International
Freihandelsabkommen im Auslandsgeschäft - Bedeutung und Vorteile
Ob Liefer- oder Standortentscheidung: Die praktische Bedeutung von Freihandelsabkommen im Auslandsgeschäft wächst!
In den letzten Jahren haben sich bilaterale und multilaterale Freihandelsabkommen zu einem sehr effektiven Instrument im globalen Handel entwickelt. Die Einräumung der Meistbegünstigtenklausel stellt das Grundprinzip der Welthandelsorganisation (WTO) dar und beinhaltet die gegenseitige Gleichbehandlung aller WTO-Mitglieder bei Zollabgaben. Obwohl die Freihandelsabkommen mit ihren speziellen Begünstigungen gegen dieses Prinzip verstoßen, überwiegen die Vorteile der bilateralen und multilateralen Abkommen so schwer, dass die WTO regelmäßig ihre Zustimmung erteilt, zumal die eigenen Verhandlungen in der sogenannten Doha-Runde (Doha Development Agenda) für weitere Liberalisierungen im Welthandel weiterhin stocken. Ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Runde ist derzeit nicht absehbar: zu groß sind die Interessenskonflikte der Mitgliedsstaaten der WTO. Folglich wählen viele Einzelstaaten, aber auch Ländergruppen wie die Europäische Union, mit bilateralen und multilateralen Freihandelsabkommen eine neue strategische Ausrichtung, um EU-Unternehmen bessere Zugangsmöglichkeiten zum globalen Businessparkett zu verschaffen. Aktuell sind 36 Verhandlungen von Ländern über bilaterale oder regionale Freihandelsabkommen bei der WTO gemeldet – dies ist gemäß WTO-Recht verpflichtend. Allerdings wird dieser Aspekt von den Staaten nicht so eng gesehen, so dass weitaus mehr Verhandlungen für Freihandelsabkommen laufen, als auf der WTO-Webseite abgebildet.
Bei den bilateralen Abkommen handelt es sich um eine Abmachung zweier Länder oder Ländergruppen. Bei den multilateralen sind mindestens drei Länder oder Ländergruppen beteiligt. Zweck dieser Übereinkünfte ist es in erster Linie (neben gegenseitigen Investitionsvereinfachungen und Dienstleistungsliberalisierungen), gezielt nicht tarifäre Handelshemmnisse und tarifäre Barrieren (Zölle) zwischen den beteiligten Vertragspartnern kontinuierlich zu reduzieren bis hin zu deren Eliminierung.
Insgesamt bestehen rund dreihundert aktive, bei der WTO registrierte Freihandelsabkommen, von denen deutsche Unternehmen direkt oder indirekt profitieren können. Die Europäische Union unterhält zurzeit 49 (fünf einseitige und 44 gegenseitige) Abkommen mit Drittländern oder Ländergruppen.
Abkommenspartner der Europäischen Union
Die grauen Staaten auf der Weltkarte sind keine WTO-Mitglieder
Die grünen Staaten auf der Weltkarte sind zwar WTO-Mitglieder, unterhalten aber kein Freihandelsabkommen mit der EU
Die Staaten, die einen roten Punkt haben, unterhalten ein Freihandelsabkommen mit der EU
© World Trade Organization
Die grünen Staaten auf der Weltkarte sind zwar WTO-Mitglieder, unterhalten aber kein Freihandelsabkommen mit der EU
Die Staaten, die einen roten Punkt haben, unterhalten ein Freihandelsabkommen mit der EU
Quelle: WTO
EU-Abkommen erleichtern Marktzugang
Von diesen Abkommen können EU-Unternehmen direkt profitieren. Bei den einseitigen Handelsabkommen können Waren aus den jeweiligen Abkommensländern mit niedrigeren Zollsätzen als es die Meistbegünstigtenklausel der WTO vorgibt oder sogar zollfrei eingeführt werden. Dies stellt eine wirtschaftliche Entwicklungshilfe der Europäischen Union für die Abkommensländer (in der Regel Länder, die von der Weltbank als ein Entwicklungsland eingestuft werden) dar, mit denen die EU ein einseitiges Freihandelsabkommen abgeschlossen hat. Durch die niedrigeren Abgaben profitieren auch die europäischen Importeure – zumeist kommt dies auch dem letzten Glied in der Kette, den Endkunden zugute. Ein weiterer positiver Nebeneffekt dieser Abkommensformen ist der Zugang zu kostengünstigen Rohstoffen in Entwicklungsländern – eine der Strategien der Europäischen Union für Rohstoffsicherung. Des Weiteren ist diese Form in der Regel die Vorstufe für ein künftiges gegenseitiges Abkommen. Dieser Aspekt kann bei Entscheidungen für Tochtergesellschaften im Ausland berücksichtigt werden, wenn aus diesen Ländern der europäische Markt beliefert werden soll.
Bei den gegenseitigen Handelsabkommen können Waren mit günstigeren Zollsätzen gegenüber der gängigen WTO-Regelung oder sogar zollfrei im- und exportiert werden. Deshalb sind diese Abkommensländer grundsätzlich sowohl als Abnehmerland als auch als Lieferland sehr attraktiv – hier kann die Zollersparnis bei Vertragsverhandlungen der ausschlaggebende Erfolgsfaktor sein. Dies gilt auch bei Entscheidungen für Tochtergesellschaften im Ausland, insbesondere, wenn sie den europäischen Markt beliefern und/oder Produkte von dort beziehen wollen.
Allerdings müssen formell- und materiell-rechtliche Voraussetzungen eingehalten werden, damit die einseitigen oder gegenseitigen Abkommen in die Tat umgesetzt werden können. Folgende vier Grundregeln müssen bei der Anwendung der beidseitigen Abkommen eingehalten werden: Ursprungsbegründung der Ware auf dem Abkommensterritorium, Direktbeförderungsprinzip, Einhaltung der Zollrückvergütungsklausel sowie das Dokumentationsprinzip. Zu beachten ist hier, dass jedes Abkommen individuell zwischen den Vertragspartnern ausgehandelt wird. Dadurch bestehen Abweichungen zwischen den verschiedenen Freihandelsabkommen. Die Einzelheiten zu den Abweichungen können in der Datenbank Warenursprung und Präferenzen Online der deutschen Zollverwaltung eingesehen werden.
Die Europäische Union hat früh die strategische Bedeutung der Freihandelsabkommen für einen besseren Marktzutritt oder als Bezugsquelle erkannt. Einer der jüngsten Erfolgsbeispiele ist das Handelsabkommen zwischen der EU und Südkorea (offiziell Republik Korea), das zum 1. Juli 2011 zunächst vorläufig und mittlerweile endgültig in Kraft getreten ist. Seit der Einführung des Freihandelsabkommens haben sich die EU-Exporte um knapp 42 Prozent von 28 Milliarden Euro auf etwa 48 Milliarden EU gesteigert (Statistische Zahlen aus 2015). Die Importe aus Südkorea haben sich um rund sieben Prozent von 39 Milliarden auf 42 Milliarden Euro gesteigert. Das Freihandelsabkommen war mit großer Wahrscheinlichkeit von erheblicher Bedeutung für die Steigerung des Handelsvolumens.
Weitere wichtige Verhandlungen werden derzeit unter anderem mit Australien, Neuseeland, Malaysia und den Mercosur-Ländern geführt. Diese Strategie der EU kommt auch der stark exportorientierten deutschen Wirtschaft zugute. Deutschland lieferte in 2015 Waren im Wert von über 150 Milliarden Euro in Länder, mit denen ein gegenseitiges bilaterales oder multilaterales Handelsabkommen besteht - immerhin 30 Prozent der Gesamtausfuhren in Drittländer. Auf der Einfuhrseite belief sich die Bezugssumme auf knapp 130 Milliarden Euro – rund 40 Prozent der Gesamteinfuhren der Bundesrepublik Deutschland. Ob allerdings die Präferenzbehandlungen sowohl bei der Ein- als auch Ausfuhr ausgenutzt wurden, ist zweifelhaft. Denn: es besteht keine Hinweispflicht der beteiligten Zollbehörden – der Impuls zur Realisierung der Vorteilsregelung muss bei Vorliegen der Voraussetzungen von den beteiligten Unternehmen kommen.
Beispiel: EU-Südkorea Abkommen
Zum Beispiel kann eine Abschleifmaschine, die gemäß den Freihandelsabkommens-Kriterien innerhalb der EU hergestellt wurde, aus der EU mit einem Präferenznachweis (Ursprungserklärung auf einem Handelsdokument) zollfrei nach Südkorea geliefert werden. Ohne den Präferenznachweis wird für dieselbe Ware ein Zollsatz von 8 Prozent bei der Einfuhr in Südkorea erhoben. Umgekehrt könnte dieselbe Maschine mit einer Zollersparnis von über 2 Prozent aus Korea in die EU importiert werden. Grundsätzlich sind die Zollersparnisse auf der Ausfuhrseite (im Drittland) höher als auf der Einfuhrseite, da sich die Zollsätze der EU auf einem niedrigeren Niveau befinden als in den meisten Abkommensländern – prinzipiell sind die Vorteile für Exporteure größer. Allerdings gibt es Abweichungen. Zum Beispiel können jetzt Skischuhe mit Laufsohlen und Oberteile aus Kautschuk oder Kunststoff mit einem Präferenznachweis aus Korea zu einem Zollsatz von null Prozent bezogen werden. Der normale WTO- Abgabensatz liegt bei fast 8 Prozent.
Regionale Freihandelsabkommen eröffnen Chancen
Neben den Handelsabkommen der EU gibt es weltweit viele regionale Freihandelsabkommen, von denen EU-Unternehmen ebenfalls direkt profitieren können. Bei Produktionsstandortentscheidungen sollte das Kriterium der bereits existierenden oder geplanten Freihandelsabkommen des jeweiligen Drittlandes mit in die Entscheidungsfindung einfließen.
North American Free Trade Association
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465 Millionen Konsumenten
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Association of SouthEast Asian Nations
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625 Millionen Konsumenten
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Mercosur – Südamerika
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260 Millionen Konsumenten
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Bedeutende Freihandelszonen der Welt
Eine Freihandelszone wird bei der WTO als Vorläufer für eine Zollunion betrachtet. Der Unterschied zwischen einer Freihandelszone und einer Zollunion (wie die EU) liegt darin, dass bei einer Freihandelszone die Außenzölle der Mitglieder gegenüber Drittstaaten nicht angepasst werden. Bei einer Zollunion sind die Außenzölle der Mitglieder gegenüber Drittstaaten vereinheitlicht.
Hierdurch können sich Unternehmen erhebliche Vorteile gegenüber Konkurrenten verschaffen. Waren, die in den jeweiligen Abkommensländern hergestellt werden, können zollfrei, zu einem ermäßigten Zollsatz oder ohne Mengenbeschränkungen vermarktet werden. Durch zollrechtlich durchdachte Standortentscheidungen können Regionen sehr effektiv abgedeckt werden. Zum Beispiel ist es möglich durch einen relativ lohnkostengünstigen Produktionsstandort in Mexiko den gesamten Nordamerikanischen Markt (NAFTA) zu beliefern – immer unter der Voraussetzung der Einhaltung der jeweiligen Freihandelsregeln.
Allerdings ist es durch die Vielzahl der Abkommen nicht leicht, den Überblick über die Möglichkeiten der Handelserleichterungen auf dem globalen Terrain zu behalten. Die Welthandelsorganisation hat daher eine Datenbank zu den bestehenden bilateralen und regionalen Handelsabkommen jeden Landes sowie zu den Zollunionen der WTO-Mitglieder geschaffen. Mit Hilfe dieser Datenbank können die Handelsmöglichkeiten eines jeden einzelnen Landes durchgespielt werden. Die jeweiligen Abkommen (Spielregeln) stehen in englischer Sprache zum Download bereit. Die Datenbank ist kostenlos nutzbar und unter dem folgenden Link http://rtais.wto.org/UI/PublicMaintainRTAHome.aspx einsehbar.
Die Vielzahl der bi- und multilateralen Handelsabkommen, insbesondere die unterschiedliche Auslebung dieser machen einen kompletten Überblick über Handels- und Investitionsbedingungen weltweit sehr schwierig. Es lohnt sich allerdings die durch Abkommen eröffneten Spielräume bei anstehenden Entscheidungen gezielt auszuloten. Die IHK Düsseldorf steht für entsprechende Anfragen gerne zur Verfügung.
Letzte Änderung des Artikels: November 2024