Aktuell

Regelungen Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Ein Baustein zur Sicherung des Fachkräftebedarfs ist die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Die gesetzlichen Regelungen bieten Möglichkeiten der Zuwanderung aus Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten), aber auch deutlich mehr Komplexität.
Das Gesetz und die Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung sind beschlossen. Die meisten Regelungen traten am 1. März 2024 in Kraft, die Regelungen zu den Fachkräftetiteln der §§ 18a und 18b AufenthG sowie zur Blauen Karte EU gelten seit 18. November 2023 und die neue Chancenkarte wird zum 1. Juni 2024 eingeführt.
Diese Zusammenstellung umfasst wichtige Änderungen, kann aber keinen vollständigen Überblick über das Regelwerk geben. Für die verschiedenen Zuwanderungsmöglichkeiten müssen immer bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört u. a. die Sicherung des Lebensunterhalts.

Die wichtigsten Neuerungen

  • Bisher: Beschäftigung von Fachkräften nur in verwandten Berufen möglich
    Künftig: Beschäftigung in allen qualifizierten nicht-reglementierten Berufen (nur Fachkräfte mit in Deutschland anerkanntem Abschluss)
  • Bisher: Einreise von Fachkräften mit in Deutschland anerkanntem Berufs- bzw. Hochschulabschluss möglich
    Künftig: zusätzliche Möglichkeit der Einreise von Fachkräften mit ausländischem Berufs-/Hochschulabschluss und Berufserfahrung; kein förmliches Anerkennungsverfahren notwendig (nur bei nicht-reglementierten Berufen)
  • Bisher: Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte aus dem Ausland nach 4 Jahren möglich
    Künftig: nach 3 Jahren möglich
  • Bisher: Aufenthaltsmöglichkeit für Fachkräfte mit Teilanerkennung zur Qualifizierung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens
    Künftig: Anerkennungspartnerschaft als neue zusätzliche Möglichkeit: gesamtes Anerkennungsverfahren kann in Deutschland eingeleitet und durchgeführt werden
  • Bisher: bei Fachkräften keine Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit
    Künftig: Wegfall der Vorrangprüfung auch bei Auszubildenden
  • Bisher: Einreise zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte mit Möglichkeit der Probearbeit von max. 10 Stunden/Woche und zur Ausbildungsplatzsuche ohne Möglichkeit der Probearbeit
    Künftig: Neuer Suchtitel: Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems mit Möglichkeit einer Nebenbeschäftigung von bis zu 20 Stunden/Woche und jeweils 14-tägigen Probebeschäftigungen
  • Weitere Erleichterungen des Zugangs für IKT-Fachkräfte mit Berufserfahrung, aber ohne Berufs-/Hochschulabschluss (IKT = Informations- und Kommunikationstechnologie)
  • Mehr Möglichkeiten für Personen ohne Nachweis einer Qualifikation durch die Verstetigung der Westbalkanregelung mit Erhöhung des Kontingents und die neue kontingentierte kurzzeitige Beschäftigung

3-Säulen-Modell der Fachkräfteeinwanderung – Was gilt ab 1. März 2024?

Im neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz spricht die Bundesregierung von den 3 Säulen der Fachkräfteeinwanderung.
I.
Fachkräfte-
säule
II.
Erfahrungs-
säule
III.
Potenzial-
säule

I. Fachkräftesäule

Die Fachkräftesäule soll die zentrale Säule der Fachkräfteeinwanderung sein. Hier sind internationale Fachkräfte gemeint, die
  • im Ausland ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, das in Deutschland anerkannt ist, oder
  • im Ausland eine Berufsqualifikation erworben haben und im Berufsanerkennungsverfahren einen Bescheid über die volle Gleichwertigkeit mit einem deutschen Berufsabschluss erhalten haben oder
  • in Deutschland ein Studium oder eine qualifizierte Berufsausbildung absolviert haben

Diese Neuerungen für die Fachkräftesäule gelten seit 18. November 2023:
1. Änderungen bei den Fachkrafttiteln §§ 18a und 18b AufenthG
  • Anerkannte Fachkräfte (s. o.) dürfen jetzt in allen qualifizierten Berufen arbeiten (mit Ausnahme von reglementierten Berufen wie Heil-, Pflege- und Lehrberufen). Für diese Aufenthaltstitel sind im Wesentlichen ein Arbeitsplatzangebot bzw. -vertrag und die Anerkennungsnachweise erforderlich.
  • Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, gibt es einen Anspruch auf diese Titel.

2. Anpassung der Bestimmungen für die Blaue Karte EU im Zuge der Umsetzung der EU-Hochqualifiziertenrichtlinie
  • Ausweitung des Geltungsbereichs der Blauen Karte EU von Hochschulabschlüssen auf äquivalente Abschlüsse wie Meister, Techniker, Fachwirte, Erzieher etc. sowie auf berufserfahrene Personen aus dem IKT-Bereich (mit mind. 3 Jahren einschlägiger Berufserfahrung innerhalb der letzten 7 Jahre)
  • Inhaber einer Blauen Karte EU müssen eine ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung ausüben
  • Absenkung der Mindestgehaltsgrenze auf 45.300 Euro (50 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allg. Rentenversicherung) bzw. für Engpassberufe und Berufsanfänger auf 41.041,80 Euro (45,3 Prozent) (statt vorher 58.400 Euro bzw. 45.552 Euro)
  • Erleichterungen u. a. bei Familiennachzug, Arbeitgeberwechsel, Mobilität innerhalb der EU sowie Erlangung eines Daueraufenthalts EU

3. Änderungen bei den Regelungen für Berufskraftfahrer/-innen
  • Bei Berufskraftfahrern entfällt die Vorrangprüfung sowie die Prüfung der Berufsausübungsvoraussetzungen (EU-/EWR-Fahrerlaubnis, Berufskraftfahrerqualifikation) durch die Bundesagentur für Arbeit. Das Vorliegen der erforderlichen Papiere ist jetzt durch den Arbeitgeber zu prüfen, ebenso das erforderliche Sprachniveau für Nachqualifizierungen.
    Wichtig: An den allgemeinen Berufszugangsvoraussetzungen für Berufskraftfahrer ändert sich nichts. Diese werden seit 18. November 2023 lediglich nicht mehr im Rahmen des Aufenthaltsverfahrens von den Behörden geprüft, sondern müssen vom Arbeitgeber im Formular Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis – Zusatzblatt C bestätigt werden.
  • Neu ist ebenfalls, dass für die Zuwanderung von Berufskraftfahrern generell das beschleunigte Fachkräfteverfahren zur Anwendung kommen kann und nicht nur wie bisher in den Fällen mit vorliegender EU-/EWR-Fahrerlaubnis und Berufskraftfahrerqualifikation.

NEU ab 1. März 2024: Abschaffung der Vorrangprüfung bei der Einreise zur Ausbildung
Wie bisher können Personen einreisen, die in Deutschland eine Ausbildung absolvieren möchten und bereits einen Ausbildungsvertrag mit einem Unternehmen haben. Hier wird – wie es bereits für Fachkräfte gilt – ab 1. März 2024 die Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit abgeschafft.

II. Erfahrungssäule

NEU ab 1. März 2024: Beschäftigung von Fachkräften auch ohne förmliches Anerkennungsverfahren in nicht-reglementierten Berufen
Es können dann auch Fachkräfte ohne förmliches Anerkennungsverfahren in Deutschland eine qualifizierte Beschäftigung ausüben. Für diese gilt folgendes:
  • Vorausgesetzt wird ein/e im Erwerbsland staatlich anerkannte/r Hochschulabschluss oder mind. 2-jährige Berufsqualifikation und
    mind. 2 Jahre Berufserfahrung auf Fachkraft-Niveau (innerhalb der letzten 5 Jahre), die in einem berufsfachlichen Zusammenhang mit der in Deutschland angestrebten Tätigkeit steht
  • Verzicht auf Anerkennung in Deutschland bei nicht-reglementierten Berufen
  • berufserfahrene IKT-Spezialisten müssen nur die einschlägige Berufserfahrung, aber keinen Abschluss nachweisen
  • Weitere Voraussetzungen:
    • Mindestgehalt von 40.770 Euro (45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allg. Rentenversicherung) – tarifgebundene Unternehmen dürfen im Rahmen des Tarifvertrags nach unten abweichen
    • Tätigkeit in einem in Bezug auf die Berufserfahrung verwandten Beruf
    • vorliegendes/r Arbeitsplatzangebot/-vertrag
NEU ab 1. März 2024: Anerkennungspartnerschaft
In die Erfahrungssäule wurde daneben die so genannte Anerkennungspartnerschaft aufgenommen:
  • Das Anerkennungsverfahren kann vollständig in Deutschland durchgeführt werden, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich verpflichten, es unverzüglich nach der Einreise zu starten und eine ggf. erforderliche Anpassungsqualifizierung durchzuführen.
  • Währenddessen kann der Arbeitnehmer dort eine qualifizierte Beschäftigung, die im Zusammenhang mit seiner Qualifikation und der angestrebten Tätigkeit steht, ausüben.
  • Auch für die Anerkennungspartnerschaft müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

III. Potenzialsäule

Bei der neuen Chancenkarte, die am 1. Juni 2024 in Kraft tritt, handelt es sich um einen Suchtitel. Personen können ohne Arbeitsplatzangebot oder Vertrag zur Suche einer Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens für max. 12 Monate einreisen. Dafür müssen sie folgende Grundvoraussetzungen erfüllen:
  • gesicherter Lebensunterhalt und
  • im Erwerbsland staatlich anerkannte/r Hochschulabschluss oder mind. 2-jährige Berufsqualifikation und
  • mindestens Deutschkenntnisse Niveau A1 oder Englischkenntnisse Niveau B2
Zusätzlich müssen sie entweder eine volle Anerkennung ihres Berufs- oder Hochschulabschlusses oder mindestens 6 Punkte gemäß der so genannten Chancenkarte vorweisen. Kriterien für die Punktevergabe sind dabei Qualifikation, Berufserfahrung, Engpassberuf, weitere Sprachkenntnisse, Alter, Deutschlandbezug sowie das Potenzial des/der mitziehenden Ehe-/Lebenspartners/in.
Erhalten die Suchenden ein/en Arbeitsplatzangebot/-vertrag, erfüllen aber noch nicht alle Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung, kann die Chancenkarte einmalig um bis zu 2 Jahre verlängert werden (Folge-Chancenkarte). Damit kann die erforderliche Berufserfahrung erlangt werden.
Für Ausbildungsplatzsuchende (§ 17 AufenthG) werden die bisherigen Voraussetzungen erleichtert und die Suchdauer von 6 auf 9 Monate verlängert.

Die Suchtitel ermöglichen:
  • Probebeschäftigungen von jeweils 2 Wochen (Vollzeit); bei der Ausbildungsplatzsuche von insgesamt 2 Wochen
  • Nebenbeschäftigung von max. 20 Stunden pro Woche (auch zur Unterhaltssicherung)

Möglichkeiten für Personen ohne Nachweis einer Qualifikation

Westbalkan-Regelung
Im Rahmen der Westbalkan-Regelung können Personen aus den 6 Westbalkan-Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Republik Nordmazedonien sowie Serbien auch ohne Nachweis einer Qualifikation in Deutschland arbeiten. Es gibt folgende Änderungen:
  • Regelung wurde entfristet
  • Kontingent wird von 25.000 auf 50.000 Personen/Jahr verdoppelt (tritt am 1. Juni 2024 in Kraft)
NEU ab 1. März 2024: Kontingentierte kurzzeitige Beschäftigung
Im Rahmen von Kontingenten, die die Bundesagentur für Arbeit (BA) für bestimmte Wirtschaftszweige bzw. Berufsgruppen festlegen kann, können Personen unabhängig von ihrer Qualifikation unter bestimmten Voraussetzungen befristet beschäftigt werden:
  • regelmäßige Wochenarbeitszeit mind. 30 Stunden
  • Befristung der Beschäftigung auf max. 8 Monate innerhalb von 12 Monaten
  • Arbeitgeber muss der Tarifbindung unterliegen und zu tariflichen Bedingungen beschäftigen
  • Arbeitgeber muss Reisekosten tragen
  • Sozialversicherungsfreiheit ist ausgeschlossen
  • Insgesamt kann ein Unternehmen nur 10 Monate von 12 Monaten Ausländer/-innen nach dieser Regelung beschäftigen

Änderungen im Zusammenhang mit der Asylmigration

Spurwechsel für Asylbewerber/-innen
Asylbewerber können eine Aufenthaltserlaubnis zur qualifizierten Beschäftigung in Deutschland beantragen, wenn sie ein/en Arbeitsplatzangebot bzw. -vertrag haben und ihren Asylantrag zurücknehmen. Diese Regelung gilt seit 23. Dezember 2023 und betrifft Personen, die
  • bis zum 29. März 2023 eingereist sind und
  • die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft nach §§ 18a (mit anerkanntem Berufsabschluss), 18b (mit anerkanntem Hochschulabschluss oder äquivalentem Abschluss) oder 19c Abs. 2 AufenthG i. V. mit § 6 BeschV (mit ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung) erfüllen.
NEU ab 1. März 2024: Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung für ausreisepflichtige Ausländer/-innen
  • Parallel zur bestehenden Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG) wird eine neue Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung für ausreisepflichtige Ausländer (§ 16g AufenthG) geschaffen.
  • Voraussetzungen für die neue Aufenthaltserlaubnis sind analog derer für die Ausbildungsduldung.
  • Bei gesichertem Lebensunterhalt kann aus der Ausbildungsduldung in diese neue Aufenthaltserlaubnis gewechselt werden.
NEU ab 1. März 2024: Erleichterungen bei der Beschäftigungsduldung
Zudem wurden im Rückführungsverbesserungsgesetz die Voraussetzungen für die bereits entfristete Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG) erleichtert. Diese können Geduldete für 30 Monate erhalten, die bereits länger einer Beschäftigung nachgehen und damit ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern können. Neuerungen:
  • Verlegung des bisherigen Stichtags für die Einreise vom 1. August 2018 auf 31. Dezember 2022
  • Verkürzung der geforderten Vorbeschäftigungszeit von 18 auf 12 Monate
  • Reduzierung des wöchentlichen Mindestmaßes der Beschäftigung von 35 auf 20 Stunden

Weitere Infos: