Nachhaltigkeit

VSME-Standard für KMU: Wie wird es aussehen?

In der Praxis müssen sich oft auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen. Um sie zu entlasten, hat die EU im Januar 2024 einen ersten Entwurf zum „Voluntary SME-Standard" (VSME) vorgelegt. Das freiwillige Instrument soll KMU in die Lage versetzen, ihre Nachhaltigkeitsziele und -projekte einfacher zu dokumentieren.
Nicht kapitalmarktorientierte kleinste, kleine und mittlere Unternehmen sind von der gesetzlichen Pflicht, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, nicht erfasst. Sie werden in vielen Fällen jedoch von ihren Geschäftspartnern und Kunden aufgefordert, Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen – teilweise auch unterschiedliche. 
Die IHK-Organisation hat in ihren Stellungnahmen und Positionspapieren in den vergangenen Jahren die aus überwiegender Sicht unverhältnismäßigen Anforderungen an die Berichterstattung sowohl der direkt, aber auch der mittelbar betroffenen Unternehmen aufgenommen. Angesichts der Rückmeldungen forderte sie, die Regelungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) zu reduzieren beziehungsweise verhältnismäßig auszugestalten (vergleiche unter anderem das DIHK-Positionspapier zum Thema Sustainable Finance in den Europapolitischen Positionen 2023). Nachbesserungen sind erfolgt, allerdings in nicht ausreichender Weise.

VSME-Standard könnte KMU entlasten

Ein europaweiter Standard könnte – bei entsprechender Akzeptanz der Geschäftspartner – die Chance bieten, die mittelbare Belastung der nicht direkt berichtspflichtigen KMU einzudämmen. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) mit der Erstellung eines solchen Standards beauftragt. Der erste Entwurf wurde am 22. Januar 2024 veröffentlicht.
Der VSME soll nicht verbindlich sein, sondern eine „freiwillige" Alternative zu den individuellen Fragebögen bieten, die viele KMU von berichtspflichtigen Unternehmen erhalten. Wichtig ist nun zu prüfen, ob der VSME-Entwurf einerseits den Informationsbedarf der berichtspflichtigen Geschäftspartner und Finanzinstitute erfüllen kann und andererseits die vom VSME geforderten Informationen den nicht berichtspflichtigen KMU auch vorliegen. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, könnte ein künftiger VSME-Standard dazu beitragen, die mittelbare Belastung der KMU zu reduzieren.

Inhalt des VSME-Entwurfs

Basis Modul
Richtet sich laut VSME-Entwurf an Kleinstunternehmen im Sinne der Rechnungslegungsrichtlinie und enthält die geringsten Anforderungen. Eine Wesentlichkeitsanalyse ist nicht erforderlich. (Hierbei beachten Sie bitte die geplanten, aber noch nicht vom deutschen Gesetzgeber beschlossenen, erhöhten Schwellenwerte zur Definition des Kleinstunternehmens).
Mehr Informationen dazu finden Sie auf der Seite der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
PAT-Modul (Policies, Actions, Targets)
Das PAT-Modul ergänzt das Basis-Modul und ist für Unternehmen gedacht, die bereits formalisierte Unternehmensleitlinien, Maßnahmen und Ziele in Bezug auf die Nachhaltigkeit definiert haben (aber nicht berichtspflichtig im Sinne der CSRD sind).
Es bedarf einer Wesentlichkeitsanalyse nach dem VSME-Standardentwurf, um die Offenlegung der wesentlichen Nachhaltigkeitsinformationen sicherzustellen; dabei kann Appendix B des VSME-Entwurfs als Leitlinie für das Unternehmen genutzt werden.
Business-Partner-Modul
Das BP-Modul soll in Verbindung mit dem Basis-Modul, aber auch mit dem Basis- und PAT-Modul genutzt werden können.
Es enthält weitere Daten, über die Offenlegungen in B 1 bis B 12 hinausgehend, die von Kreditgebern, Investoren, Geschäftspartnern des Unternehmens benötigt werden.
Es bedarf einer Wesentlichkeitsanalyse nach dem VSME-Standardentwurf, um die Offenlegung der wesentlichen Nachhaltigkeitsinformationen sicherzustellen; dabei kann Appendix B des VSME-Entwurfs als Leitlinie für das Unternehmen genutzt werden. 

Anwendungsmöglichkeiten

Ein Unternehmen könnte das Basis-Modul allein, das PAT-Modul zusammen mit dem Basis-Modul, das Business-Partner-Modul zusammen mit dem Basis-Modul oder alle drei Module gemeinsam anwenden.
Variante 1
Basis-Modul
Variante 2
Basis-Modul, PAT-Modul
Variante 3
Basis-Modul, Business-Partner-Modul
Variante 4
Basis-Modul, Business-Partner-Modul, PAT-Modul
Der Bericht nach dem VSME soll jährlich erstellt und unter bestimmten Voraussetzungen als separater Abschnitt im (Konzern-)Lagebericht aufgenommen werden können. Ansonsten ist eine separate Veröffentlichung vorgesehen. Er soll zur gleichen Zeit wie der Jahres-/Konzernabschluss beziehungsweise die Finanzberichterstattung zur Verfügung stehen, soweit diese zu erstellen sind. Bestimmte sensible Informationen darf das Unternehmen weglassen. Ab dem zweiten Jahr sollen Vergleichszahlen zum Vorjahr in den Bericht aufgenommen werden.

Wesentlichkeitsanalyse für das PAT- und Business-Partner-Modul

Als Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung dient die Wesentlichkeitsanalyse – ein Prozess, in dem die für ein Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsthemen identifiziert und bewertet werden. Die Anforderungen an die Wesentlichkeitsanalyse für das PAT-Modul und das Business-Partner-Modul sind im Entwurf des VSME umschrieben. Grundsätzlich sollen das Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse sowie eine Liste der für das Unternehmen bedeutsamen Themen in den Nachhaltigkeitsbericht aufgenommen werden.
Bei der Wesentlichkeitsanalyse soll das Unternehmen die im Appendix B enthaltene Liste der Nachhaltigkeitsthemen als Leitlinie verwenden können. Wie bei den ESRS gilt, dass eine sogenannte doppelte Wesentlichkeit zu ermitteln ist: die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Menschen (impact materiality) und die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen (financial materiality). Dabei sollen grundsätzlich aktuelle und potenzielle Auswirkungen, kurz-, mittel- und langfristig, einbezogen werden, wie auch die Wertschöpfungskette. Einzelheiten zur Wesentlichkeitsanalyse gibt es in Ziffer 42ff. des VSME sowie Ziffer 59 (zum PAT-Modul in N 2) und Ziffer 68 (zum BP-Modul).

Noch keine deutsche Fassung verfügbar

Die VSME liegt (bisher) nicht in einer offiziellen deutschen Übersetzung der Kommission oder der EFRAG. Die DIHK hat deshalb im Rahmen eines Pilotprojekts in Zusammenarbeit mit der dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) und dem Deutschen Rechnungslegungsstandards Committee e.V. (DRSC) eine Übersetzung erstellt. Dabei wurde nicht der komplette VSME-Entwurf übersetzt, sondern nur die Datenpunkte aus den drei Modulen. Das Dokument soll als Hilfestellung für das Verständnis des VSME zur Konsultation dienen.

Unter VMSE-ED Übersetzung Datenpunkte können Sie sich die Datei im Excel-Format herunterladen.

Konsultation des VSME-Entwurfs

Der Entwurf für einen VSME stand bis zum 21. Mai 2024 zur Konsultation. Den aktuellen VSME-Entwurf finden Sie als PDF zum Download hier. Weitere Informationen, unter anderem Erläuterungen zur Entwicklung des VSME-Entwurfs und zum Hintergrund sind ebenfalls auf der Seite der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) verfügbar.
Im Rahmen der Konsultation waren die Einschätzungen und Bewertungen der KMU, die den VSME anwenden können, ebenso von Bedeutung wie die der großen Unternehmen und Geschäftspartner, die Daten der KMU anfordern.
Nach Abschluss der Konsultation wird EFRAG voraussichtlich den Entwurf des VSME nochmals überarbeiten. Wir werden entsprechende Informationen zum jeweils aktuellen Stand hier veröffentlichen.