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Paraguay: Ein Insider-Tipp für das Mercosur-Geschäft

Paraguay konnte in den letzten Jahren viele ausländische Unternehmen für sich einnehmen. Jimmy Sánchez, Abteilungsleiter Marktberatung und Messen in der Deutsch-Paraguayischen Industrie- und Handelskammer (AHK Paraguay) berichtet, warum große deutsche Unternehmensmarken ihren Standort in Paraguay haben, welche Geschäftsmöglichkeiten sich für Exportunternehmen bieten, mit welchen Kosten sie rechnen müssen und wie vor Ort überzeugen können.
Paraguay liegt zwischen Brasilien, Argentinien und Bolivien und hat damit zumindest zwei der lateinamerikanischen Schwergewichte als direkte Nachbarn. Etwa sieben Millionen Menschen leben in Paraguay – Argentinien hat 45 Millionen, Brasilien 211 Millionen. Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass viele deutsche Unternehmen Paraguay als Auslandsmarkt nicht auf dem Schirm haben. Andere Nationen haben dies allerdings durchaus – die Brasilianer nutzen Paraguay schon lange als Werkbank und die Asiaten tun es ihnen seit einigen Jahren gleich. In den letzten Jahren blicken aber auch europäische Nationen vermehrt nach Paraguay. Wie begründet sich dieses Interesse?
“Der paraguayische Markt ist vielleicht klein. Dafür aber sehr offen. Anstatt neidisch auf unsere prominenten Nachbarländer zu blicken, nutzen wir die Vorteile unserer Lage. So hat Paraguay ursprünglich fast ausschließlich landwirtschaftliche Produkte exportiert. Und auch heute noch ist der Export von Fleisch und Soja sicherlich eine der wichtigsten Einnahmequellen. Unsere Exportstruktur ist dennoch eine andere als in früheren Tagen. Neben Rohstoffen und Strom – Paraguay ist der weltweit größte Stromexporteur pro Kopf – exportieren wir auch viel Elektrotechnik oder chemische Erzeugnisse. Die Diversifizierung unseres Exports gelingt uns durch die Integration in die Wertschöpfungsketten unserer großen Nachbarn“.
Als größter binationaler europäischer Verband vertritt die AHK Paraguay mehr als 270 Mitgliedsunternehmen vor Ort. Was sind das für Unternehmen, die ein so starkes Interesse an Paraguay haben?
„In den letzten Jahren kommen zunehmend europäische Unternehmen nach Paraguay, die das Land als Hub für den Mercosur-Markt nutzen. Sie finden hier wirtschaftspolitische Stabilität und günstige Arbeitskräfte. Gleichzeitig können viele von ihnen von der für die Lohnveredelungsindustrie geltende Maquila-Regelung, die großzügige Abgaben- und Steuererleichterungen bei der Ansiedlung von Montagewerken zur Endfertigung von Waren vorsieht, profitieren.

Leoni, Siemens, Volkswagen, BMW, Mercedes Benz, Audi, DHL, Bayer, Hamburg Süd, Bosch – dies sind nur einige bekannte deutsche Namen, die wir in Paraguay beherbergen. Unter den Mitgliedern der AHK Paraguay finden sich natürlich auch sehr viele kleinere und mittlere Unternehmen: Etwa die Hälfte unserer Mitglieder kommt aus dem Industriesektor – aus ganz verschiedenen Segmenten. Eine weitere wichtige Gruppe, die wir in Asunción vertreten, sind die Importeure und Vertreter internationaler Marken. Auch sie bedienen nicht nur unseren Markt.

Letztendlich eignet sich Paraguay gerade für neue ausländische Marken aber auch gut als Testmarkt. Die Akzeptanz gegenüber deutschen Produkten ist sehr hoch – deutsche Produkte werden schnell und gerne akzeptiert. Was hier gut läuft, wird im Allgemeinen auch in anderen lateinamerikanischen Ländern funktionieren. Oder andersherum: Anpassungen, die beispielsweise bei Verpackungsdesign, Werbebotschaften oder Produktbeschreibungen gemacht werden müssen, fallen in unserem eher kleineren Markt schnell auf und können dann verhältnismäßig zügig und kostensparend vorgenommen werden, bevor die Produkte unseren größeren lateinamerikanischen Nachbarn vorgestellt werden. Dasselbe gilt für die Anpassung der Vertriebswege. Auch deren Effektivität kann man hier gut testen. Kanäle, die in Europa funktionieren, müssen nämlich nicht unbedingt in Lateinamerika ebenso effizient sein. Hier muss man oft ein anderer Blickwinkel einnehmen, da es andere Marktteilnehmer gibt.“
Paraguay – das Land der Möglichkeiten?
„Ja, so sagen wir es hier oft. Insbesondere im Kreis ausländischer Investoren. Paraguay verfügt über mehrere äußerst günstigen Regelungen zur Förderung von Investitionen und Gründung lokaler Unternehmen: Das "Maquila"-Gesetz offeriert Produktionsbetrieben, die ausschließlich für den Export arbeiten, zum Beispiel einen Steuersatz von nur 1 Prozent. Das Gesetz 60/90 erlaubt hingegen eine zollfreie Einfuhr von ausländischen Maschinen oder Investitionsgütern, wenn sie die Schaffung von Arbeitsplätzen in Paraguay begünstigen. Aber auch unabhängig von diesen Regelungen, bietet Paraguay, als Land, das jahrelang wirtschaftlich sehr autark agierte, zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten. In diesen Tagen finden Maschinen und Technologie aus dem Ausland hier starkes Gehör. Insbesondere in der Fertigungsindustrie und dem Infrastruktursektor.“
Und wenn man diese Möglichkeiten schröpfen will…,
„…dann lohnt es sich die ,deutsche Karte‘ zu spielen. In Paraguay gibt es, vor allem in der Wirtschaft, einen bedeutenden Teil der Bevölkerung mit deutschen Vorfahren oder Verbindungen zu Deutschland, was Deutschland zu einem attraktiven Geschäftspartner macht. Deutsche Produkte haben hier den Ruf von ausgezeichneter Qualität. Sie sind jedoch auch zumeist kostspieliger als die der asiatischen Konkurrenz. Es lohnt sich also neben dem Produkt auch Serviceleistungen für Wartung und Instandhaltung anzubieten. Das könnte das entscheidende Kaufargument sein.“
Was noch?
Für Paraguay muss man flexibel sein. Dann ist es einfach. Damit meine ich, dass Unternehmen sich auf die lokalen Gegebenheiten einlassen müssen und Prozesse auch einmal anpassen müssen. Mit Englisch kommt man hier zum Beispiel in vielen Einrichtungen oder Unternehmen nicht durch. Spanischkenntnisse sind wichtig und wenn man im Landesinneren tätig ist, dann ist Guarani mehr als nur von Vorteil. Die Sprachkenntnisse sind nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil die sozialen Beziehungen im Geschäftsleben hier auf einer ganz anderen Ebene gepflegt werden als in Deutschland. Sie sind sehr viel persönlicher und intensiver – auch wenn Verhandlungen und Sitzungen durchaus formell ablaufen. Angepasst werden müssen sehr oft aber auch Prozesse in der Kundenansprache und Distribution. Lieferanten arbeiten hier beispielsweise ganz anders als in Deutschland. Sie agieren etwas flexibler – was Vor- als auch Nachteil sein kann…. Wie auch immer ein Vergleich mit deutschen Lieferanten lohnt hier nicht – es läuft hier nun einmal anders. Und es hilft, dies zu akzeptieren.
Welche „Zusatzkosten“ müssen deutsche Unternehmen in Paraguay noch kalkulieren?
„In punkto Zölle und Importkosten müssen sich deutsche Unternehmen nicht so sehr sorgen. Die werden in Paraguay sehr klein gehalten, weil man ein starkes Interesse an ausländischen Unternehmen und Investoren hat. Importprodukte sind in der Regel aber teurer – der Wechselkurs und die Transportkosten fallen hier ins Gewicht. Für letztere müssen in Paraguay sowieso ganz andere Maßstäbe angesetzt werden. Die vorhandene Infrastruktur ist nicht mit europäischem Standard gleichzusetzen; die Beschaffung von speziellen Ersatzteilen kann oft nur über den Import erfolgen.

Die Korruption ist – das wollen wir nicht verleugnen - immer noch ein Problem in Paraguay. Deutsche Unternehmen müssen sich leider darauf einstellen, damit konfrontiert zu werden. Wir empfehlen sich gut über die lokalen Gesetze zu informieren. Dabei kann die AHK Paraguay natürlich helfen. Und die Zusammenarbeit mit einem vertrauenswürdigen lokalen Partner ist eigentlich der beste Weg um der Korruption hier aus dem Weg zu gehen.“
Eineinhalb Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie – ist es jetzt ein guter Zeitpunkt für Neulinge in den Markt einzusteigen?
„Paraguays Wirtschaft befindet sich seit Jahren auf Wachstumskurs. Wir konnten in den letzten zehn Jahren ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 16 Prozent verzeichnen – das ist viel mehr als die meisten anderen lateinamerikanischen Ländern vorweisen konnten. Die Corona-Pandemie hat natürlich Spuren hinterlassen – Paraguay hat einen ziemlich strikten Shut-Down verfolgt. Aktuell stehen aber alle Zeichen auf Erholung: Erst im Juli hob die paraguayische Zentralbank ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr von 3,5 auf 4,5 Prozent an.“
Ein paraguayisches Lebensmotto zum Schluss unseres Interviews?
„Tranquilo nomás - immer mit der Ruhe. Es ist die paraguayische Art, das Leben zu betrachten. Ohne zu viele Sorgen. Es kommt, wie es kommt. Und wir machen immer das Beste aus einer Situation

Stand: 18.01.2022