HIGHEST START-UP

„Fünf Leiter verschiedener Unternehmen haben uns ihre wertvolle Zeit gewidmet“

Die „HIGHEST“-Gründungsberatung der TU Darmstadt und die Gründungsberatung der IHK Darmstadt ermöglichen es Gründungswilligen, sich in einem mehrstufigen Prozess das Qualitätslabel „HIGHEST Start-up“ zu verdienen. Dieses bestätigt das überdurchschnittliche Potenzial des Gründungsvorhabens, was es den Start-ups erleichtert, Risikokapitalgeber von ihrer Geschäftsidee zu überzeugen. Maik Schwarz hat zusammen mit den beiden anderen Gründern Jonathan Meier und Patrick Biermann und ihrem Unternehmen Industry List den Prozess durchlaufen und berichtet von seinen Erfahrungen.
Autor: Stephan Köhnlein, 17. Februar 2022
IHK: Herr Schwarz, Sie haben sich mit Ihrer Geschäftsidee für das Programm „HIGHEST Start-up“ der TU Darmstadt beworben. Worum ging es dabei genau und wie kamen Sie darauf?
Maik Schwarz: Die ursprüngliche Idee stammt von Patrick Biermann, der Angewandte Mechanik an der TU Darmstadt studiert hat. Mit Jonathan Meier, der an der Hochschule Darmstadt Industriedesign studiert hat, war er Produktentwickler bei einem Leuchtenunternehmen. Bei dieser Arbeit war die Suche nach Lieferanten ein ständiges Thema, das viel Zeit gekostet hat. So entstand die Idee, eine B2B-Cloud-Plattform für Produktentwickler und Einkäufer zu entwickeln, die ihnen dabei helfen sollte, über ein Lieferantenregister schnell, einfach und unkompliziert Fertigungsbetriebe und Lohnfertiger finden und verwalten zu können. Ich selbst stieß im Jahr 2017 dazu. Während meines Studiums der Ethnologie hatte ich bei der Lufthansa gearbeitet und dort Patrick kennengelernt. Über den Quereinstieg bei der Lufthansa kam ich zum Business Development, bin zudem Scrum Master und Scrum Product Owner. Mit diesem Hintergrund habe ich in unser neues Unternehmen nochmals eine etwas andere Sichtweise einbringen können.
IHK: Wie sind Sie auf das Projekt „HIGHEST Start-up“ der IHK Darmstadt und der TU Darmstadt aufmerksam geworden und wie lief dann der Prozess ab?
Maik Schwarz: Patrick kannte als ehemaliger Student der TU das „HIGHEST Start-up“-Programm und hat den ersten Kontakt hergestellt. Wir hatten 2018 bereits das EXIST-Gründerstipendium erhalten und konnten mit den einzureichenden Unterlagen darauf aufbauen. Sehr geholfen hat uns, dass wir schon relativ früh Kontakt mit der IHK Darmstadt bekamen, die unter anderem mit uns das Geschäftsmodell geprüft und uns dabei geholfen hat, einen Business- und Finanzplan aufzustellen. Eine der wertvollsten Erfahrungen für die Investment- und Marktreife, die uns „HIGHEST Start-up“ ermöglicht hat, war dann das Feedback von Branchenexperten aus unseren Zielmärkten. Fünf Leiter verschiedener Industrieunternehmen haben sich für uns Zeit genommen. Wir durften ihnen unsere Geschäftsidee präsentieren und sie gaben uns Feedback zu Marketing, Vertrieb sowie zu unserem Geschäftsmodell. Das Gespräch war für eine Stunde angesetzt, ging aber dann drei Stunden. Das war unbezahlbar. Hinzu kam, dass die Gruppe der Leiter sehr heterogen war und wir so ganz unterschiedliche Perspektiven erhalten haben.
IHK: Was haben Sie konkret aus dem Feedback mit den Branchenexperten aus Ihren Zielmärkten mitgenommen? Welcher Rat hat Sie nachhaltig geprägt, den Sie auch anderen Gründern gern weitergeben würden?
Maik Schwarz: Ganz allgemein braucht man als junges Unternehmen einen erfahrenen Partner an seiner Seite. Da sollte man sich nicht scheuen, Feedback einzuholen. Ich bin der festen Überzeugung, dass man sich nur so weiterentwickeln kann. In dem Gespräch mit den Experten hatten wir auch nie das Gefühl, dass wir wirklich auf dem Prüfstand stehen. Ob wir das HIGHEST-Siegel bekommen, trat da zwischenzeitlich in den Hintergrund. Es ging vielmehr darum, wie wir konkret weitermachen und zum Beispiel unsere Idee monetarisieren können. Wir hatten schon davor an einigen Acceleratoren teilgenommen. Da bekommt man auch Unterstützung von Experten und Coaches. Die sind oft aber nicht so sehr in unserer Branche involviert, die relativ traditionell ist. Umso wichtiger ist es, dass wir den Rat von Branchenexperten bekommen haben. Diese spezifische Unterstützung fehlt aus meiner Sicht noch etwas in der Start-up-Szene.
IHK: Corona hat dem üblichen Programmablauf leider einen Strich durch die Rechnung gemacht – ihr Geschäftsmodell konnten Sie damals nicht mehr wie geplant einer Jury aus Förderern und potenziellen Geldgebern vorstellen können. Wo steht Ihr Start-up heute?
Maik Schwarz: Es ist richtig, dass wir den Prozess nicht wie vorgesehen abschließen konnten. Dennoch haben wir viele hilfreiche Tipps im Prozessverlauf von allen Beteiligten erhalten, die wir direkt anwenden konnten. Heute ist unser Start-up unter dem Namen Industry List nach einer erfolgreichen Beta-Phase live. Besonders stolz sind wir auf den umfangreichen Suchfilter der Plattform, der über 550 Auswahloptionen umfasst und eine schnelle und effiziente Suche ermöglicht. Detaillierte und übersichtliche Profile der gelisteten Fertigungsbetriebe und Lohnfertiger zeigen auf einen Blick den Leistungsumfang wie beispielsweise Material, Fertigungsverfahren oder Stückzahlen. Sie ermöglichen eine unkomplizierte Kommunikation zwischen Auftraggeber und Kunde und verhelfen Produktentwicklern und Einkäufern zu einer schnellen Entscheidung.
Mittlerweile sind über 1.400 Fertigungsbetriebe und Lohnfertiger auf unserer Plattform gelistet. Betriebe, die sich über unsere Suche von potenziellen Auftraggebern finden lassen möchten, können über Industry List innerhalb von nur 15 Minuten kostenfrei ein Unternehmensprofil erstellen und damit ihre Leistungen vollständig digital abbilden. Produktentwickler und Einkäufer können die für sie interessanten Fertigungsbetriebe als Favoriten speichern und im späteren Verlauf über ein Lieferantenregister mit Kollegen teilen. Zusätzlich können Informationen über Bauteile, Lieferqualität und weitere Entwicklungsmerkmale teamintern geteilt werden. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern vermeidet auch Wissenssilos im Unternehmen. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, die noch nicht über ein Lieferantenmanagement-Tool verfügen, ist diese Funktion äußerst hilfreich, um Lieferantenstammdaten zu verwalten. Die Basisrecherche für Produktentwickler und Einkäufer ist übrigens ebenfalls kostenfrei. Für höhere Anforderungen bieten wir zwei attraktive Kostenmodelle mit umfangreichen Funktionserweiterungen an.
IHK: Ihr Unternehmen hat mittlerweile ihren Hauptsitz in Heidelberg. Was planen Sie für die kommenden fünf bis zehn Jahre? Wie wollen Sie sich weiterentwickeln?
Maik Schwarz: Wir haben eine Anschlussfinanzierung über ein Programm des Landes Baden-Württemberg erhalten. Bedingung war, dass wir unseren Sitz dort haben. Wir sind aber auch an einem Verbundprojekt mit der TU Darmstadt beteiligt, bei dem es darum geht, die Plattform um weitere Funktionen zu erweitern. Wir wollen die Unternehmen überzeugen, dass wir ein faires und transparentes Tool für die digitale Transformation sind. Dafür stellen wir die Plattform noch breiter auf. Deswegen haben wir bereits sehr früh auch die Ebene für das Wissensmanagement geschaffen, auf der sich unsere Nutzer eines Unternehmens intern über ihre Erfahrungen mit einem Lieferanten austauschen können. Von Rankings oder bezahlten Platzierungen haben wir aber bewusst abgesehen. Schließlich sind Erfahrungen oft ganz unterschiedlich. Gerade sind wir dabei, die Plattform in Teilen auch ohne Registrierung nutzbar zu machen, weil wir festgestellt haben, dass unser potenzieller Kundenkreis deutlich größer ist als zunächst gedacht. Weitere mögliche Entwicklungsbereiche sind die Unterstützung von Unternehmen bei Nachhaltigkeit oder Personalmanagement. Für all das braucht man eine saubere Datenbasis. Die haben wir mit der Plattform geschaffen. Sie bleibt deswegen die Basis für unsere weitere Entwicklung.
IHK: Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!
Qualitätslabel HIGHEST Start-up
Das Gemeinschaftsprojekt „HIGHEST Start-up“ der TU Darmstadt und der IHK Darmstadt ist eine Qualitätsauszeichnung für innovative technologiebasierte Gründungen mit hohem Innovationsgrad und überdurchschnittlicher Überlebenswahrscheinlichkeit.  Wer das Investment-Komitee mit seiner technologiebasierten Geschäftsidee von der „Venture Capital Readiness“ überzeugen konnte, erhält die Möglichkeit, sich vor dem Beteiligungsausschuss der BMH Beteiligungs-Managementgesellschaft Hessen mbH um Beteiligungskapital zu bewerben.
Daniel Bauer
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Finanzierung, Gründung, Nachfolge