Ansprache zum IHK-Neujahrsempfang 2024
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wünsche Ihnen allen von Herzen, dass Sie persönlich und Ihre Familien über und seit Weihnachten ein wenig durchatmen und Kraft schöpfen konnten. Wir alle haben das in diesen Zeiten bitter nötig. Denn die Krisen-Ausnahme wird gefühlt zum Dauerzustand. Corona-Krise, Energie-Krise, Krieg in der Ukraine, Verschärfung der Energie-Krise, Nahost-Krise.
amtierender IHK-Präsident Prof. Dr. Steffen Keitel
© IHK Halle-Dessau/Uwe Köhn
Was es in solchen Zeiten am dringendsten braucht, ist ein gutes Krisenmanagement. Ich denke, wir als Wirtschaft können sagen, dass uns die Krisenbewältigung unter dem Strich ganz gut gelungen ist, dass unser Krisenmanagement in den Unternehmen nicht das schlechteste war. Ob sich dies von der Bundespolitik sagen lässt, mag ein jeder selbst beurteilen. Ich zumindest habe da große Zweifel.
Und wir können das durchaus einschätzen, liebe Kollegen Unternehmerinnen und Unternehmer, denn wir stehen täglich im Maschinenraum unserer Volkswirtschaft. Wir nehmen als erste wahr, wenn der Motor nicht rund läuft, wenn die Leistung nicht stimmt, wenn uns der Treibstoff ausgeht, wenn wir Ersatzteile brauchen oder gar auf Verschleiß fahren. Das gilt für uns Unternehmer, das gilt für unsere IHK und das gilt auch für die Deutsche Industrie- und Handelskammer, die DIHK. Peter Adrian, der DIHK-Präsident, hat sich ja dankenswerterweise in der jüngeren Vergangenheit bereits mit deutlichen Statements geäußert.
Mir ist jedoch bewusst, dass Offenheit und Klarheit in der Politik oft nicht geschätzt werden. Das gilt derzeit vor allem für die Bundesebene. Was wir als Wirtschaft aber jetzt erwarten, ist ein ehrliches Ringen um sachgerechte Lösungen. Für uns Unternehmer ist das selbstverständlich und notwendig. Denn für uns gibt es einen ganz klaren und unmissverständlichen Maßstab: Wir müssen schauen, ob am Ende der Bilanz rote oder schwarze Zahlen stehen. Stehen dort schwarze Zahlen, dann werden wir unserer Verantwortung gegenüber unseren Kunden und Lieferanten, gegenüber unseren Mitarbeitern und Investoren sowie damit auch gegenüber der Gesellschaft insgesamt gerecht. Stehen dort aber rote Zahlen, dann müssen wir etwas ändern. So einfach ist das. Abwiegeln, weg-interpretieren oder verschweigen hilft nicht. Im Gegenteil: Dann würde alles nur noch schlimmer!
Um im Bild zu bleiben: Die Bundesregierung befindet sich gerade ganz tief in den roten Zahlen. Und zwar einerseits wortwörtlich, wenn ich mir den Bundeshaushalt anschaue. Und mich wundert das nicht bei der zügellosen Umverteilung, bei der ausufernden Bürokratie und den dadurch auch steigenden Kosten der Verwaltung. Aber auch wirtschaftspolitisch sieht die Bilanz schlecht aus. Die Bundesregierung muss sich endlich der Wahrheit stellen. Erstens: Die Energiekrise ist auf eine drastische Verknappung des Energieangebots zurückzuführen. Zweitens: Zu dieser Verknappung hat die Bundesregierung maßgeblich selbst beigetragen.
Denn: Wer eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung will, der muss das Energieangebot ausweiten - entschlossen, rasch und konsequent! Und vor allem: ohne ideologische Scheuklappen!
Konkret braucht es:
- heimisches Schiefergas statt des teuren und klimaschädlichen Fracking-Gas-Transports über den Atlantik für LNG-Terminals!
- klimafreundliche Kernenergie mit modernsten Reaktoren plus eine EU-weite Forschungsoffensive zum lastenfreien Fusionsreaktor!
- den deutlich rascheren Ausbau erneuerbarer Energien – v. a. durch Abbau absurder Planungs- und Genehmigungshürden!
- ein Bekenntnis zur staatlichen Verantwortung für den Auf- und Ausbau von Wasserstoffnetzen und anderer Infrastruktur!
Wie gesagt: Wenn man in den roten Zahlen steckt, muss man etwas ändern. Das gilt auch für die Politik. Man kann in dieser Lage nicht einfach Wunschprogramme aus Schönwetterzeiten abarbeiten! So richtig angekommen ist dies bei der Bundesregierung offenbar noch nicht. Man versucht, die Löcher der eigenen Politik mit viel Geld zuzudecken. Wir können froh sein, dass das Bundesverfassungsgericht dem nun endlich einen Riegel vorgeschoben hat. Und wir als Wirtschaft können nur davor warnen, die Schuldenbremse aufzuweichen! Denn wirklich lösen lassen sich Probleme nur über Disziplin bei den Ausgaben. Dies gilt ganz besonders in bzw. für Deutschland: Denn wir haben hier gewiss kein Einnahmeproblem! Die Steuereinnahmen des Staates haben sich in nicht einmal 15 Jahren verdoppelt – von etwa 475 Milliarden Euro auf aktuell rund 1.000 Milliarden, also eine Billion Euro! „Finanzielle Notlage“? Wenn das Ganze nicht so traurig wäre, müsste man über derlei Panikmache eigentlich lachen…
Ich warne auch davor, die Schuldenbremse jetzt mit Ausnahmen aufzuweichen. Denn die Erfahrung lehrt, dass Regierungen besonders kreativ sind, wenn es um die Begründung neuer Steuern oder neuer Schulden geht. Schaffe ich Ausnahmen für sogenannte Notlagen, dann werden die Notlagen sehr weitläufig ausgelegt. Und schaffe ich Ausnahmen für Investitionen, dann wird eben einfach alles als Investition deklariert. Bürgergeld ist dann eine Investition in den sozialen Zusammenhalt. Die Beamtengehälter sind dann eine Investition in die Verlässlichkeit der Verwaltung. Kulturausgaben sind dann eine Investition in die gesellschaftliche Entwicklung. Und die Zahlung der Renten kann man gar als Investition in die Generationengerechtigkeit betrachten.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: der politischen Phantasie bei der Feststellung angeblicher „Notlagen“ wären keine Grenzen gesetzt. Und das gilt besonders für Politiker, die es schaffen, Schulden als „Sondervermögen“ zu bezeichnen. Es wird jetzt jedem klar: Der Staat lebte jahrelang über seine Verhältnisse. Und er ist auch jetzt nicht willens oder nicht fähig zu Anpassungen. Damit muss jetzt Schluss sein!
Wir brauchen wieder mehr Verantwortung und mehr Leistungsbereitschaft! Ich will den Zustand des Leistungsgefüges in unserer Gesellschaft einmal anhand dreier Zahlen veranschaulichen:
Im Jahr 2021 stieg die Zahl der öffentlich Beschäftigten in Deutschland erstmals seit den 90er Jahren auf über fünf Millionen. Im selben Jahr 2021 sank die Anzahl der Selbstständigen erstmals unter die Vier-Millionen-Marke – Tendenz leider weiter fallend. Und die dritte Zahl: Aktuell gibt es in Deutschland knapp vier Millionen erwerbsfähige – ich betone ERWERBSFÄHIGE – Bürgergeldempfänger. Damit liegt deren Zahl nun ebenfalls über jener der Selbstständigen. Eine solche Verschiebung der Prioritäten zwingt irgendwann selbst die stärkste Volkswirtschaft in die Knie. Und die deutsche Volkswirtschaft hat – leider – bereits erheblich an Stärke eingebüßt. Ehrliche Arbeit gehört endlich wieder in den Mittelpunkt unserer Gesellschaft!
Und die Frage sei auch gestattet, wen wir eigentlich mit dem Bürgergeld unterstützen. Denn es ist ja ein Glied in einer ganzen Kette von Sozialleistungen, die jenen helfen, die auch arbeiten und leisten wollen – zum Beispiel das Arbeitslosengeld, das die Zeit der Arbeitssuche überbrücken soll. Oder auch die verschiedenen Leistungen, die bei Erwerbsunfähigkeit greifen.
Das Bürgergeld ist aber mittlerweile nichts anderes mehr als ein bedingungsloses Grundeinkommen – und das nehmen eben häufig auch jene in Anspruch, die leisten können, aber nicht wollen. Eine verantwortungsbewusste Regierung muss zwingend ehrlich Bilanz ziehen. Sie muss endlich Verantwortung für besser Rahmenbedingungen zum Wirtschaften in unserem Land übernehmen, so wie das in anderen Industriestaaten gang und gäbe ist. In Deutschland aber, so mein ungutes Gefühl, arbeiten maßgebliche Akteure in der Bundesregierung geradezu gegen die Industrie. Gesinnung dominiert Verantwortung – das kann nicht gut gehen!
Meine Damen und Herren, ich habe jetzt von der politischen Bilanz der Bundesregierung gesprochen – die sehr negativ ausfällt. Mir ist es aber auch wichtig, an dieser Stelle einmal das Krisenmanagement unserer Landesregierung ausdrücklich zu loben. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Haseloff: Unsere Wirtschaft konnte sich auf Ihre ruhige Hand und Ihre besonnene Politik in Krisenzeiten verlassen!
Und insbesondere die Industrieunternehmen wissen in Ihnen jemanden auf der Brücke, der nicht nur um die Sorgen und Nöte weiß, sondern diese auch ernst nimmt und sich wirklich engagiert. Man merkt bei Ihnen vor allem: Politischer Weitblick basiert auf solider Bildung! (Was passiert, wenn beides fehlt, das sehen wir gerade bei einigen Mitgliedern unserer Bundesregierung!)
Unsere Zusammenarbeit ist geprägt von dem, was in Berlin leider auf breiter Front fehlt: Ehrlichkeit und Offenheit, auch und gerade bei inhaltlichen Differenzen, aber mit dem Blick auf die Fakten und vor allem mit dem Bewusstsein für das gemeinsame Ziel: Nämlich eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, weil sie die Basis jenes Wohlstandes darstellt, von dem wir letztlich alle leben.
In meinen Dank an Sie, lieber Herr Dr. Haseloff, möchte ich den Dank an alle Mitglieder der Landesregierung einschließen; die meisten sind ja hier heute ebenfalls anwesend, worüber ich mich sehr freue. Ich denke, wir in Sachsen-Anhalt haben unsere Hausaufgaben gemacht. Das betrifft einerseits die politischen Rahmenbedingungen, andererseits aber auch die Beharrlichkeit unserer Unternehmen.
Und deswegen möchte ich abschließend auch Ihnen, liebe Unternehmerinnen und Unternehmer, meinen herzlichen Dank und meinen Respekt aussprechen für Ihr Engagement, für Ihr Durchhaltevermögen trotz widriger Umstände und dafür, dass Sie mit Ihren Belegschaften den Laden sprichwörtlich am Laufen halten. Und natürlich auch für Ihr vielfaches ehrenamtliches Engagement. Dafür möchte ich mich auch bei den vielen anwesenden Prüfern bedanken. Ohne Sie könnten wir unseren größten Wettbewerbsvorteil nicht aufrechterhalten – nämlich das solide Fundament unserer Fachkräftebasis in Form der Dualen Ausbildung.
Wir alle gemeinsam können stolz auf das Erreichte sein, aber wir dürfen nicht vergessen, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Möge das kommende Jahr uns die Gelegenheit bieten, diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen, Lösungen zu finden und positiven Wandel zu gestalten.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!