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IT-Projekte in Indien erfolgreich abwickeln

Aufgrund des Fachkräftemangels in Deutschland sind immer mehr Unternehmen gezwungen und auch bereit, im Ausland nach geeigneten Ressourcen zu suchen.
Mit einem Anteil von rund 50 Prozent am Weltmarkt ist Indien das weltweit größte Beschaffungsland für die IT-Industrie. Insgesamt trägt die IT-Industrie mit 45 Prozent am meisten zum gesamten Dienstleistungsexport Indiens bei.
Rund 5,9 Prozent dieser Ausfuhren hatten Deutschland zum Ziel.
Mit fünf Millionen direkten Arbeitsplätzen ist der IT-Sektor der größte private Arbeitgeber in Indien. Indische IT-Spezialisten und deren Arbeit genießen in Deutschland und der Welt einen guten Ruf.
Aber egal, ob die Zusammenarbeit mit einem Freelancer geplant ist oder die Zusammenarbeit mit einem indischen IT-Unternehmen – erfolgreiche Projekte zeichnen sich durch eine gute Vorbereitung und Steuerung aus.
Gerade für KMUs ist das ein großer Aufwand, der auch mit Risiken verbunden ist.
Wir sprachen mit Jörg Strothmann, Geschäftsführer von DevRiseUp UG aus Meerbusch, was bei Softwareprojekten in Indien zu beachten ist.
Jörg Strothmann hat als CTO jahrzehntelang Softwareprojekte verantwortet und betreut. Aus eigener Erfahrung weiß er, wie mühsam es ist, einerseits den Termindruck zu spüren, andererseits das begrenzte Budget und gleichzeitig zu wenig Personal für die vielen Projekte zu haben.
Aus langjähriger Erfahrung wissen Sie, dass es heutzutage sehr anspruchsvoll ist, Softwareprojekte innerhalb von Zeit- und Budgetvorgaben umzusetzen, noch dazu im Ausland.

1. Was versteht man überhaupt unter Outsourcing und Offshoring?
Das sind zwei Begriffe, die oft für dasselbe verwendet werden, aber unterschiedliche Bedeutung haben.
Outsourcing bezeichnet die Praxis, bestimmte Geschäftsprozesse oder Dienstleistungen externe Dienstleister zu vergeben. Diese Dienstleister sind in der Regel im Ausland (Nearshore oder Offshore Outsourcing) ansässig.
Der Hauptfokus liegt darauf, spezifische Aufgaben an Experten auszulagern, um interne Ressourcen zu entlasten und sich auf die Kernkompetenzen des Unternehmens zu konzentrieren.
Offshoring bezieht sich auf die Verlagerung von Geschäftsprozessen oder Dienstleistungen in ein anderes Land, oft in Regionen mit niedrigeren Lohnkosten. Dies kann entweder durch den Aufbau eigener Niederlassungen im Ausland oder durch die Zusammenarbeit mit lokalen Dienstleistern erfolgen.
2. Wie fange ich nun so ein Projekt überhaupt an, wenn ich mich entschieden habe, IT-Projekte outzusourcen?
Wie finde ich den richtigen Partner für mein Projekt im Ausland?
Es empfiehlt sich einen Partner zu suchen, der umfangreiche Erfahrungen im Bereich Outsourcing und Offshoring hat. Der Partner sollte zum Unternehmen passen und ein technisches Grundverständnis für das umzusetzende Projekt mitbringen. Ein guter Partner will das auszulagernde Projekt im Detail verstehen. Er schreibt zusammen mit dem KMU ein belastbares Lastenheft. Auf Basis dieses Lastenheftes sucht der Partner in seinem Netzwerk nach dem passenden Dienstleister im Ausland und übernimmt auch Verantwortung für das Outsourcing-Projekt – ohne Wenn und Aber!
3. Gibt es Branchen, für die sich so ein Thema gut eignet?
Was sollte ich auf keinen Fall ins Ausland verlagern?
Am Anfang sollte immer die Frage stehen, was sich gut outsourcen lässt. Gerade das erste Projekt sollte vom Umfang überschaubar sein.
Software-Projekte lassen sich in der Regel sehr gut outsourcen.
Projekte, die die Kernkompetenzen oder sicherheitsrelevante Informationen oder Technologien eines Unternehmens betreffen, sollten am Anfang nicht ausgelagert werden. In Deutschland gelten strenge Datenschutzgesetze, insbesondere mit der Datenschutz-Grundverordnung. Projekte, die sensible personenbezogene Daten verarbeiten, sollten nur mit Vorsicht ins Ausland ausgelagert werden, wenn die Rechtsvorschriften des Ziellandes nicht den deutschen Datenschutzanforderungen entsprechen.
4. Was sind die größten Herausforderungen in diesem Bereich?
Welche „Fehler“ werden oft gemacht?
Gibt es besondere Herausforderungen für KMU?
Für eine reibungslose Umsetzung ist eine Spezifikation des Projektes unerlässlich. In der gängigen Praxis wird eine Spezifikation oft nur halbherzig erstellt. Da hört man Argumente wie „Wir wissen doch wie das geht“; „Die Zeit können wir uns doch sparen“ und so weiter. Das führt in der Regel, auch bei firmeninterner Umsetzung, immer zu Missverständnissen, zu Projektverzögerungen und schlussendlich zu höheren Kosten.
5. Wie sollte so eine Spezifikation aussehen?
Mit einer umfassenden Spezifikation definiert man die Aufgabenstellung und Probleme werden frühzeitig sichtbar. In der Regel unterscheidet man bei der Spezifikation zwischen dem Lastenheft und dem Pflichtenheft.

Das Lastenheft schreiben wir zum Beispiel mit dem Kunden und das Pflichtenheft das ausführende Unternehmen im Ausland.
Dann legen wir beides übereinander.

Damit stellen wir sicher, dass der Auftragnehmer im Ausland die Aufgabe vollumfänglich verstanden hat.
6. Wem gehört denn eigentlich die Software nach einem erfolgten Projekt?
Es hängt davon ab, ob das KMU einen Werkvertrag oder einen Dienstvertrag abschließt oder lediglich Lizenzen zur Nutzung der Software erwirbt.
Die Eigentumsverhältnisse sollten in dem Vertrag explizit geregelt sein.
Es sollte dafür gesorgt werden, dass das geistige Eigentum nach der Fertigstellung und Übergabe der Software in die Eigentumsrechte des Auftraggebers übergeht.
7. Wie erfolgt in der Regel eine Qualitätssicherung?
Das intensive Testen der Software stellt die Qualität des Softwareproduktes sicher. Es sorgt dafür potenzielle Fehler zu identifizieren, die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern und die Zuverlässigkeit der Anwendung zu gewährleisten. Eine qualitativ hochwertige Software macht das Projekt erfolgreich. Die Tester der Partnerfirmen sollten Teil der Scrum-Teams sein und testen schon in der Entwicklungsphase mit.
Die Tests werden automatisiert und sichern so von Anfang an eine hohe Qualität.
Am Projektende sollte ein externes, unabhängiges Code-Review erfolgen.
Es trägt zur Qualitätssicherung, Fehlererkennung, Optimierung und Einhaltung von Standards bei und bietet eine objektive und neutrale Perspektive. Ebenso wichtig ist ein externer, unabhängiger Cyber-Security Test bei ausgelagerten Softwareprojekten nach Offshore. Er schützt sensible Daten, identifiziert Sicherheitslücken, stellt die Einhaltung von Sicherheitsstandards sicher und schützt vor Cyberangriffen.
Wir arbeiten hier mit unabhängigen und zertifizierten Unternehmen zusammen, die solche Prüfungen durchführen.
8. Und mit welchen Kosten sollte ich ungefähr rechnen?
Die Kosten hängen natürlich vom Projektumfang ab.
Wichtig ist aber das Abrechnungsmodell festzulegen. Die gängigsten Modelle sind die Abrechnung nach Aufwand und das Festpreisangebot.
Die Abrechnung nach Aufwand ist ein häufig verwendetes Modell in der Softwareentwicklung. Hierbei wird entsprechend der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und Ressourcen abgerechnet. Dies bietet eine hohe Flexibilität, da Änderungen während des Projekts leicht berücksichtigt werden können.
Bei einem Festpreisangebot hat der Kunde von Anfang an eine klare Vorstellung von den Projektkosten. Der Preis wird im Voraus festgelegt und bleibt unabhängig von Änderungen des Projektumfangs oder -aufwands konstant. Dies ermöglicht dem Auftraggeber eine genaue Budgetplanung und minimiert finanzielle Risiken.
Ihr Fazit?
Outsourcing ist eine sehr effiziente Möglichkeit, Betriebskosten zu senken, Ressourcen freizusetzen und dennoch qualitativ hochwertige Ergebnisse zu erzielen. Es ist aber kein Selbstläufer, dass Outsourcing-Projekte reibungslos ablaufen und Ihre Anforderungen erfüllt werden.
Herr Strothmann, ich danke für das Gespräch.
Das Gespräch führte Katrin Lange, Referentin Internationale Märkte und Trends, IHK Düsseldorf.
Stand: September 2024