Gründung, Sicherung, Nachfolge

Analyse der IHK Niedersachsen: Gründungsgeschehen in Zeiten multipler Krisen

Nachdem 2022 die Zahl der Neugründungen in Niedersachsen um immerhin 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen war, zeichnet sich im ersten Halbjahr 2023 mit einem Plus von rund sechs Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum ein freundlicheres Bild ab. Dies zeigt eine aktuelle Analyse der IHK Niedersachsen.

„Der typische Gründende in Niedersachsen ist männlich und startet mit einer klaren Geschäftsidee im Dienstleistungsbereich - und das zumeist im Nebenerwerb“, beschreibt Guido Langemann, Sprecher der Federführung Wirtschaftsförderung und Existenzgründung der IHK Niedersachsen die Situation. „Der Start in die Selbstständigkeit ist gegenwärtig ausgesprochen anspruchsvoll. So führen die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, die drastisch gestiegenen Energiekosten, die weiterhin hohe Inflation, die gestörten Lieferketten und insbesondere der Fachkräftemangel zu einem herausfordernden Marktumfeld, in dem auch viele etablierte Unternehmen um ihre Existenz kämpfen müssen,“ so Langemann weiter.

Weitere Ergebnisse der Analyse:
Die Betriebsaufgaben sind 2022 in Niedersachsen deutlich um 6,8 Prozent auf gut 37.000 angestiegen. Damit hat sich die Gewerbebilanz, also der Saldo von Neugründungen und Betriebsaufgaben, deutlich um gut ein Fünftel gegenüber dem Vorjahr auf knapp 15.000 verringert. Am aktuellen Rand verschärft sich die Lage sogar noch. So stieg die Zahl der Gewerbeabmeldungen insgesamt sogar um 11 Prozent. Dennoch fällt die Gewerbebilanz - gerade im langjährigen Vergleich - weiterhin ausgesprochen positiv aus. In einzelnen Branchen wie dem Gastgewerbe sowie Verkehr und Logistik sind jedoch bereits Rückgänge zu verzeichnen.

Sehr schwierig gestaltet sich seit ein paar Jahren die Unternehmensnachfolge. Bedingt durch die mit den steigenden Zinsen drastisch gestiegenen Finanzierungskosten sowie den demografischen Wandel und den überall zu beobachtenden (Fach-) Kräftemangel fehlt es an geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten für die Übernahmen.

Erfreulich ist, dass gut drei Viertel aller Vorhaben als sogenannte Gründungen mit expliziter Geschäftsidee erfolgen. Lediglich rund ein Viertel der Gründungen finden aus Mangel an besseren Erwerbsalternativen statt.

Die Zahl der Haupterwerbsgründungen konnte 2022 um gut 3,6 Prozent auf über 23.500 zulegen. Dennoch erfolgt weiterhin über die Hälfte der Gründungen in Niedersachsen im Nebenerwerb (54,6 %), der Spitzenwert des Vorjahres (über 31.000 Nebenerwerbsgründungen) wurde mit knapp 28.500 allerdings deutlich verfehlt.
Der Anteil der Gründungen von Frauen konnte gegenüber den Vorjahren sukzessive auf nunmehr gut 38 Prozent zulegen. Aktuell erfolgen damit nahezu vier von zehn Gründungen von Einzelunternehmen durch Frauen.

Über 18 Prozent der Neugründungen von Einzelunternehmen in Niedersachsen erfolgen durch Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anteil der ausländischen Staatsangehörigen an der Gesamtbevölkerung derzeit lediglich bei knapp über 10 Prozent liegt. Sie wagen somit nach wie vor deutlich häufiger den Schritt in die Selbstständigkeit als Deutsche.

Das Gründungsgeschehen in Niedersachsen in Zeiten multipler Krisen hat die IHK Niedersachsen im aktuellen Fokus Niedersachsen mit dem Titel „Gründungsgeschehen in Niedersachsen 2023“ zusammengefasst.

Zur Verbesserung des Gründungsklimas fordert die IHK Niedersachsen, die Bürokratie für Gründungen abzubauen und das Steuerecht zu vereinfachen. Zudem sollte für das Unternehmertum geworben werden und Gründungsthemen in die Lehrpläne von Schulen und Hochschulen aufgenommen werden. Und schließlich sollten die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit insbesondere mehr Frauen den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.
Stand: 29.07.2024