Standortpolitik

Auswirkungen der Grundsteuerreform

Wir benötigen Ihre Unterstützung, um für die anstehenden Hebesatz-Diskussionen mit Politik und Verwaltung in den Kommunen möglichst mit konkreten Daten und Fakten argumentieren zu können.

Aktuelle Kurzumfrage zur Grundsteuerbelatung

Hintergrund

Die Grundsteuer muss ab Januar 2025 auf der Basis aktueller Werte erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) hat geurteilt, dass die im Ertragswert- und im Sachwertverfahren ermittelten alten Einheitswerte nicht annähernd in einem den tatsächlichen Wertverhältnissen entsprechenden Verhältnis zueinander stehen. Einheitswerte, die nach altem Recht nach dem Sachwertverfahren ermittelt wurden, fallen im Verhältnis deutlich höher aus, als Einheitswerte nach dem Ertragswertverfahren. Davon betroffen sind nicht nur Eigentümer von Betriebs- und Geschäftsgrundstücken, sondern auch Besitzer größerer und neuerer Ein- und Zweifamilienhäuser.
Das BverfG hat mit Urteil vom 10.04.2018 ebenso festgestellt, dass diese unterschiedliche Behandlung gleichartiger Grundstücke gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstößt und den Gesetzgeber daher aufgefordert, die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer neu zu regeln und damit den, teilweise erheblichen, Wertverzerrungen und in deren Folge auch der ungerechten Verteilung der Steuerlast entgegenzuwirken.

Veränderte Bemessungsgrundlagen

Grund für die Wertverzerrungen ist die fehlende Fortschreibung der alten Einheitswerte. Zum einen blieben so Alterswertminderungen bislang unberücksichtigt, was insbesondere im Sachwertverfahren bewertete Grundstücke betraf. Zum anderen wurden aber auch wertsteigernde (Um-)Baumaßnahmen zumeist nur bei Eigentümerwechsel erfasst, sodass die Einheitswerte von Grundstücken mit alten aber insbesondere kernsanierten Wohngebäuden, im Verhältnis zu Neubauten deutlich zu niedrig waren.
Daher kann es eigentlich nicht verwundern, dass die Neubewertung der einzelnen Grundstücke nun zu teilweise erheblichen Veränderungen der Grundsteuerwerte der Grundstücke geführt hat und einzelne Grundstückseigentümer bei angenommenen gleichbleibenden Hebesätzen teilweise deutlich mehr Grundsteuer bezahlen müssen, andere aber ebenso deutlich weniger.
Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts möglich

Die NRW Landesregierung hat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Nordrhein-Westfalen (Nordrhein-Westfalens Grundsteuerhebesatzgesetz - NWGrStHsG) (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 16 KB) auf die Beschlüsse des Bundesfinanzhofes reagiert und den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts mittels Verkehrswertgutachten gesetzlich verankert. Weicht der ermittelte Grundstückswert um mehr als 40% (Übermaßverbot) von dem gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit im Feststellungszeitpunkt ab, ist der niedrigere gemeine Wert anzusetzen. Weitere Einzelheiten, auch hinsichtlich offener Verfahren, regelt der koordinierende Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 24.06.2024 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 861 KB).

Belastungsverschiebung nach Grundstücksart

Nach altem Recht trugen Eigentümer vom im Sachwertverfahren bewerteten Grundstücken im Verhältnis in zu hohem Umfang zum Gesamtaufkommen der Grundsteuer in den Kommunen bei. Dies betraf hauptsächlich Betriebs- und Geschäftsgrundstücke und Wohngrundstücke mit größerem bzw. neuem Gebäudebestand.
Da in starkten Wirtschaftsregionen wie Südwestfalen ein erheblicher Anteil des derzeitigen Grundsteueraufkommens von den Gewerbebetrieben getragen wird, ist die Verschiebung der zukünftigen Belastung hin zu Wohngrundstücken mit noch nach dem Ertragswert ermittelten alten Einheitswerten durchaus nachvollziehbar. Allerdings sind diese Verschiebungen in NRW von Kommune zu Kommune in Abhängigkeit vom Grundstücksbestand sehr unterschiedlich ausgeprägt und aufgrund zahlreicher offenen Widerspruchsverfahren noch nicht abschließen bezifferbar.
Angesichts der angespannten finanziellen Situation der Städte und Gemeinden im Kammerbezirk der SIHK stellt die Verschiebung der Bemessungsgrundlage für die Kommunen ein nachvollziehbares Problem dar. Aufgrund fehlender Rücklagen und Kompensationsmöglichkeiten kann in den Rathäusern nicht auf einen großen Teil der Grundsteuereinnahmen verzichtet werden, eine Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes auf das “aufkommensneutrales Niveau” würde aber für einen Teil der Bürgerschaft -aber auch für manch Unternehmen- zu einer enormen, sicherlich sehr unpopulären, Mehrbelastung führen.

Aufkommensneutralität

Mit der im Gesetzgebungsverfahren zum Bundesmodell angestrebten Aufkommensneutralität, sollten in erster Linie Steuermehreinnahmen und somit indirekte Steuererhöhungen durch eine in Summe evtl. höhere neue Bemessungsgrundlage auf kommunaler Ebene vermieden werden. Die vereinbarte Veröffentlichung der “aufkommensneutralen Hebesätze” sollte hier für Transparenz sorgen und die Kommunen zur Anpasssung der Hebesätze (nach unten) bewegen.
Das Finanzministerium NRW hat die Hebesätze zur Aufkommensneutralität (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 86 KB) veröffentlicht.
Die Grundsteuermessbetragsfestsetzungen in NRW hat aber in zahlreichen Kommunen, so auch im SIHK-Bezirk, in Summe zu einer niedrigeren Bemessungsgrundlage geführt, sodass viele Städte und Gemeinden für ein gleichbleibendes Grundsteueraufkommen ihre Hebesätze tatsächlich anheben müssten. Einzige Ausnahme im SIHK-Bezirk ist die Stadt Sprockhövel mit einer in Summe nahezu gleichgebliebenen Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer B.

Einführung differenzierter Grundsteuerhebesätze

Auch in anderen Bundesländern sind Belastungsverschiebungen festzustellen. So macht Berlin z.B. von der Länderöffnungsklausel Gebrauch und wird die Steuermesszahl als zweiter Faktor der Berechnungsbasis bei der Grundsteuer zu Gunsten der Wohngrundstücke anpassen. Dies führt automatisch zu einer stärkeren Belastung der Geschäftsgrundstücke bei angestrebtem gleichbleibendem Aufkommen.

Die Landesregierung ist für Nordrhein-Westfalen einen anderen Weg gegangen, um mehr „Gerechtigkeit“ bei der Angleichung der verschiedenen Grundstücksarten zu erreichen. Mit dem Grundsteuerhebesatzgesetz (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 16 KB) wurde den Kommunen in NRW die Möglichkeit eingeräumt, den Besonderheiten der sehr unterschiedlichen räumlichen Struktur Rechnung zu tragen und unterschiedliche Hebesätze bei der Grundsteuer für Wohn- und Nichtwohngrundstücken festzulegen. Dies ist allerdings nur eine Option und kein zwingendes „Muss“. Damit wird den Kommunen optional ein wesentlich stärker differenziertes Hebesatzrecht eingeräumt.
Die unterschiedliche Belastungswirkung zeigt unser Belastungsrechner (XLSX-Datei · 13 KB).

Auswirkungen auf die Gewerbesteuer

Bislang wenig in der Diskussion um die Verschiebung der Belastung der Grundsteuer, ist allerdings deren Auswirkung auf die Höhe der Gewerbesteuerzahllast bei Gewerbebetrieben. Denn sowohl die Höhe der gezahlten Grundsteuer selbst, als auch der neu festgesetzte Grundsteuerwert beeinflussen die Zahllast der Gewerbesteuer.
Da die Grundsteuer zu den abziehbaren Betriebsausgaben zählt, wirkt sich eine geringere Zahllast unmittelbar erhöhend auf das Betriebsergebnis aus. Entsprechend steigt die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer aber auch für die Berechnung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer.
Hinzu kommt, dass eine niedrigere Bewertung eines Geschäftsgrundstücks im Betriebsvermögen, sich auch auf die gewerbesteuerliche Kürzung des Gewerbeertrags auswirkt, was ebenfalls zu einer höheren Zahllast führt.
Die Höhe dieser Auswirkung ist standortbedingt unterschiedlich. Sie hängt zum einen von der Differenz der beiden Hebesätze ab, zum anderen aber auch von der Differenz zwischen altem Einheitswert und neuem Grundsteuerwert und nicht zuletzt auch von der Rechtsform des steuerpflichtigen Unternehmens.
Mit unserem Belastungsrechner (XLSX-Datei · 13 KB) erhalten Sie einen ersten Überblick.

Negative Auswirkungen auf Betriebe und Standort vermeiden

Aufgrund der schwierigen Haushaltslagen und nicht zuletzt auch wegen der bevorstehenden Kommunalwahlen, ist zu erwarten, dass eine Verteilungsdiskussion in den Kommunen beginnt. Es ist daher durch die mögliche Splittung der Hebesätze zu befürchten, dass die standortbedingten Belastungen für die Betriebe durch diese Art “Sondersteuer” weiter steigen.
Die Hebesätze zur Herstellung der Aufkommensneutralität sind rechnerisch zwar nachvollziehbar, allerdings sollte deren Auswirkung auf zukünftige Investitionen am Standort nicht verkannt werden. Hebesätze mit Steigerungsraten von bis zu 306 Prozent und in einer Größenordnung von annähernd 2.200 Prozentpunkten mögen zwar die Gesamtzahl der Betriebe in Summe nicht mehr belasten, machen aber Neubauten und Kernsanierungen zu wahren Luxusobjekten und wirken zudem abschreckend auf zukünftige Investitionsvorhaben am Standort.
Aus unserer Sicht ist die Verteilungswirkung, auch aufgrund der zahlreichen offenen Widersprüche, in den einzelnen Kommunen allerdings noch keineswegs klar und auch die Wirkung der neuen Grundsteuer auf die Gewerbesteuer (s.o.) findet derzeit keine Berücksichtigung in den Berechnungen zur Aufkommensneutralität.
Die SIHK fordert daher die Kommunen auf, die Auswirkungen der Neubewertung der Grundstücke sorgfältig zu prüfen und sicherzustellen, dass die Aufkommensneutralität nicht allein zu Lasten der heimischen Unternehmen umgesetzt wird.
Im kommunalen Entscheidungsprozess um gegensteuernde Maßnahmen, müssen neben den finanziellen Interessen der Kommune, sowohl die Belastungsgrenzen der Steuerpflichtigen als auch die standortpolitischen Folgen ausreichend Berücksichtigung finden und verantwortungsvoll abgewogen werden.
Jede standortbedingte Mehrbelastung schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und schadet der Region als Wirtschaftsstandort!