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IHK-Konjunkturblitzumfrage - Frühjahr 2024

Geschäftslage rutscht in negativen Bereich, aber Erwartungen weniger pessimistisch  – Aber viele Unternehmen stellen Investitionen zurück

Die Geschäftslage in der regionalen Wirtschaft hat sich im Frühjahr noch einmal leicht verschlechtert. Zum ersten Mal seit dem Winter-Lockdown 2020/21 melden in der Region mehr Unternehmen eine schlechte Geschäftslage als eine gute. Das ist das Ergebnis der Konjunktur-Blitzumfrage, die die Industrie- und Handelskammern (IHKs) Mittlerer Niederrhein und Düsseldorf im April durchgeführt haben. Knapp 600 Unternehmen aus der Region haben daran teilgenommen.
„Insbesondere die Werte des Einzelhandels haben sich nach dem enttäuschenden Weihnachtsgeschäft wieder etwas stabilisiert. Das Signal macht Hoffnung, dass sich die Verbraucherstimmung verbessert“, sagt Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. „Zumal die Inflation zurückgeht“, so Berghausen weiter.
22,9 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Lage als „gut“, 24,1 Prozent als „schlecht“. Der Geschäftslageindikator, der sich als Saldo dieser beiden Werte berechnet, liegt bei einem Wert von minus 1,2 Punkten und damit knapp unter dem Wert zum Jahresbeginn. Der Geschäftserwartungsindikator bleibt mit minus 7,1 Punkten im negativen Bereich, steigt jedoch deutlich um 13,6 Punkte. Immerhin 63 Prozent der Betriebe rechnen nicht damit, dass sich ihre gegenwärtige Geschäftslage grundlegend ändert, 14,9 Prozent der Unternehmen hoffen sogar auf eine verbesserte Entwicklung. Allerdings befürchten auch 22,1 Prozent eine Verschlechterung.
„Zwar sind die Pessimisten gegenüber den Optimisten weiterhin in der Mehrheit, dennoch sehen wir hier seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine bei den Erwartungen die besten Werte“, sagt Berghausen.
Einige Belastungsfaktoren gehen zurück. Insbesondere reagiert die Weltwirtschaft robuster als befürchtet auf die seit Herbst eskalierenden Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Zwar zeigen die ersten wichtigen Impulse wie das Wachstumschancengesetz Wirkung. Für einen echten Erfolg bei den Investitionen seien die beschlossenen Erleichterungen aber zu gering gewesen. So planen 22,2 Prozent der Betriebe, ihre Investitionsbudgets zu erhöhen, 32,5 Prozent der Betriebe kürzen sie. Bei den vergangenen drei Konjunkturumfragen wurden jeweils ähnliche Werte gemessen. 42,5 Prozent der Unternehmen sehen in den Energiepreisen ein wesentliches Geschäftsrisiko. Das ist der niedrigste Wert seit drei Jahren.
„Es zeigt sich, dass viele Abgaben auf Energie, wie die EEG-Umlage und zuletzt auch die Stromsteuer, reduziert oder gestrichen wurden“, so Berghausen.
27 Prozent der Unternehmen in der Region haben Investitionen zurückgestellt
Wie groß die Verunsicherung der Unternehmen aktuell ist, zeigt sich auch daran, das mehr als jedes vierte eigentlich geplante Investitionen aktuell zurückgestellt hat. Die Gründe dafür: Die Wirtschaftspolitik in Bund und Land wirkt unzuverlässig, die überbordende Bürokratie wird als lähmend empfunden und die Energiekosten sind zu hoch. 
„27 Prozent der Unternehmen haben ursprünglich geplante Investitionen zurückgestellt. Das ist ein sehr hoher Wert“, kommentiert IHK-Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen so Berghausen.
Besonders deutlich ist dieser Trend im Verarbeitenden Gewerbe. 34 Prozent dieser Industriebetriebe (ohne die Bauwirtschaft) haben Investitionen zurückgestellt. In der energieintensiven Industrie ist es mit 40 Prozent besonders dramatisch.
Der Hauptgrund für die Zurückhaltung bei Investitionen sind die unsicheren wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.
„Das betrifft zum Beispiel offene Fragen zur Energiewende oder Gesetzesinitiativen, die im Raum stehen und mit Auflagen und Einschränkungen für die Unternehmen verbunden sind. Ein Beispiel dafür ist das Lieferkettengesetz“, erläutert der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Mehr als ein Drittel der Unternehmen, die Investitionen zurückgestellt haben, nennen die weiterhin hohen Energiekosten und zunehmende Regulierungen als Gründe. Der Einzelhandel führt auch die hohe Steuer- und Abgabenbelastung sowie den Fachkräftemangel an. Fast 40 Prozent der Dienstleister nennen langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren als Faktoren für die Investitionszurückhaltung.
Die IHK-Analyse ist auch der Frage nachgegangen, was politisch passieren muss, damit die Unternehmen ihre zurückgestellten Investitionen nachholen beziehungsweise mehr investieren. Knapp drei Viertel der Betriebe würden bei einer verlässlicheren Wirtschaftspolitik wieder mehr investieren, zwei Drittel bei einer Reduzierung der bürokratischen Belastung.
„Es gibt viele Initiativen und Sonntagsreden, aber niemand geht die Probleme konkret an“, kritisiert Berghausen. 
Die Dienstleister sehen zudem in kürzeren Planungs- und Genehmigungsverfahren ein Instrument, um die Investitionsneigung zu steigern. Zwei Drittel der Einzelhändler mit zurückgestellten Investitionen fordern Steuererleichterungen, um mehr zu investieren. Im Verarbeitenden Gewerbe und bei den Großhändlern würden 56 beziehungsweise 54 Prozent der Unternehmen, bei dauerhaft niedrigeren Energiepreisen wieder mehr investieren. Bei den energieintensiven Industrien sind es sogar 69 Prozent.
Das Fazit des IHK-Hauptgeschäftsführers ist eindeutig: „Wir müssen die Rahmenbedingungen für Investitionen wieder deutlich und grundsätzlich verbessern. Die Umfragedaten zeigen uns, dass hinter der Investitionszurückhaltung eben nicht nur eine konjunkturelle Delle steckt.“ 
Energiekosten weiter hoch und belastend
Für die energieintensiven Branchen, die sich in der Vergangenheit von den Abgaben haben entlasten oder befreien lassen können,  haben sich nun die Kosten für Beschaffung und Netzentgelte gegenüber 2020 fast verdoppelt. Deswegen sehen immer noch drei Viertel der Betriebe aus den energieintensiven Industriebranchen in den Energiekosten ein wesentliches Geschäftsrisiko. Von Entwarnung kann dennoch keine Rede sein, denn die Chemische Industrie und die Metallindustrie haben durch die hohen Energiekosten an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Trotz der mittlerweile vier Krisenjahre rechnet IHK-Hauptgeschäftsführer Berghausen weiterhin nicht damit, dass es zu einer schweren Krise auf dem Arbeitsmarkt kommen wird. 16,7 Prozent der Betriebe möchten Beschäftigung aufbauen, 23,3 Prozent ihre Mitarbeiterzahlen senken.
„Mehr als die Hälfte aller Betriebe melden uns, dass sie im Fachkräftemangel ein wesentliches Geschäftsrisiko sehen. Das Potenzial für einen weiteren Beschäftigungsaufbau ist also vorhanden, vorausgesetzt, es gibt verfügbare Mitarbeitende“, so Berghausen.
Eine schlechtere Lage als zu Jahresbeginn meldet die Industrie. Der Lageindikator liegt nun bei minus 6,3 Punkten, nachdem zu Jahresbeginn noch ein Plus von 2,8 Punkten erzielt wurde. Besonders betroffen sind weiterhin die energieintensiven Branchen mit unverändert schlechteren Werten als die Industrie insgesamt. Bei ihnen meldet zwar ebenfalls gut jedes fünfte Unternehmen eine gute Lage, aber mehr als 40 Prozent berichten über schlechte Geschäfte. Mittlerweile können sich auch die Investitionsgüterproduzenten der Konjunkturflaute nicht mehr entziehen: Lageurteile und Erwartungen haben sich auf minus 3 Punkte (nach zu Jahresbeginn noch plus 19 Punkte) und minus 18 Punkte (zuvor erst minus 1 Punkt) deutlich verschlechtert. Dieser Industriezweig leidet immer mehr unter der Investitionszurückhaltung. Die unterschiedlichen Entwicklungen von Einzelhandel und Industrie haben auch Auswirkungen auf den Großhandel. Der produktionsnahe Großhandel meldet schlechtere, der konsumnahe Großhandel bessere Werte als zu Jahresbeginn. Im Baugewerbe hat sich der negative Trend nicht weiter fortgesetzt – die Lage ist nur leicht schlechter als in der Vorumfrage. Bei den Erwartungen sinkt in der Branche der Anteil der Pessimisten von 43 auf 28 Prozent. Zuversichtlich sind jetzt 22 nach zuvor 11 Prozent der Unternehmen.
„Jetzt gilt es, Perspektiven wie z. B. steuerliche Erleichterungen für den Wohnungsbau im Wachstumschancengesetz ausfindig zu machen, denn die Branche muss langfristig planen und handeln“, so Berghausen abschließend.