Interview

„Oftmals fehlt die Orientierung, um KI zum Einsatz zu bringen”

Das Mittelstand-Digital Zentrum (MDZ) Darmstadt unterstützt kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unter anderem dabei, künstliche Intelligenz (KI) einzuführen. Nik Weisbrod, Geschäftsführer des MDZ, erklärt im Gespräch, wie Unternehmen von den Angeboten profitieren können.
Text: Patrick Körber
IHK: Der Name ist bereits Programm, aber was genau kann das Mittelstand-Digital Zentrum Darmstadt für ein mittelständisches Unternehmen tun?
Nik Weisbrod: Eine Menge! Wir unterstützen Unternehmen, basierend auf unserer Erfahrung im Umgang mit den Problemen und Fragen der KMU, innerhalb der digitalen Transformation. In diesem Rahmen können wir als Impulsgeber für Ideen auftreten, praktische Anwendungen digitaler und KI- basierter Lösungen aufzeigen und Unternehmen zum eigenständigen Handeln befähigen. Zudem können wir durch unsere deutschlandweite Vernetzung innerhalb der Initiative »Mittelstand-Digital« Anliegen, die außerhalb unserer Schwerpunktkompetenzen liegen, an die passenden Expert*innen vermitteln, sodass eine schnelle Unterstützung gewährleistet ist.
IHK: Ein Unternehmen möchte gern wissen, wie es künstliche Intelligenz einsetzen könnte. Inwiefern können Sie helfen?
Nik Weisbrod:: Hier greifen wir auf eine langjährige Expertise in verschiedenen Bereichen zurück. Wenn die Zielstellung des Unternehmens entsprechend eingegrenzt werden kann, können über unsere Website direkte Ansprechpartner aus unseren fünf Schwerpunkten kontaktiert werden – KI-basierte Produktion, IT-Sicherheit im KI-Betrieb, Nachhaltigkeit durch KI, KI-basierte Geschäftsmodelle und menschzentrierte KI-Anwendungen. Innerhalb dieser Schwerpunkte gibt es dann die Möglichkeit, unterschiedliche Angebote wahrzunehmen.
IHK: Wie sehen diese Angebote zum Beispiel aus?
Nik Weisbrod: Unser Ziel ist es, KMU unabhängig von deren Kenntnisstand unterstützen zu können. Daher sind unsere Angebote breit gestreut. Von niederschwelligen Einführungsveranstaltungen und Vorträgen über qualifizierende Workshops zum Vertiefen bereits bestehender Grundkenntnisse bis hin zu individuellen Gesprächen und Kurzprojekten ist alles dabei. Auch die Vernetzung ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Ab einem gewissen Punkt hört unsere Unterstützung wohl oder übel auf und die Unternehmen müssen auf eigenen Beinen stehen. Dabei hilft es enorm, in der eigenen Branche gut vernetzt zu sein und sich auszutauschen. Insbesondere bei unseren Präsenzveranstaltungen gibt es daher immer auch Zeit zum Netzwerken.
IHK: Mit welchen Fragen kommen Unternehmen hinsichtlich KI auf Sie zu? Wo brauchen Firmen Ihrer Erfahrung nach die meiste Unterstützung und vor welchen Problemen stehen sie?
Nik Weisbrod: Das ist ganz unterschiedlich. Die Fragestellungen sind so vielfältig wie die Unternehmen selbst. Oftmals fehlt schlichtweg die Orientierung oder der passende Einstieg, um die Technologie KI zum Einsatz zu bringen. Das liegt unter anderem daran, dass man je nach Anwendungsfall verschiedene Voraussetzungen erfüllen muss – allen voran die Datenverfügbarkeit. Ist diese nicht gegeben, wird der Einsatz von KI sehr schwierig. Sind KMU hingegen bereits gut aufgestellt, was die Prozessdigitalisierung angeht, fehlen vielerorts die Kompetenzen, um aus den gesammelten Daten Mehrwerte zu schaffen – hier kommen wir ins Spiel.
IHK: Verstehen denn Ihre Kunden immer das Gleiche unter Künstlicher Intelligenz oder gehen die Vorstellungen weit auseinander?
Nik Weisbrod: Ja und nein. Vor ein paar Jahren als KI noch ein Thema war, welches nur einige wenige Unternehmen ernsthaft aufgegriffen haben, gab es kaum ein einheitliches Verständnis unter den KMU. Die unterschiedlichen Anwendungsfälle führten zu individuellen Lösungen, basierend auf unterschiedlichen Facetten der KI. Seit der medienwirksamen Veröffentlichung von ChatGPT Ende November 2022 steigt jedoch das gesellschaftliche Bewusstsein für KI merklich an. Die Ausbreitung dieser performanten Chatbots führt jedoch gleichzeitig zu einer verzerrten Wahrnehmung der KI als ein allmächtiges Werkzeug. An dieser Stelle ist noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten, um den vielfältigen Fähigkeiten der KI gerecht zu werden.
IHK: Im MDZ bündeln sieben Partner aus Wissenschaft und Praxis ihr Wissen. Wie klappt der Wissenstransfer zu den Unternehmen, inwiefern profitieren Ihre Kunden von diesem Netzwerk?
Nik Weisbrod: Die Unternehmen, die unsere Angebote in Anspruch nehmen, profitieren von den vielfältigen Kompetenzbereichen der Partner. Dabei gelingt es uns immer wieder, neue Erkenntnisse aus der praxisnahen Forschung in die Industrie zu transferieren, indem wir die Bedarfe der Unternehmen abfragen, unsere Angebote evaluieren und entsprechend den aktuellen Trends anpassen.
IHK: Wie kommen die Unternehmen, die Sie beraten, mit dem Rechtsrahmen klar? Wo hapert es?
Nik Weisbrod: KI war bislang eine Technologie, die insbesondere innerhalb einzelner Unternehmen zum Einsatz kam, um Prozesse zu optimieren. Seitdem KI nun flächendeckend und in unternehmensübergreifenden Anwendungen oder im Kontakt mit dem Kunden genutzt wird, werden die Risiken des KI-Einsatzes deutlich. Aus diesem Grund werden zu Recht Bemühungen umgesetzt, eine einheitliche Rechtslage zum Umgang mit künstlicher Intelligenz zu schaffen. Durch den Entwurf des »EU-AI-Act« befindet sich der Rechtsrahmen zurzeit im Wandel. Dies stellt eine große Heraus- forderung und Verunsicherung insbesondere für kleine Unternehmen dar.
Dieser Artikel ist erstmals erschienen im IHK-Magazin “Wirtschaftsdialoge”, Ausgabe 6/2024. Sie möchten das gesamte Heft lesen? Die “Wirtschaftsdialoge” können Sie auch online als PDF-Datei herunterladen.
Patrick Körber
Geschäftsbereichsleiter, Pressesprecher
Bereich: Kommunikation und Marketing