sagt Puskeiler. Eine Perspektive bieten die Vorbereitungen des Landes zum Kauf der gesamten Schieneninfrastruktur der Osthannoverschen Ei­sen­bahn AG (OHE) und die Pläne zur Sanierung der Strecke Celle-Wittingen.
Rund zwölf Kilometer Gleis sollen erneuert werden, die stillgelegte Strecke reaktiviert werden. Damit könnte der Hafen Wittingen wieder von einem Anschluss an die Hauptstrecke Hamburg-Hannover der Deutschen Bahn (DB) profitieren. „Wir haben uns immer für den Erhalt der Strecke ausgesprochen, es ist extra eine Schleife im Bereich des Wittinger Bahnhofs verlegt worden, um eine bessere Anbindung an die DB-Strecke Braunschweig-Uelzen zu erhalten“, betont Kruse. Der Weg für mehr Güterverkehr über die Schiene ist also geebnet. Bei ihren Planungen im Blick haben Kruse und Puskeiler aber auch die neue Schleuse Lüneburg am Schiffshebewerk Scharnebeck.
Sabrina Puskeiler steht am Elbe Seitenkanal nahe des Wittinger Hafens.
Sabrina Puskeiler hat als Leiterin Stadtentwicklung der Stadt Wittingen auch die Entwicklung der Gewerbeflächen im Blick. Mehrere Unternehmen wollen sich am Standort neu ansiedeln. © Hans-Jürgen Wege/tonwert21.de
Notwendig ist der als Sparschleuse geplante Neubau, weil sich das Schiffshebewerk in Scharnebeck zu einem Nadelöhr im norddeutschen Wasserstraßennetz entwickelt hat. Die Tröge sind für moderne Schiffe zu kurz, aktuell liegt der maximale Warenumschlag bei maximal zwölf Millionen Tonnen pro Jahr. Die neue Schleuse würde die Kapazität verdoppeln, weil modernere, größere und wettbewerbsfähigere Schiffe auf dem Elbe-Seitenkanal Waren transportieren könnten. Mit bis zu 25 Prozent mehr Warenumschlag wird laut Kruse allein für den Hafen Wittingen kalkuliert: „Was jetzt noch fehlt ist die Autobahnanbindung über die A 39.“
Auf die Autobahnanbindung wartet nicht nur die regionale Wirtschaft, auch 71 Prozent der Menschen befürworten den Autobahnlückenschluss zwischen Lüneburg und Wolfsburg mehrheitlich. Die Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH (Forsa) hat 2021 im Auftrag unserer IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) 1.003 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren in der Stadt Wolfsburg und den Landkreisen Gifhorn, Uelzen und Lüneburg befragt. Ergebnis: 80 Prozent der Befragten erwarten von der A 39 mehr Vor- als Nachteile für die Region. Als Hauptargumente für die A 39 werden die Zeitersparnis, die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur sowie die Entlastung anderer Straßen und der Dörfer genannt.
Für den Wirtschaftsstandort Wittingen ist die  A 39 das „wichtigste Infrastrukturentwicklungsprojekt“ der Region, ist in einem Gutachten der Stadt Wittingen nachzulesen. Die Autobahn würde im Landkreis Gifhorn eine Lücke schließen, denn aktuell zählt der Standort laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung zur größten autobahnfreien Region Deutschlands.
Die A 39 würde das ändern. Laut einer Analyse des Schweizer Unternehmens ProgTrans wird sich der Autobahn-Lückenschluss für rund 80 Prozent der regionalen transportintensiven Unternehmen positiv auswirken. Zudem werden die regionalen Schlüsselbranchen Logistik, Ernährung, Automotive und Tourismus gestärkt – die auch in Wittingen und dem Landkreis Gifhorn stark vertreten sind. Dass die A 39 bereits im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 festgeschrieben ist, lässt die städtischen Infrastruktur-Planer Kruse und Puskeiler mit einem Entwicklungsschub der bestehenden Wirtschaft und der Ansiedlung neuer Unternehmen kalkulieren. Die Stadt Wittingen ist vorbereitet. Die Bauleitverfahren für die Erweiterung des Industriegebiets Hafen und für ein Gewerbebiet an der Bahnstrecke Wittingen-Celle sind angelaufen. Puskeiler: „Zwischen Hafen und Autobahn planen wir, ein Güterverkehrszentrum zu entwickeln und langfristig ist auch ein zweiter Zugang zum Elbe-Seitenkanal im südlichen Erweiterungsbereich angedacht.“ Doch ein Schritt nach dem anderen. Im Sommer startet zunächst die Modernisierung des Hafens. Sandra Bengsch