Maschinen lernen fühlen
Effizienter arbeiten, Ausfälle vermeiden und Ressourcen schonen – dazu muss man auch die Kräfte kennen, die tatsächlich in Maschinen wirken. Das Darmstädter Start-up Core Sensing hat dafür einen intelligenten Sensor entwickelt.
Autor: Stephan Köhnlein, 1. November 2023
Wenn Maschinen fühlen könnten, wäre auch für die Menschen manches einfacher. Die Maschinen könnten ihren Benutzern zum Beispiel mitteilen, dass sie besser behandelt werden müssen, damit sie eine längere Lebenszeit haben oder weniger Energie verbrauchen. Zwar können auch heute schon Daten aus einer Maschine erhoben werden. Das geschieht jedoch meist über Umwege wie die Messung von Schwingungen, Temperatur oder Geräuschpegel. Welche Kräfte genau in den Maschinen wirken und welche Auswirkungen diese haben, bleibt dabei häufig im Dunklen.
Genau hier setzt das Darmstädter Start-up Core Sensing an: Das junge Team hat einen Kraft- und Drehmomentsensor entwickelt, mit dem Maschinenelemente zu smarten Sensoren werden und Daten übermitteln, die Zustandsüberwachung, Prozessoptimierung und eine vorausschauende Instandhaltung – auch „Predictive Maintenance“ genannt – erleichtern.
Die Idee dazu entstand 2017 an der Technische Universität (TU) Darmstadt. Dort promovierte Martin Krech nach seinem Maschinenbaustudium im Fachgebiet Sensorintegration. Das Thema erwies sich als vielversprechend und erste Patente wurden angemeldet. „In dieser frühen Phase hat mich mein Bruder angehauen, ob ich Interesse hätte, daraus einen ‚Exist‘-Forschungstransfer zu machen“, erinnert sich Simon Krech. Der studierte Betriebswirtschaftler arbeitete zu diesem Zeitpunkt für ein großes Einzelhandelsunternehmen. Obwohl er einen sicheren Job hatte und Gehaltseinschnitte in Kauf nehmen musste, sagte er seinem Bruder zu. „Ich wollte etwas Neues machen, mich einer Herausforderung stellen, um daran zu wachsen, und mehr Gestaltungsspielraum haben.“
Von der wissenschaftlichen Forschung in die unternehmerische Praxis
Bei „Exist“ handelt es sich um ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, mit dem herausragende Forschungsprojekte in die Wirtschaft überführt werden sollen. So begannen die beiden Brüder, ein Team zusammenzustellen, Messen zu besuchen und den Förderantrag zu stellen. Doch der wurde im ersten Anlauf abgelehnt. Die Begründung: Das Gründerteam sei nicht breit genug aufgestellt.
Den Einwand konnte Simon Krech nachvollziehen: „Die Förderträger wollen keine Verlängerung der Forschung und achten deswegen sehr genau darauf, dass in solchen Projekten nicht nur die Tekkies unter sich sind.“ Bei allem technischen Sachverstand fehle es dann häufig an kaufmännischem Know-how und anderen übergreifenden Sichtweisen.
Die Brüder holten sich Markus Hessinger und Arthur Buchta als Mitstreiter dazu. „Damit hatten wir zwei Leute, die aus der Promotion in die Gründung kamen, und zwei aus der freien Wirtschaft“, sagt Simon Krech. „Zudem hatten wir die Fachbereiche Maschinenbau, Elektrotechnik, Mechatronik und BWL abgedeckt. Das ist schon eine starke Kombination.“ Dieses Führungsteam ist bis heute so zusammen. Im November 2018 ging es in Vollzeit los, im Januar 2019 wurde dann Core Sensing als GmbH gegründet. Ende 2019 entstand der Kontakt zum ersten Gesellschafter.
Das Besondere an den Kraft- und Drehmoment-Sensoren von Core Sensing ist, dass sie Messgrößen liefern, die mit herkömmlichen Verfahren sehr schwer zu erreichen und teuer sind. Simon Krech erklärt: „Mit unserer Technologie integrieren wir Sensoren in Bauteile. Dadurch werden diese Teile selbst zum Sensor. Das drückt auch unser Motto aus: ‚Teaching machines how to feel‘.“
Zudem habe man um die mobilen, kabellosen Sensoren herum eine Infrastruktur aufgebaut, um die Messdaten nutzbar zu machen. Das habe es so bislang nicht gegeben. „Unsere Messgrößen sind relativ einfach und logisch zu interpretieren. Das machen wir direkt im Sensor“, erklärt Simon Krech. „Wir sagen nicht nur ‚Die Kurve steigt‘, sondern ‚Die Maschine arbeitet in einem kritischen Bereich und muss abgeschaltet werden, weil sie sonst kaputt geht‘.“
Bislang unsichtbare Messgrößen sichtbar machen
Eingesetzt werden kann die Technik überall da, wo mechanische Bauteile Kräfte und Lasten ausgesetzt sind. Der aktuelle Schwerpunkt liegt im Maschinenbau und ist dort in den Anwendungen breit gefächert. Kunden sind sowohl Anwender wie auch Hersteller von Maschinen sowie Komponentenbauer. Im Maschinenbau gebe es bei der Digitalisierung gerade mit Blick auf die Prozesseffizienz noch Nachholbedarf.
„Viele Prozesse sind noch immer eine Blackbox, in die man vorne etwas reinkippt und hinten etwas herauskommt“, sagt Simon Krech. Mit der Technik von Core Sensing könnten bislang unsichtbare Größen sichtbar gemacht, Einsparpotenziale aufzeigt und die Effizienz von Maschinen gesteigert werden. „Alles, was dazu führt, Ressourcen zu schonen und Werterhalt zu betreiben, ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit.“
Die Kraft- und Drehmoment-Sensoren von Core Sensing liefern Daten, die bislang unsichtbare Messgrößen sichtbar machen und dabei helfen, die Prozesseffizienz zu erhöhen, Ressourcen zu schonen und Werterhalt zu steigern.
© IHK Darmstadt / Klaus Mai
Zudem könnten die Komponenten eine Falschbenutzung anzeigen. Das sei gerade für digitale „Pay-per-Use“-Geschäftsmodelle interessant. „Denn die Anzahl der Betriebsstunden ist kein Ansatzpunkt für den Zustand der Maschinen. Ich kann innerhalb von wenigen Stunden ein Gerät zu Schaden bringen“, sagt Simon Krech. „Doch wenn ich eine gute Behandlung messen kann, kann ich auch Belohnungsanreize setzen und das Gerät in diesem Fall günstiger machen.“
Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Lieferprobleme gerade bei Elektronikbauteilen– all das war bei der Gründung von Core Sensing nicht absehbar. „Im Moment verzögert sich vieles“, erzählt Simon Krech. In einigen größeren Unternehmen erlebe er, dass die Innovationsbereitschaft gesunken sei. Andere Erfahrungen macht er dagegen bei vielen KMU: „Hier ist weiterhin viel Drive vorhanden.“
Insgesamt läuft es sehr gut für Core Sensing. Gerade hat man erfolgreich eine weitere Finanzierungsrunde abgeschlossen. Das Unternehmen wächst. Ein Umzug in ein größeres Gebäude steht an. Die Zahl der Mitarbeiter soll von derzeit rund 30 bis Ende 2023 verdoppelt werden. Im Jahr 2024 wolle man die Profitabilität erreichen, allgemein soll der Umsatz in den kommenden Jahren vervielfacht werden. Selbst wenn Simon Krech bei der Gründung die Probleme vorausgesehen hätte, ist er sicher: „Ich hätte es sofort wieder gemacht.“
Anderen Gründern rät er, sich möglichst viel Feedback von außen zu holen. „Egal, ob bei der IHK, Hessen Trade & Invest oder im Gründerprogramm ‚Highest‘ der TU Darmstadt: Es gibt genug Leute, die einem helfen, und sehr gute Netzwerke, die Gründungen und Gründergeist voranbringen wollen.“ Zudem sollten Gründer nicht zu viel akademisieren, sondern schnell sein und Dinge einfach mal ausprobieren, wenn das Risiko überschaubar sei – und dabei auch mal in Kauf nehmen, dass etwas nicht auf Anhieb funktioniert.
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