Homeoffice in der Ausbildung
In den letzten Monaten mussten nahezu alle Ausbildungsunternehmen bei der Umsetzung der dualen Berufsausbildung bis dahin unbekannte Herausforderungen bewältigen. In der bisherigen Gesamtbetrachtung hat dies erstaunlich gut funktioniert. Die Ausbildungszahlen im Bereich der IHK Halle-Dessau sind stabil. Coronabedingt mussten nur wenige Ausbildungsverhältnisse vorzeitig beendet werden. Das ist ein gutes Zeichen – auch, weil die Zeiten sich so schnell nicht ändern werden. Deswegen ist es wichtig, aus den bisherigen Erkenntnissen, wie Ausbildung unter veränderten Rahmenbedingungen stattfinden kann, weitere Ideen und Regeln abzuleiten.
Umgang mit mobilem Arbeiten für Auszubildende
In vielen Unternehmen war die zügige Einführung von Möglichkeiten und Regeln für mobiles Arbeiten – meist im Homeoffice – ein Garant für die Aufrechterhaltung betrieblicher Abläufe. Das galt auch für die Berufsausbildung.
Man kann sogar davon ausgehen, dass die Vermittlung von Kompetenzen, die für das Arbeiten im Homeoffice notwendig sind, zukünftig in der Ausbildung vermittelt werden müssen. Schließlich gibt es Berufsbilder, bei denen mobiles Arbeiten zur späteren beruflichen Handlungsfähigkeit gehört. Das gilt für fast alle kaufmännischen Berufe, die an einem Schreibtisch praktiziert werden.
Um mobiles Arbeiten bzw. Homeoffice schon in der Ausbildung einzusetzen bedarf es klarer Regeln. Die IHK Halle-Dessau unterstützt alle Möglichkeiten, die es Ausbildungsunternehmen ermöglicht, jetzt und in Zukunft die Berufsausbildung an neuen Methoden auszurichten.
Rechtliche Einschätzung
Bisher war es so, dass Auszubildende grundsätzlich nicht im Homeoffice arbeiten sollten. Die Erfahrungen der Pandemiezeit zeigen jedoch, dass es durchaus vertretbar ist, Auszubildende teilweise im Homeoffice arbeiten zu lassen, um berufliche Handlungsfähigkeit zu vermitteln. Es kommen immer mehr Unternehmen mit der Fragestellung auf uns zu, ob Homeoffice auch abseits der Pandemie möglich ist.
Voraussetzungen für Homeoffice in der Ausbildung
Aus dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) lassen sich die Voraussetzungen, unter denen Homeoffice für Auszubildende zulässig ist, ableiten.
Aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 BBiG ergibt sich, dass der Ausbildende – also der Ausbildungsbetrieb – den Auszubildenden selbst auszubilden hat oder einen Ausbilder oder eine Ausbilderin ausdrücklich damit zu beauftragen hat. Diese Person muss überwiegend in der Ausbildungsstätte anwesend sein (§ 28 Abs. 2 BBiG), damit er den Auszubildenden ordnungsgemäß anleiten und seine Arbeitsergebnisse kontrollieren kann.
§ 28 Abs. 2 BBiG wurde bisher überwiegend so ausgelegt, dass ein persönlich und fachlich geeigneter Ausbilder überwiegend und höchstpersönlich an den konkreten Ausbildungsplätzen der Ausbildungsstätte vor Ort sein muss. Damit soll gewährleistet sein, dass den Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchgeführt wird, dass das Ausbildungsziel in der vorgegebenen Ausbildungszeit erreicht werden kann.
Homeoffice eher die Ausnahme als die Regel
Vor dem Hintergrund des Wandels muss in der Arbeitswelt die Frage geklärt werden, ob und wie dies auch unabhängig von der überwiegenden Präsenz des Ausbilders vor Ort unter Einsatz der modernen Medien und im Rahmen von flexiblen Arbeitsformen und von spezifischen arbeitsteiligen Organisationsmodellen der Ausbildung (z. B. bei Aufteilung eines Betriebes auf verschiedene Standorte) möglich ist. An dieser Stelle ist ausschlaggebend, wie § 28 BBiG und hier insbesondere die Anforderung der „unmittelbaren" Vermittlung der Ausbildungsinhalte in der Ausbildungsstätte durch den Ausbilder/die Ausbilderin auszulegen ist.
Die Erfahrungen in der Pandemiezeit zeigen, dass die Vermittlung von beruflichen Fähigkeiten und Kenntnissen (theoretische Kenntnisse) zum Teil auch ohne Präsenz erfolgen kann. Die Vermittlung von Fertigkeiten (praktische Kenntnisse) ist ohne Anwesenheit des Ausbilders oder einer Fachkraft nur vereinzelt möglich. Homeoffice sollte daher eher die Ausnahme als die Regel sein.
- Daher ist Homeoffice im Bereich der kaufmännischen Berufe eher umsetzbar als bei den gewerblich technischen Berufen. Ob Ausbildungsinhalte im Homeoffice vermittelbar sind, ist eine Einzelfallentscheidung, die der Ausbildungsberater der IHK treffen muss.
- Homeoffice sollte nur für das Vertiefen von bereits erworbenen Ausbildungsinhalten angewendet werden.
- In welchem Umfang Homeoffice zu gewähren ist, hängt je nach Berufsbild auch vom Konzept des Ausbildungsbetriebes ab.
Auch während des Homeoffice ist der Ausbildungsnachweis zu führen. Hier sollte auf die Tätigkeit im Homeoffice hingewiesen werden.
Homeoffice-Vereinbarung
Auszubildende haben weder einen Anspruch auf Homeoffice noch kann der Betrieb es anordnen. Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten setzt eine Vereinbarung zwischen Ausbildungsunternehmen und Auszubildenden voraus.
Die Homeoffice-Vereinbarung kann auch Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein und muss Regelungen über den Arbeitsort, die Art der zu leistenden Tätigkeit, das Volumen der Arbeitszeit und die Arbeitsmittel enthalten.
Homeoffice-Vereinbarungen zwischen Ausbildungsbetrieb und Auszubildenden sind bei der Registrierung des Ausbildungsvertrages bzw. bei späterer Vereinbarung der IHK Halle-Dessau anzuzeigen. Daher sollte die hier festgelegte Verfahrensweise bei der Prüfung der Eintragungsfähigkeit berücksichtigt werden.
Verfahrensweise bei der IHK Halle-Dessau
Bei Anzeige einer Homeoffice-Vereinbarung durch den Ausbildungsbetrieb (bei Vertragsregistrierung oder im Verlauf des Ausbildungsverhältnisses) sollten folgende Punkte vom Ausbildungsbetrieb erfragt und vorgelegt werden:
- Wo findet Homeoffice/Mobiles Arbeiten statt?
- In welchem Umfang findet Homeoffice statt (z. B. einmal pro Woche für 8h)?
- Mit welchen Arbeitsmitteln findet Homeoffice statt? Wer stellt die Arbeitsmittel?
- Welche Inhalte der Ausbildungsordnung sollen im Homeoffice vermittelt werden?
- Wie und wie regelmäßig findet der Austausch zwischen Ausbilder und Auszubildenden statt?
- Bei minderjährigen Auszubildenden ist Homeoffice nur mit Zustimmung der Erziehungsberechtigen möglich.
Diese Angaben versetzen die Ausbildungsberater der IHK in die Lage, die Ausbildung als zuständige Stelle zu überwachen. Grundsatz ist dabei immer, dass die IHK-Ausbildungsexperten die Umsetzung durch Beratung und fachliche Expertise zu unterstützen. Bei Feststellung von Mängeln in der Ausbildung, die nicht beseitigt werden können, würde die zuständige Stelle beispielsweise auf eine Einstellung von Homeoffice hinwirken.