Arbeitszeit bei Dienstreisen
Arbeitszeit ist nicht gleich Arbeitszeit
Die Einordnung von Dienstreisezeiten als Arbeitszeit ist in der Praxis komplex, insbesondere in Bezug auf die Frage, ob sie als Arbeitszeit gelten und ob sie vergütet werden müssen. In der Praxis wird der Begriff „Arbeitszeit“ in diesem Zusammenhang regelmäßig einheitlich verstanden. Dabei muss zwischen der Arbeitszeit im Sinne des Arbeitsschutzes und der vergütungsrechtlichen Arbeitszeit unterschieden werden.
Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn
Die rechtlichen Grundlagen für die Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn ergeben aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG), welches im Kern dem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter dient. Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn ist danach allgemein gesprochen die Zeit, in der ein Mitarbeiter seine Tätigkeit verrichtet und dem Arbeitgeber zur Verfügung steht. Weitere Einzelheiten zum Arbeitszeitgesetz finden Sie in unserem Beitrag zum Thema Arbeitszeitbegriffe.
Beanspruchung des Mitarbeiters als (aktuelles) Abgrenzungskriterium
In der betrieblichen Praxis stellt sich für Arbeitgeber oftmals die Frage, ob ein Mitarbeiter bei einer Dienstreise beispielsweise wegen langer Reisezeiten die zulässigen Grenzen der Arbeitszeit überschreitet. Maßgeblich für die Einordnung als Arbeitszeit oder umgekehrt als Ruhezeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Umfang der „Beanspruchung“ des Mitarbeiters durch eine vom Arbeitgeber veranlasste Tätigkeit.
Ob also Reisezeiten einer Dienstreise als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne verstanden werden, hängt von der Weisung des Arbeitgebers ab und ob der Mitarbeiter im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers tätig wird. Wenn der Mitarbeiter auf Anweisung des Arbeitgebers tätig wird, etwa durch das Bearbeiten von E-Mails oder das Fahren eines Dienstwagens, zählt dies als Arbeitszeit. Nutzt der Mitarbeiter hingegen ein öffentliches Verkehrsmittel und kann wegen fehlender Arbeitsanweisung des Arbeitgebers die Zeit frei gestalten, gilt dies generell nicht als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn. Einzelne Urteile deuten neuerdings unter Berufung auf den europäischen Arbeitszeitbegriff und die europäische Arbeitszeitrichtlinie in die Richtung, dass künftig auch derartige Zeiten als Arbeitszeit einzustufen sein könnten. So urteilte das Verwaltungsgericht Lüneburg zuletzt im Jahr 2023, die Bahnfahrt sei Arbeitszeit und begründete dies damit, der Mitarbeiter übe die angewiesene Tätigkeit aus und stehe dem Arbeitgeber zu Verfügung.
Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinn
Die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit bedeutet nicht zwangsläufig den Wegfall der Vergütung. Im Gegensatz zur arbeitsschutzrechtlichen Arbeitszeit regelt die Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinn, wie die erbrachte Arbeitsleistung nach § 611a BGB zu entlohnen ist. Hier zählt jede vom Arbeitgeber verlangte Tätigkeit zur vergütungspflichtigen Zeit und damit auch Reise- oder Wegezeiten für die Gesamtdauer der Dienstreise. Das Gehalt ist demnach auch zu zahlen, wenn keine konkrete Tätigkeit vom Arbeitgeber während der Reisezeit angewiesen wird. Einschränkend gilt aber, dass nur Reisezeiten zu vergüten sind, wie sie mit dem kostengünstigsten und effizientesten Verkehrsmittel angefallen wären, nicht aber Zeiten, die aufgrund unnötiger Umwege oder einer teureren Reisewahl länger dauern.
Es gilt also: Im vergütungsrechtlichen Sinn ist die gesamte Dienstreisezeit zu vergüten, wenn nicht eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. So kann beispielsweise vereinbart werden, dass Reisezeiten abweichend von der sonst geschuldeten Tätigkeit niedriger oder mit einer Pauschale vergütet werden. Bei einer solchen Vereinbarung ist aber der Mindestlohn immer im Blick zu behalten.
Fazit
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Dienstreisen arbeitsrechtlich komplex sind und im Wesentlichen von der konkreten Weisung des Arbeitgebers abhängen. Sowohl im arbeitsschutzrechtlichen als auch vergütungsrechtlich Sinn können Reisezeiten als Arbeitszeit gelten, wenn der Mitarbeiter in dieser Zeit im Interesse des Arbeitgebers tätig ist. Es bleibt wichtig, dass Arbeitgeber mit den Mitarbeitern klare Vereinbarungen und Absprachen über die Vergütung und Einordnung von Reisezeiten treffen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Stand: 24. September 2024