Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern sind seit 2023 per Gesetz verpflichtet, bestimmte Sorgfaltspflichten bezüglich Menschenrechte und Umwelt in den Lieferketten einzuhalten. Seit Anfang 2024 betrifft das auch Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern. Durch die vielfach praktizierte Weitergabe von Verpflichtungen innerhalb der Lieferkette beschäftigt das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) mittelbar aber auch viele kleine und mittelständische Unternehmen und stellt sie vor immense Herausforderungen.

Mangelnde Gesetzesausgestaltung führt zu mehr Bürokratie

Alle verpflichteten Unternehmen müssen die Anforderungen des Gesetzes in Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten erfüllen. Bereits die ersten Entwürfe ließen erahnen, dass das Gesetz nur unzureichend beschreibt, wie die konkreten Kontroll- und Nachweispflichten auszugestalten sind. Deshalb war zu befürchten, dass diese Pflichten über Gebühr an die kleineren Geschäftspartner durchgereicht würden. An dieser Stelle setzte und setzt nach wie vor die Kritik von Kammern und Verbänden an. Als eine der ersten Stimmen positionierte sich die IHK Halle-Dessau schon 2020 zu diesen erwartbaren und für KMU unverhältnismäßig hohen Mehraufwendungen: Positionspapier Lieferkettengesetz. Das politische Anliegen, global gute Arbeitsbedingungen anzustreben, teilen die regionalen Unternehmer dabei nach wie vor uneingeschränkt. Mit diesem Gesetz verlagerte die Bundesregierung jedoch ihre ureigene außenpolitische Verantwortung auf die Wirtschaft.
Und so kam es, wie es kommen musste: Die großen (verpflichteten) Unternehmen überzogen ihre Lieferanten mit teils pauschalen, oft jedoch viel zu weitreichenden Forderungen, Verpflichtungen und Nachweisen. Das mit der Kontrolle des Gesetzes beauftragte Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) reagierte erst spät mit der Schaffung der erforderlichen Strukturen. Seither wird versucht, dem enormen Informationsbedarf der Wirtschaft mit FAQs und den im Gesetz vorgesehenen Handreichungen zu begegnen.

Pflichten an Zulieferer abzugeben ist unzulässig

So wird in der „Handreichung zur Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern“ formuliert: „Eine Übertragung von Pflichten aus dem LKSG an Zulieferer ist nicht zulässig. Zu weitgehend wären auch Forderungen nach einer schriftlichen Zusicherung des Zulieferers, dass sämtliche einschlägige menschenrechts- und umweltbezogenen Bestimmungen und Maßnahmen in der Lieferkette eingehalten werden.“ Es bleibt zu hoffen, dass die enthaltenen Konkretisierungen bei den verpflichteten Unternehmen zu einem Hinterfragen von bisherigen Herangehensweisen und in manchen Fällen zu mehr Augenmaß führen. Gelingen kann dies allerdings nur im gegenseitigen und fairen Austausch aller Beteiligten.
Wir als IHK werden auch weiterhin auf eine möglichst unbürokratische Anwendung des Gesetzes drängen und auch die jüngst im EU-Parlament beschlossene EU-Lieferkettenrichtlinie kritisch im Blick halten. Denn Unternehmen können, wollen und sollten nicht Weltpolizisten spielen. Es ist Aufgabe der Außen- und Entwicklungspolitik gegen Missstände in der Welt anzugehen. Natürlich müssen Unternehmen Menschenrechte einhalten, aber sie konsequent und zur Not auch schmerzhaft durchzusetzen, ist Aufgabe der Politik!
Umfangreiche Informationen zum Lieferkettengesetz mit Umsetzungshilfen und Praxisleitfäden hat die IHK Halle-Dessau für ihre Mitgliedsunternehmen online zusammengestellt.