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Produktionsansiedlung in der Ukraine – Lohnveredelung

– Merkblatt von Igor Dykunskyy, LL.M., DLF Rechtsanwälte Ukraine –

Einführung

An die Europäische Union angrenzend bietet die Ukraine gute Voraussetzungen für ausländische Unternehmen, die ihre Produkte auf Basis der Lohnveredelung herstellen und an ihre westlichen Kunden liefern möchten. Das Lohnveredelungszollregime der Ukraine wird seit vielen Jahren vor allem von Automobilzulieferern, Textilunternehmen sowie Haushaltsgeräte- und Möbelherstellern genutzt, auch während des Krieges.
Die Lohnveredelung in der Ukraine birgt viele Vorteile: einerseits dem ausländischen Auftraggeber durch moderate Kosten, andererseits der Ukraine durch Investitionen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und einem Beitrag zur Entwicklung von Industrie und Wirtschaft. Die Nutzung des Prozesses gestaltet sich zunehmend einfacher, da die ukrainischen Rechtsvorschriften an die europäischen Normen zunehmend angepasst werden.

Lohnveredelungsregime

Als zu veredelnde Rohstoffe gelten nach der ukrainischen Gesetzgebung solche Rohstoffe (Materialien, Halbfabrikate, Zubehör, Energieträger), welche sich im Eigentum eines ausländischen Auftraggebers befinden und zur Herstellung von Fertigprodukten an einen den ukrainischen Hersteller übergeben werden, mit anschließender Über- bzw. Rückgabe dieser Fertigprodukte.
Die Rohstoffe des Auftraggebers müssen in einer bestimmten Phase ihrer Veredelung mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten der Fertigprodukte ausmachen.
Das ukrainische Recht sieht vor, dass ausländische Waren im Lohnveredelungszollregime für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr vorübergehend eingeführt werden dürfen. Dabei wird die Frist vom Zoll je nach erforderlichem Veredelungsprozess individuell festgelegt. Die Frist beginnt mit dem Tag der Einfuhr in das ukrainische Zollgebiet. Die Waren sind von der Zahlung von Zollgebühren befreit, sofern die veredelten Produkte wieder ausgeführt werden.

Einschränkungen bei der Lohnveredelung

Im Rahmen von Lohnveredelungsprojekten dürfen weder Fleisch noch essbare Nebenprodukte eingeführt werden. Auch Kleidung und andere Gebrauchsgüter sind ausgenommen. Des Weiteren dürfen auch keine Waren eingeführt werden, bei deren Veredelung Schrott aus Schwarz- oder Buntmetalllegierungen oder Halbfertigprodukte entstehen.
Darüber hinaus ist es bei der Veredelung von ausländischen Waren nicht erlaubt, ukrainische Waren (außer Treibstoffe und Energie) zu verwenden, für welche ein Ausfuhrzoll gesetzlich vorgesehen ist.
Die ukrainische Regierung kann für manche Waren kurzfristig geänderte Bestimmungen festlegen. Es gelten aber die Bedingungen zum Zeitpunkt der Überführung der jeweiligen Waren in das Lohnveredelungsregime galten.

Bedingungen für den Einsatz des Lohnveredelungsregimes

Das Lohnveredelungsunternehmen muss bei den zuständigen ukrainischen Zollbehörden einen Antrag auf Bewilligung zur Lohnveredelung stellen, der innerhalb von 5 Werktagen bearbeitet wird. Vor der Erteilung der Bewilligung, also in der Regel bereits mit dem Antrag, muss das Lohnveredelungsunternehmen allerdings nachweisen, dass es über eine ausreichende Infrastruktur sowie technische Ausrüstungen, Produktions- und Lagerkapazitäten verfügt. Der Antragsteller kann auch mit Hilfe eines Vorabbescheides der Zollbehörde feststellen lassen, ob er die Anforderungen des besonderen Lohnveredelungszollregimes in der Ukraine erfüllt.
Bei der Beantragung ist unter anderem ein Lohnveredelungsvertrag vorzulegen, in dem die technologischen Schemata zur Lohnveredelung sowie der Umfang und die Dauer der auszuführenden Arbeiten sowie der Veredelungszeitplan mit Angaben zu allen Veredelungsschritten enthalten sein müssen. Letzteres gilt nicht für die Instandsetzung von Waren. Die Anzahl der zulässigen Veredelungsvorgänge ist nicht begrenzt.
Alle in das ukrainische Zollgebiet einzuführenden Waren und alle im Lohnveredelungsregime hergestellten Produkte unterliegen der zollamtlichen Überwachung. Unter anderem wird überprüft, ob die Ausbringungsmenge der veredelten Produkten mit der im Lohnveredelungsvertrag festgelegten Menge übereinstimmt. Bei komplexen Veredelungsvorgängen können auch Experten hinzugezogen werden.

Empfehlungen zu den Bedingungen von Lohnveredelungsverträgen

Nach ukrainischem Recht gehört das Eigentum an den veredelten Gegenständen dem Eigentümer des Rohstoffes, sofern nicht durch gesonderte Gesetzes- oder Vertragsbestimmungen etwas anderes bestimmt wird. Wenn allerdings die Kosten für die Veredelung die Materialkosten sehr stark übersteigen, kann das Eigentum an der neuen Sache durch diejenige Person erworben werden, welche die Veredelung vorgenommen hat.
Nach ukrainischem Recht entsteht das Eigentumsrecht des Auftraggebers am Fertigprodukt in der Regel mit der Übergabe des Produkts, entweder direkt an den Auftraggeber, oder an eine von diesem beauftragte Spedition oder sonstigen Transporteur, sofern in den Lieferbedingungen nichts anderes festgelegt wird.
Dementsprechend ist es bei der Ausarbeitung von Lohnveredelungsverträgen notwendig, die Lieferbedingungen, den Zeitpunkt der Eigentumsübertragung sowie das rechtliche Regime für die Rohstoffe und die Fertigprodukte in jeder Phase eindeutig zu bestimmen.
Darüber hinaus müssen alternative Mechanismen für die Übertragung des Eigentums für den Fall vorgesehen werden, dass der ukrainische Auftragnehmer die erforderliche Dokumentation nicht unterzeichnen kann oder dass er sich weigert, dies zu tun. Ebenso sollte für den Fall ein Verfahren geregelt werden, dass Abweichungen in Bezug auf Qualität bzw. Quantität des Produkts festgestellt werden.
Die Parteien des Lohnveredelungsvertrags sollten zudem das Eigentumsrecht und die Verantwortung für die ordnungsgemäße Registrierung und/oder Entsorgung von Veredelungsabfällen bzw. -rückständen regeln.
Ferner ist zu bedenken, dass es aufgrund des Kriegszustands in der Ukraine kompliziert sein kann, grenzüberschreitende Zahlungen abzuwickeln, was zu Zahlungsverzögerungen führen kann. Dies gilt insbesondere für Zahlungen von frei konvertierbarer Währung vom ukrainischen Territorium aus. Daher empfiehlt es sich, dies ggf. bei der Vertragserstellung zu berücksichtigen.
Allerdings ist es gesetzlich vorgesehen, dass der Auftraggeber einen Teil der Rohstoffe, der Rückstände und sonstiger Güter mit wirtschaftlichem Wert, zur Bezahlung von Veredelungsdienstleistungen verwenden kann. Dies kann das Währungsrisiko reduzieren. Es muss jedoch bedacht werden, dass dann die Verpflichtung besteht, den Zollstatus dieser Rohstoffe zu ändern und die entsprechenden Zollgebühren und Steuern in der Ukraine zu entrichten.

Zollabfertigung

Nach ukrainischem Recht kann nur der ukrainische Empfänger der Rohstoffe für die Zollabfertigung verantwortlich sein und er muss daher die Zollabfertigung in der Ukraine veranlassen. Die Zollabfertigung kann entweder vom ukrainischen Unternehmen selbst durchgeführt werden, etwa durch entsprechenden Fachmann im Unternehmen, oder ein externer Zollagent wird als sein Vertreter mit der Zollabfertigung gegen Entgelt betraut.
Es ist auch möglich, Waren für den freien Verkehr auf dem ukrainischen Territorium zu veredeln. Hierzu muss das veredelte Produkt aber in das Importregime, das heißt in den freien Verkehr unter Bezahlung der Abgaben übergeführt werden. Ein solcher Vorgang ist jedoch nur unter der Voraussetzung möglich, dass die zuständige Zollbehörde sicherstellen kann, dass die veredelten Produkte gerade aus diesen Waren gewonnen wurden und dass die Waren nach deren Veredelung nicht kostengünstig in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden können.

Gleichwertige Waren

Es können Situationen entstehen, in welchen die Veredelung von Waren aufgrund einer Verzögerung bei der Lieferung einiger zur Veredelung notwendiger Komponenten aufgeschoben wird. Dieses Problem kann jedoch durch die Verwendung von Ersatzwaren gelöst werden, die in ihren Merkmalen mit den ausländischen Waren äquivalent sind. Dabei gelten die durch die Veredelung von gleichwertigen Waren. Die so entstandenen Produkte gelten als Produkte aus der Veredelung von ausländischen Waren.

Abfälle und Rückstände

Bei der Veredelung können Abfälle oder Rückstände entstehen.
Diese Abfälle lassen sich in zwei Kategorien einteilen:
  • Waren mit einem wirtschaftlichen Wert;
  • wertlose Abfälle beziehungsweise Rückstände.
Abfälle oder Rückstände, die einen wirtschaftlichen Wert haben und/oder entsorgt werden können, müssen in diesem Zustand vor Ablauf der Frist für die Veredelung in das entsprechende Zollregime überführt werden. Auf Antrag des Zollanmelders können solche Abfälle oder Rückstände unter einem Warencode deklariert werden, der dem höchsten Zollgebührensatz eWenn in der angegebenen Rückstandspartie einzelne Waren enthalten sind, auf die gesetzlich vorgeschriebene nichttarifäre Regulierungsmaßnahmen anzuwenden sind, entbindet diese Art der Zollanmeldung nicht von der Einhaltung dieser Maßnahmen.
Sofern die Abfälle keinen wirtschaftlichen Wert haben, müssen sie, mit Zustimmung der zuständigen Zollbehörde und gemäß den geltenden ukrainischen Rechtsvorschriften, vor Ablauf der Frist für die Veredelung der Waren vernichtet werden.
Autor und Kontakt:
Igor Dykunskyy, LL.M.,
DLF Rechtsanwälte Ukraine

E-Mail: Igor.Dykunskyy@DLF.ua
Telefon: +380 44 384 24 54
Webseite: https://dlf.ua/de
Hinweis: Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer Kammer – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand: Oktober 2023