International

Rückblick Ems Dollart Business Forum 2023

Veranstaltung am 15. Mai 2023 in Leer

Nachhaltige Lösungen für die „letzte Meile“ im Vertrieb
„Etwa 5,7 Milliarden Pakete werden es sein, die 2026 in Deutschland zugestellt werden.“ Mit dieser Zahl aus einer Prognose machte Christoph Marquardt am Montag die Problematik deutlich. Bei der Sitzung des Ems Dollart Business Forums (EDBF) im Rathaussaal in Leer ging es um nachhaltige Lösungen für die „letzte Meile“ im Vertriebsweg. Das Dilemma: Rund ein Drittel der gesamten Logistik betrifft die Stadtlogistik - und führt dort zu zunehmenden Belastungen, unter anderem, was die Verkehrssicherheit, aber auch Emissionen betrifft. Marquardt, Geschäftsführer des Verkehrsplanungsbüros Mobile Zeiten in Oldenburg, und Christiaan van Luik, Senior Consultant Logistik bei der Beratungs- und Forschungsagentur Buck Consultans International in Nijmegen sowie Alex Bakker, von der Kooperation De Graanrepubliek in Bad Nieuweschans, waren als Experten geladen – und sie lieferten jede Menge Inspirationen, so wie es sich Bürgermeister Claus-Peter Horst und Sieger Dijkstra, Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland und Vorsitzender des niederländischen Arbeitgeberverbandes VNO-NCW-MKB Noord in ihren Begrüßungsworten vor den rund 50 Teilnehmern erhofft hatten.
„Es ist eine enorme Dynamik, die wir gerade erleben“, sagte Marquardt, dem ein Queen-Klassiker in den Sinn kam, aus dem er zitierte: „I want it all and I want it now.“ Alle wollen alles sofort verfügbar haben. Die Corona-Pandemie habe das sogar noch weiter verschärft. Für ihn ist klar: „Wenn wir Lösungen für die Logistik finden wollen, geht das nur gemeinsam.“ Dabei seien die Unternehmen genauso gefordert wie die Konsumenten und die Kommunen. So sah es auch van Luik, der es für nicht machbar und auch nicht für praktisch hält, „nur 1-zu-1 auf einen Austausch von Diesel durch Elektromobilität zu setzen.“ Priorität müsse vielmehr eine intelligente und effiziente Logistik haben. Neben einer besseren Planung denke er auch an Alternativen wie den Transport über das Wasser, an Cargobikes und an Cityhubs, die in den Niederlanden bereits weit verbreitet seien. Spezielle Hub-Konzepte böten Perspektiven für das Reduzieren von Fahrten. Genau dort sollten Behörden, Betriebe und Entwickler bei ihrer Einkaufs- und Beschaffungspolitik ansetzen, so van Luik. City-Hubs befinden sich in der Regel am Rande der Städte und werden von Lkw angeliefert. Kleinere Fahrzeuge - oft auch mit Stromantrieb - bringen die Pakete dann von dort aus zu Servicepunkten oder an die Haustür. Christoph Marquardt warb ebenfalls für „Abholpunkte“, und zwar nicht nur in Städten, sondern auch auf dem Land. Ideal dafür seien vor allem die Haltepunkte der Busse. Ein weiterer richtiger Weg sei es, das Packstationsnetzwerk weiter auszubauen. Einen Blick richtete Marquardt auch nach Skandinavien. Dort gebe es Kombi-Busse, die vorne als Bus und hinten als Lastwagen konzipiert seien. In Deutschland gebe es bereits entsprechende Versuche. Mitdenken sei speziell bei den vielen entstehenden Neubaugebieten wichtig. In Sachen Erreichbarkeit – kurze Wege – müsse die notwenige Infrastruktur geschaffen werden. In der Diskussion mit den Teilnehmern des Forums appellierte Marquardt an alle Entscheidungsträger, „Entschlossenheit und Mut zu zeigen.“
Was das betrifft, agiert Alex Bakker von der Genossenschaft „Graanrepublic“ (Getreiderepublik) in Bad Nieuweschans vorbildlich. Er war als dritter Redner in Leer zu Gast und stellte ein Gemeinschaftsprojekt von Landwirten und Herstellern vor, das auf einem sehr nachhaltigen Konzept basiert und auf kürzest mögliche lokale Lieferketten setzt. In einer renovierten historischen Straßenbahnwerkstatt in Bad Nieuweschans bieten eine Brauerei, eine Brennerei, eine Bäckerei und Gastronomiebetriebe vielen Menschen eine Arbeit. Im Vordergrund steht, direkt vor Ort hochwertige Getreideprodukte aus der Region herzustellen und auch zu verkaufen. Zum Beispiel geht es um Brot, Müsli und Bier.
Das Ems-Dollart-Business-Forum (EDBF) ist ein Netzwerk der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg (IHK), des Landkreises Leer, der Stadt Leer, der NBank und der Gemeinden Oldambt und Westerwolde. Es unterstützt niederländische und deutsche Unternehmen, grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen aufzubauen, durch die Organisation von Veranstaltungen unter zweisprachiger Begleitung. Dies soll den Teilnehmer:innen die Möglichkeit geben, Kenntnisse zu erwerben, aber auch Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen und ihr Netzwerk zu erweitern.
Die Veranstaltung des EDBF wurde durch das Interreg-Programm Deutschland-Nederland ermöglicht und von der Europäischen Union kofinanziert.