THEMA OKTOBER 2024

Unternehmensnachfolge: Jedes Unternehmen ist anders!

Wenn Unternehmen oder Unternehmensteile den Eigentümer wechseln sollen, ist auch Mathias Nebel als Berater gefragt. Seine VENTRADA GmbH ist unter anderem spezialisiert auf die Vorbereitung und Realisierung von Unternehmensverkäufen und -käufen. Oft geht es dabei auch um Unternehmensnachfolgen. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen.

Unternehmensnachfolge ist ein brisantes Thema. Oft kann ein geeigneter Nachfolger nicht gefunden werden. Laut aktuellem DIHK-Nachfolgereport ist das mit für 94 Prozent der IHK-Nachfolgeberater der Hauptgrund, dann die Firma zu schließen. Woran scheitern Nachfolgeprozesse?

Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Jedes Unternehmen ist anders, jedes hat eine eigene Historie, Unternehmenskultur, Produktpipeline, Mitarbeiterstruktur. Auch Standort, Umsatz- und Ertragskennzahlen spielen eine entscheidende Rolle. Hinzu kommt: Unternehmer haben sehr unterschiedliche Gründe, ihr Unternehmen zu übertragen, sich also als Geschäftsführer und Gesellschafter zurückzuziehen: Alter, Gesundheit, private oder finanzielle Gründe, wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, um nur einige zu nennen. Es ist also kaum möglich, den Prozess der Unternehmensnachfolge zu verallgemeinern und auch die Gründe für ein mögliches Scheitern sind sehr individuell.

Was raten Sie Unternehmern, die ihre Firma in jüngere bzw. andere Hände geben wollen?

Altersbedingte Unternehmensnachfolge sollte meines Erachtens offen angegangen werden. Wenn ein Unternehmer ein bestimmtes Alter erreicht hat, ist es der natürliche Lauf der Dinge, dass er sich zurückzieht. Dieser Prozess kann zwei bis drei Jahre dauern. Mitarbeiter sollten in diesem Prozess rechtzeitig mitgenommen werden, anstatt über stille Post davon zu erfahren. Vertrauen ist ein sehr hohes Gut. Auch Kunden, Lieferanten oder Geschäftspartner brauchen das gute Gefühl, dass es eine langfristige Perspektive gibt.
Natürlich braucht auch der Unternehmer selbst dieses Gefühl. Der erste Schritt: Klären, ob eine Übernahme in der Familie in Frage kommt. Die Alternative wäre der Verkauf und damit verbunden die Suche nach einem passenden Investor. Beides gelingt in den seltensten Fällen (gut) ohne beratende Begleitung.

Die Familie ist für viele Firmeninhaber, vor allem von kleinen Unternehmen, der erste Ansprechpartner …

Familieninterne Übertragung ist sicher für viele Inhaber, die altersbedingt die Firmenleitung in jüngere Hände geben wollen, eine gute Lösung. Voraussetzung ist, wie bei jeder anderen Nachfolgeregelung auch, dass der Prozess gut geplant, vorbereitet und umgesetzt wird – am besten mit Unterstützung von kompetenten Beratern. Ich selbst habe eine solche Nachfolge tatsächlich nur einmal begleitet: die Stadtbäckerei Jena. Im Rahmen der Unternehmenssanierung hat VENTRADA das Unternehmen beraten, Filialen in eine neue GmbH ausgegliedert und Kapital beschafft. Ansonsten steht der Verkauf im Fokus meiner Beratertätigkeit.

Was macht denn eine Firma interessant für einen Investor?

Grundsätzlich kann man sagen, je größer und ertragreicher das Unternehmen ist, desto höher sind die Chancen eines Unternehmensverkaufs – auch wenn der Unternehmenswert bzw. der Kaufpreis dann deutlich höher ist als bei kleineren Firmen. Gern gesehen bei Investoren sind Faktoren, wie junge, dynamische und technologieaffine Mitarbeiter und damit verbunden hohe Innovationsfähigkeit, Kundentreue, etablierte Anreizsysteme (Boni) … Die Firma kurz vor der Investorensuche „aufzuhübschen“, indem noch große Summen in neue Maschinen, Anlagen oder Infrastruktur investiert werden, zahlt sich in der Regel nicht aus. Investoren legen Wert auf langfristig stabile Wirtschaftskennziffern.

Wer kommt denn als Käufer in Frage und woran macht man „passend“ fest?

Erwerbsinteressenten können sowohl Privatpersonen sein, zum Beispiel Mitarbeiter, die die Firma weiterführen wollen (MBO) oder externe Branchenkenner, die in die Firma einsteigen wollen (MBI). Wettbewerber, Kunden, Lieferanten oder auch bisherige Geschäftspartner könnten als strategische Investoren an der Firma interessiert sein, sofern sich für sie lohnende Perspektiven aus dem Firmenkauf ergeben. Schließlich kommen auch Finanzinvestoren infrage, die das Unternehmen als gutes Anlageobjekt ansehen. Welcher Investor „passend“ ist, hängt natürlich von der gegenseitigen Interessenlage ab.

Können Sie das bitte kurz umreißen?

Finanzinvestoren interessieren sich kaum für etablierte Unternehmen mit Umsätzen kleiner fünf bis zehn Millionen Euro – es sei denn, sie bilden eine Ergänzung zu eigenen Portfoliounternehmen oder verfügen über erhebliches Wachstumspotenzial.
Strategische Investoren sind interessiert an einer Ergänzung ihrer Produktpipeline, der Erschließung neuer Absatzkanäle, an Fachkräften, Marken oder Patenten. Auch hier sind Transaktionen von kleinen Unternehmen (unter fünf Millionen Euro Umsatz) eher die Ausnahme. Warum? Der Aufwand zur Übernahme eines kleinen Unternehmens unterscheidet sich nicht wesentlich von dem eines größeren. Hier werden stets Transaktionsaufwand und Nutzen ins Verhältnis gesetzt.
Privatpersonen kommen, so meine Erfahrungen, nur selten als ernsthafte Übernahmekandidaten infrage, da sie häufig nicht über die Finanzkraft für entsprechende Kaufpreise verfügen und ungern Risiken im sechs- bis siebenstelligen Eurobetrag eingehen. Ausnahme: Sie arbeiten bereits im zu verkaufenden Unternehmen in zentraler Rolle oder sind anderweitig mit dem Unternehmen bzw. dem Unternehmer vertraut.

Wie kann man die Firmenübernahme bzw. den Verkauf optimal vorbereiten?

Ein strukturiertes Vorgehen ist äußerst wichtig:
Wer kommt als Nachfolger oder Investor infrage?
Durch wen und wie erfolgt die Marktsondierung und Ansprache?
Wie sehen die aktuelle Ertragslage und die langfristige Verschuldung im Unternehmen aus?
Welcher Preis ist am Markt realisierbar?
Wird die Immobilie mit übertragen oder langfristig an den neuen Eigentümer vermietet?
Wie kann die Transaktion steuerschonend durchgeführt werden?
Wann werden Lieferanten und Kunden über den geplanten Verkauf informiert?
Wie lange steht der Verkäufer dem Unternehmen noch zur Verfügung?
Das sind nur einige der Themen, die im Vorfeld der Nachfolgeregelung geklärt werden müssen – egal, ob Familiennachfolge oder Verkauf.

Welches Projekt haben Sie als letztes erfolgreich abgeschlossen?

Im Sommer 2023 wurde ich beauftragt, die AOC Advanced Optical Components GmbH aus der Hellma-Gruppe auszugliedern. AOC ist ein hoch spezialisierter Hersteller zylindrischer Optiken. Hellma hingegen ist auf die Kristallzucht für die optische Industrie fokussiert. Eine notwendig gewordene Restrukturierung konnte über einen MBO samt Neugründung und Asset Deal umgesetzt werden. Hoch qualifizierte Mitarbeiter, eine intakte Kundenbasis und die vorhandene Infrastruktur waren das Fundament für den Neustart, der im Frühjahr 2024 vollzogen wurde.
VENTRADA Corporate Finance GmbH
Mathias Nebel hat das Unternehmen im Jahr 2005 gegründet. Im ersten Jahr waren noch Karsten Meyer und Elke Klinger (Art-Kon-Tor) mit an Bord. Seit Ende 2006 betreibt er die Unternehmensberatung allein, zusammen mit Netzwerkpartnern aus den Bereichen Steuer- und Rechtsberatung.
Im Fokus steht die Transaktionsberatung, d.h. die Vorbereitung und Realisierung von Unternehmensverkäufen/Unternehmenskäufen sowie von Unternehmensfinanzierungen, bei denen Beteiligungskapital zum Einsatz kommt.
Nachdem in den ersten Jahren die Begleitung von Unternehmensfinanzierungen technologieorientierter Start-ups im Vordergrund stand, ist nun die Beratung etablierter Unternehmen mit einem Umsatz größer als fünf, eher größer zehn Millionen Euro zentrales Thema. Hierbei geht es um Unternehmensanalysen, Plausibilisierung von Planungen, Erstellung von Wertgutachten und schließlich die Strukturierung von Käufen/Verkäufen.
Über 60 Beratungs- und Transaktionsprojekte hat er inzwischen abgeschlossen.

ventrada.de
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