Gewerberecht
Außergerichtliche Rechtsdienstleistungen
Im Interesse einer sachgerechten, unabhängigen Rechtsberatung gilt der Grundsatz, dass die Vertretung vor Gericht ebenso wie die umfassende außergerichtliche Beratung in die Hände der Anwälte gehört. Öffnungen sieht das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) gegenüber dem geltenden Rechtsberatungsgesetz allerdings bei der unentgeltlichen, altruistischen Rechtsberatung vor, die grundsätzlich freigegeben wird.
Für die Rechtsberatung im Familien- und Freundeskreis gelten dabei keinerlei gesetzlichen Vorgaben; karitative Einrichtungen, Verbraucherberatungsstellen oder Mieterbund müssen gewährleisten, dass sie Rechtsdienstleistungen nur durch oder unter Anleitung eines Volljuristen erbringen.
Auch Nichtanwälte dürfen im Zusammenhang mit einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit juristische Nebenleistungen erbringen. So dürfen beispielsweise Architekten im Rahmen von Planungsleistungen ihre Auftraggeber bei damit zusammenhängenden baurechtlichen Fragen beraten.
Rechtsdienstleistungsbefugnis
Wer umfassend rechtlich beraten will, muss Volljurist sein, das heißt er muss beide juristischen Staatsexamen bestanden haben. Darüber hinaus muss er als Rechtsanwalt zugelassen sein. Für die Rechtsuchenden ist es wichtig, sich darauf verlassen zu können, dass umfassender Rechtsrat nur von Rechtsanwälten erteilt wird, die gesetzlich in besonderer Weise zur Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und Wahrung der Mandanteninteressen verpflichtet sind. Daher gibt es auch keine umfassende Rechtsberatungsbefugnis für Fachhochschulabsolventen (hier vor allem Diplom-Wirtschaftsjuristen) oder Absolventen des ersten juristischen Examens.
Dem Anliegen der Diplomjuristen, die an den Fachhochschulen ursprünglich mit dem Ziel einer abhängigen Beschäftigung in Verwaltung oder Wirtschaft ausgebildet wurden, auch selbständig tätig werden zu können, trägt das Gesetz allerdings in gewissem Umfang Rechnung. Durch die Definition des Begriffs der Rechtsdienstleistung und die Beschreibung der zulässigen Nebenleistungen gibt es auch für Diplomjuristen entsprechende Betätigungsfelder.
Geltungsbereich und Rechtsanwendung
Das zuvor geltende Rechtsberatungsgesetz unterstellte nach seinem Wortlaut jede Erledigung fremder Rechtsangelegenheiten dem gesetzlichen Erlaubnisvorbehalt. Das führte dazu, dass all diese Tätigkeiten grundsätzlich nur durch Rechtsanwälte oder durch andere Personen mit einer besonderen Erlaubnis zur Rechtsberatung (z. B. Steuerberater oder Inkassounternehmen) erbracht werden durften. Das alte Gesetz verwendete daneben auch die Begriffe Rechtsberatung, Rechtsbetreuung und Rechtsbesorgung, ohne diese Begriffe näher einzugrenzen. Das RDG ersetzte diese konturenlose Begriffsvielfalt jetzt durch den einheitlichen, in § 2 Abs. 1 RDG definierten Begriff der Rechtsdienstleistung:
Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind nur die Fälle echter Rechtsanwendung allein dem Anwalt vorbehalten. Tätigkeiten, die sich im Auffinden, der Lektüre, der Wiedergabe und der bloßen schematischen Anwendung von Rechtsnormen erschöpfen, sind dagegen keine Rechtsdienstleistungen. Dies betrifft etwa
- die allgemeine Aufklärung über rechtliche Hintergründe
Beispiel: Ein Mieterverein klärt durch ein Rundschreiben alle Mieter einer Wohnanlage über die nach dem BGB bestehenden Minderungsrechte bei Modernisierungsmaßnahmen auf. - die Geltendmachung unstreitiger Ansprüche
Beispiel: Eine Kfz-Werkstatt rechnet mit der gegnerischen Versicherung nicht nur die Reparaturkosten ab, sondern macht für den Geschädigten gleichzeitig auch die allgemeine Schadenpauschale geltend. - die Mitwirkung bei einem Vertragsschluss oder einer Vertragskündigung
Beispiel: Ein Energieberater kündigt für seinen Kunden bestehende Energieversorgungsverträge und schließt neue ab.
Andererseits liegt eine Rechtsdienstleistung nicht erst dann vor, wenn eine umfassende oder besonders tiefgehende juristische Prüfung erforderlich wird. Bereits die juristische Prüfung einfacher Sachverhalte eröffnet den Anwendungsbereich des RDG. In diesen Fällen kann die Rechtsprüfung aber durch Nichtanwälte erfolgen, wenn es sich um eine nach § 5 RDG zulässige Nebenleistung handelt.
Rechtsdienstleistungen als Nebenleistungen
Um den Anforderungen des Wirtschaftslebens gerecht zu werden, erweitert § 5 Abs. 1 RDG die Möglichkeit, im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit Rechtsdienstleistungen zu erbringen.
Rechtsdienstleistungen sind künftig immer dann zulässig, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören.
Beispiele:
- Sanierungs- oder Insolvenzberatung durch Diplom-Betriebswirte, Diplom-Kaufleute oder Diplom-Wirtschaftsjuristen;
- Beratung über Fragen des Baurechts oder der Sachmängelhaftung durch Architekten;
- Beratung über Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vermögens- oder Unternehmensnachfolge durch Banken
- Mitwirkung bei der Vorbereitung eines Erbscheinsantrags durch Erbenermittler.
Voraussetzung ist nicht, dass die andere Tätigkeit ohne die Rechtsdienstleistung überhaupt nicht sachgemäß erledigt werden kann. Vielmehr reicht es aus, dass die Tätigkeit eine zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehörige Nebenleistung darstellt. Die Rechtsdienstleistung darf also nach ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nicht im Mittelpunkt des Leistungsangebots stehen und muss zum jeweiligen Berufsbild gehören.
Einzelne Fälle stets zulässiger Nebenleistungen hebt das RDG ausdrücklich hervor, um von vornherein Rechtsklarheit zu schaffen. Zu nennen sind namentlich die Testamentsvollstreckung - die der Erblasser damit künftig auch Banken, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern übertragen kann - und die Fördermittelberatung, die im Bereich der Unternehmensberatung eine wichtige Rolle spielt. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, der diese Tätigkeiten für erlaubnisfrei zulässig erklärt hat.
Es wird auch weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben, darüber hinaus im Einzelnen zu bestimmen, welche Rechtsdienstleistungen - etwa bei Unternehmensberatern - noch als Nebenleistung anzusehen sind. Das Gesetz gibt den Gerichten für die Entscheidung, ob eine Nebenleistung vorliegt, aber konkrete Entscheidungskriterien an die Hand. Prüfungsmaßstab ist neben Umfang und Inhalt einer Tätigkeit und ihrer Bedeutung für den Rechtsuchenden, ob hierfür die umfassende rechtliche Ausbildung des Rechtsanwalts oder seine besondere Pflichtenstellung im Rechtssystem erforderlich ist, oder ob die juristische Qualifikation des nichtanwaltlichen Dienstleisters ausreicht.
Unentgeltliche Rechtsdienstleistungen
§ 6 RDG erklärt die unentgeltliche Rechtsdienstleistung grundsätzlich für zulässig: Rechtsdienstleistungen, die nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen, sollen erlaubt sein.
Das betrifft einerseits die Rechtsberatung im Familien- und Freundeskreis und begünstigt andererseits die altruistische, karitative Rechtsberatung. Der Begriff der Unentgeltlichkeit wird enger als im Bürgerlichen Recht definiert. „Kostenlose“ Serviceangebote (etwa die von einer Bank für den - potentiellen - Kunden kostenlos und unverbindlich angebotene Testamentsberatung) sind danach nicht unentgeltlich im Sinne des RDG, weil sie im Zusammenhang mit dem entgeltlichen Geschäft stehen, für das geworben werden soll.
Werden z. B. in einem Verein oder in sozialen Einrichtungen unentgeltlich Rechtsdienstleistungen angeboten, muss die Qualität der Rechtsdienstleistung dadurch sicher gestellt sein, dass eine juristisch qualifizierte Person daran beteiligt wird. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Rechtsdienstleistung unter Anleitung einer Person erbracht wird, die beide Staatsexamen bestanden hat. Die vor Ort beratende Person muss entsprechend geschult und fortgebildet werden, zudem muss die Möglichkeit bestehen, zur Not in einem konkreten Fall auf die besonderen juristischen Kenntnisse der anleitenden Person zurückgreifen zu können.
Zum Schutz der Rechtsuchenden ist es möglich, Personen oder Einrichtungen, die außerhalb des Familien- und Bekanntenkreises dauerhaft unqualifizierten Rechtsrat erteilen, die unentgeltliche Rechtsdienstleistung zu untersagen.
Rechtliche Beratung von Mitgliedern in Vereinen
Während nach früher geltendem Recht nur berufsständische und berufsstandsähnliche Vereinigungen (z. B. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Haus und Grund, Mietervereine) ihre Mitglieder rechtlich beraten durften, ist dies nun grundsätzlich nach § 7 RDG jeder Vereinigung erlaubt. Dies betrifft etwa die großen Mitgliedervereine wie beispielsweise Automobilclubs.
Allerdings dürfen die Rechtsdienstleistungen nicht Hauptzweck einer Vereinigung sein. Außerdem muss eine sachgerechte Mitgliederberatung gewährleistet sein. Dies wird vor allem dadurch sicher gestellt , dass eine juristisch qualifizierte Person an der Beratung beteiligt sein und die Institution personell, sachlich und finanziell angemessen ausgestattet sein muss. Auch Vereinen, die dauerhaft unqualifizierten Rechtsrat erteilen, kann die weitere Erbringung von Rechtsdienstleistungen untersagt werden.
Forderungsinkasso / Forderungskauf
Das gesamte klassische Inkassogeschäft fällt unter den gesetzlichen Erlaubnisvorbehalt. Will also jemand eine Forderung nur zur Einziehung erwerben, ohne das wirtschaftliche Risiko zu übernehmen (Forderungsinkasso), muss er sich bei der Landesjustizverwaltung registrieren lassen. Der Vollerwerb einer Forderung (Forderungskauf) ist demgegenüber auch ohne eine Inkassoregistrierung zulässig. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Forderungen gerade im heutigen Wirtschaftsleben schnell und leicht übertragbar sein und grundsätzlich auch als Refinanzierungsinstrument zur Verfügung stehen müssen.
Einem besonderen Schutzbedürfnis des Schuldners wird dabei durch die gesetzliche Regelung von Zustimmungserfordernissen Rechnung getragen, wie sie das neue Recht nunmehr auch zur Abtretbarkeit anwaltlicher Honorarforderungen vorsieht. Rechtsanwälte können ihre Honorarforderungen zu Einziehungszwecken abtreten oder an Dritte veräußern, wenn der Mandant der Abtretung nach vorheriger Aufklärung ausdrücklich schriftlich zugestimmt hat. Damit können künftig nach dem Vorbild der ärztlichen und zahnärztlichen Verrechnungsstellen auch anwaltliche Verrechnungsstellen tätig werden.
Angleichung der Regelungen über die Prozessvertretung vor Gericht
Anders als das frühere Rechtsberatungsgesetz beschränkt sich das RDG auf die außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen. Daher werden die einzelnen Verfahrensordnungen (ZPO, FGG, ArbGG, VwGO, SGG, FGO) um Regelungen darüber ergänzt, wer wen in welchen gerichtlichen Verfahren vertreten kann. Zu diesem Zweck werden die bisher uneinheitlichen Vorschriften der einzelnen Verfahrensordnungen einander so weit wie möglich angeglichen.
Die Vertretungsbefugnis im Zivil-, Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsprozess wird dabei nicht in demselben Umfang freigegeben wie bei der außergerichtlichen Rechtsdienstleistung. Die Kenntnisse, die erforderlich sind, um einen Gerichtsprozess sachgerecht zu führen, sowie der Schutz der Gerichte erfordern und rechtfertigen stärkere Einschränkungen als im außergerichtlichen Bereich.
Unverändert muss sich ein Mandat in bestimmten Gerichtsverfahren (z. B. vor den Bundesgerichten, in den meisten Berufungsverfahren, in zivilrechtlichen Prozessen vor dem Landgericht und in bestimmten familiengerichtlichen Verfahren) durch einen Anwalt vertreten lassen. Abgesehen von diesen Fällen kann eine Partei selbst entscheiden, ob sie sich selbst vertritt oder einen professionellen Vertreter einschaltet.
Die entgeltliche professionelle Vertretung soll auch in diesen Fällen grundsätzlich weiterhin durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erfolgen. Wer andere beruflich vor Gericht vertritt, muss zum Schutz des Vertretenen bestimmten Qualifikationsanforderungen genügen. Deshalb lässt die gesetzliche Neuregelung in allen Gerichtsverfahren, in denen kein Anwaltszwang besteht, neben der Vertretung durch Rechtsanwälte grundsätzlich nur die Vertretung
- durch Beschäftigte der Prozesspartei,
- durch unentgeltlich tätige Familienangehörige der Prozesspartei,
- durch unentgeltlich tätige Volljuristen oder
- durch unentgeltlich tätige Streitgenossen
zu. Registrierte Inkassounternehmen dürfen künftig das gerichtliche Mahnverfahren betreiben; ihre Vergütung für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren ist dabei zum Schutz der Schuldner nur bis zu einem Betrag von 25,- EUR erstattungsfähig. Personen, die nach den neuen Regelungen nicht zur Prozessvertretung zugelassen sind, können vom Gericht künftig - anders als im bisher geltenden Recht - als Beistand in der Gerichtsverhandlung zugelassen werden, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht.
In steuerrechtlichen Angelegenheiten bleiben die Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertretungsbefugt. Auch die bereits nach bislang geltendem Recht bestehenden Vertretungsbefugnisse für Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Sozialverbände und Rentenberater werden übernommen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren werden die Befugnisse der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften auf die Vertretung vor dem Bundesarbeitsgericht ausgeweitet.
Häufig fungieren die Personen, die bei Gewerkschaften und Verbänden für die Übernahme der Prozessvertretung qualifiziert sind, auch als ehrenamtliche Richter in der Arbeits- oder Sozialgerichtsbarkeit. Eine Unvereinbarkeitsregelung verhindert daher von vorn herein , dass der Verdacht einer Interessenkollision oder Voreingenommenheit des Gerichts aufkommt. Deshalb wird in allen Verfahrensordnungen angeordnet, dass Richter grundsätzlich nicht als Vertreter bei einem Gericht auftreten dürfen, dem sie selbst angehören. Für ehrenamtliche Richter wird dieser Grundsatz auf die jeweiligen Spruchkörper des Gerichts eingeschränkt, denen sie angehören.