Sozialer Treffpunkt

Neues Leben für eine alte Mühle

Die Lebensmittel kommen aus der Region, der Strom wird aus Wasser und Sonne produziert, ein denkmalgeschütztes Gebäude erstrahlt in neuem Glanz und wird zum festen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens im Ort: Thomas Winter zeigt mit der Langfeldsmühle in Hergershausen, an welchen Stellschrauben Gastronomen drehen können, um zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen. Dabei hatte er ursprünglich gar nicht vor, ein Gasthaus zu eröffnen.
Autor: Stephan Köhnlein, 4. Dezember 2023
Im Kamin der rustikalen Gaststube knistert das Feuer. Nicht ohne Stolz zeigt Thomas Winter, wo sich in dem Gebäude einst der Kuh-, Pferde und Schweinestall befunden haben und heute rund 70 Gäste Platz finden. Hinzu kommen im Sommer noch zwei Biergärten auf dem Gelände. Im Jahr 2007 hatte er die Langfeldsmühle im Babenhäuser Ortsteil Hergershausen gekauft. „Seitdem bin ich hier am Wursteln und Werkeln“, sagt er schmunzelnd.
Dass er einmal Gastronom werden würde, hatte sich Thomas Winter damals nicht träumen lassen. Nach seiner Ausbildung zum Drucker arbeitete er zunächst mehrere Jahre in diesem Beruf. Später kaufte er dann zusammen mit seinem Vater Immobilien und setzte diese in Stand. Von dem 1692 erbauten Anwesen mit Mühle, Wirtschaftshaus und Scheune wohnte er gerade 300 Meter Luftlinie entfernt, als er hörte, dass es zum Verkauf stand. „Die Mühle stand leer, war in einem schlechten Zustand. Ich wollte hier nach der Sanierung eigentlich Wohnungen reinmachen“, sagt er.
Dann sei die Idee für ein kleines Café gekommen. Denn die Mühle liegt an einem beliebten Radweg. „Ich habe mich an einem Sonntag mal mit einem Block und einem Stift auf eine Bank gesetzt und Striche gemacht, wie viele Menschen hier vorbeikommen. Da habe ich dann schnell gesehen, dass das interessant werden könnte“, erinnert sich Thomas Winter.

Kurzer Schock bei der Eröffnung

Er ließ sich beraten und holte die entsprechenden Genehmigungen ein, was nicht einfach war. Schließlich kam der Tag der Eröffnung. „Ich stand hinter dem Tresen und war ziemlich blauäugig, weil ich eigentlich von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte“, räumt er ein. „Um 11 Uhr haben wir das Geöffnet-Schild rausgestellt, um 13 Uhr war alles voll und am Abend habe ich völlig geschafft gesagt: Wir machen den Laden wieder zu.“
Doch es kam anders. Thomas Winter holte Fachpersonal dazu und wuchs mit Augenmaß. Mittlerweile arbeiten jeweils zwei Festangestellte in Küche und im Service. Hinzu kommen zwölf bis 15 Teilzeitkräfte. Eigentlich ist er personell gut aufgestellt. Trotzdem steht im Fenster ein Schild, dass Servicekräfte gesucht werden. Man sei immer auf der Suche nach guten Leuten. „Ich bin fair und ehrlich zu meinen Angestellten. Es soll ihnen gut gehen.“
Vor vier Jahren erweiterte er die Mühle um einen Anbau, weil der ursprüngliche Gastraum im Winter zu klein war, um auf Dauer kostendeckend zu arbeiten. Im Frühjahr 2023 kam eine Solaranlage auf dem Dach der Scheune dazu. Bei den Erweiterungen hat er stets positive Erfahrungen mit der für den Denkmalschutz zuständigen Behörde gemacht, die ihm nie Steine in den Weg gelegt hat. „Denen hat es wohl auch gefallen, dass die Mühle zu neuem Leben erweckt wurde“, glaubt Thomas Winter.

Wasserturbine läuft seit über 60 Jahren

Eine weitere Solaranlage ist geplant. Doch der Strom kommt nicht nur von der Sonne, sondern auch von der Wasserturbine, die das einstige Mühlrad ersetzte. Die ist mittlerweile seit über 60 Jahren in Betrieb, läuft immer noch mit dem ersten Lager. Bis zu 70 Prozent ihres Strombedarfs deckt die Langfeldsmühle so mittlerweile selbst. Fossile Brennstoffe kommen so gut wie gar nicht mehr zum Einsatz, lediglich in der Küche wird mit Gas aus Kartuschen gekocht.
Bei den Lebensmitteln setzt Thomas Winter auf lokale Waren. Vom Metzger seines Vertrauens bezieht er das Fleisch aus der Region. Sein Gemüse kommt von einem Bauern im nahegelegenen Münster. Dabei schätzt er auch die kurze und verlässliche Lieferkette: „Wenn ich den anrufe und sage, ich brauche kurzfristig noch zwei Steigen Salat, dann bekomme ich die auch“, erklärt er.
Bier und Mineralwasser kommen aus dem Odenwald, der Apfelwein stammt selbstverständlich von einem lokalen Anbieter und den Wein bezieht er überwiegend aus Rheinhessen. „Das ist ein älteres Ehepaar, das sich eigentlich schon zur Ruhe gesetzt hat. Aber mir bringen sie den Wein noch persönlich vorbei.“

Auf einen Handkäs und einen Apfelwein

Natürlich trifft die Inflation auch die Langfeldsmühle. Doch der Gastronom achtet darauf, dass es auch weiterhin günstige Gerichte gibt. „Wir sind auf das ländliche Publikum ausgerichtet. Wir wollen, dass auch Leute mit weniger Geld weiter zu uns kommen, die dann nur einen Handkäs und einen Apfelwein bestellen“, sagt er. Denn Thomas Winter sieht sein Gasthaus auch als Anlaufpunkt für das soziale Leben im Ort. So seien Kartenspieler und Würfler ebenfalls willkommen. „Solche Orte werden doch immer seltener und müssen erhalten werden.“
Auch sonst engagiert sich Thomas Winter sozial, unterstützt Sportvereine im Ort – wenn auch nicht in allen Belangen. „Als Vereinsverantwortliche mich mal gebeten haben, dass ich einen Spieler bezahle, habe ich abgelehnt“, stellt er klar. Das sei nicht sein Ansatz. Aber wenn es beispielsweise darum gehe, Jugendspieler mit einem Satz Trikots zu unterstützen, sei er dabei. Denn das Vereinsleben mit seinem Teamgedanken und einer gewissen Disziplin und Verlässlichkeit habe positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Heranwachsenden. „Die Kinder und Jugendliche bekommen dort einen Weg gezeigt und davon gibt es im ländlichen Raum nicht so viele Angebote. Das kann man nur unterstützen und auch damit die Gemeinschaft vor Ort fördern.“

Ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit

Die Langfeldsmühle trägt unter anderem zur Erreichung der folgenden SDGs bei:
Zukunftsmut: Ideen für mehr Nachhaltigkeit
Von der Chancengleichheit am Arbeitsplatz über ressourcenschonende, umweltfreundliche Produktion, neue Geschäftsideen, die Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen präsentieren, bis hin zu Sponsoring von Sportvereinen, Kultureinrichtungen und mehr: Unternehmerische Verantwortung hat viele Facetten. In dieser Artikelserie stellen wir Ihnen Good-Practices in Sachen ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit aus der Region Rhein-Main-Neckar und darüber hinaus vor, die beweisen, warum wir auch in Zeiten multipler Krisen mehr Optimismus wagen sollten.

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Matthias Voigt
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: IHK-Magazin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit