Konjunkturbericht Herbst veröffentlicht

Unternehmen sehen Wirtschaftspolitik zunehmend als Risiko

Die Konjunkturumfrage der IHK Darmstadt im Herbst zeigt: Die südhessische Konjunktur ist im Abschwung. Die Zukunftserwartung der Unternehmen hat sich weiter eingetrübt. Sie fordern eine bessere Wirtschaftspolitik. IHK-Hauptgeschäftsführer Robert Lippmann fordert ein sofortiges Umsteuern.

Pressemeldung vom 26. Oktober 2023

Südhessen befindet sich in einer Rezession, und die Rezession ist dabei sich zu verfestigen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar, für die sie rund 900 Unternehmen aus der Region befragt hat. Industrie und Einzelhandel klagen über schlechte Geschäfte, im Baugewerbe und bei den Dienstleistern ist es etwas besser. Für die nächsten Monate befürchtet die Mehrheit der Unternehmen eine weitere Verschlechterung.

Geschäftsklimaindex unter Wachstumsschwelle

Der IHK-Geschäftsklimaindex fasst Lage und Erwartung der Unternehmen zusammen. Gegenüber Frühsommer 2023 verliert der Index neun, gegenüber Jahresbeginn sogar elf Punkte. Er beträgt aktuell 89 Punkte. „Vieles deutet darauf hin, dass sich die Rezession verfestigt“, bewertet Robert Lippmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar, die aktuelle Befragung. „Noch nie haben die Unternehmen von so vielen Widrigkeiten berichtet“, ergänzt Lippmann. Der Auftragseingang sei rückläufig, Fachkräfte seien nicht zu bekommen, und das Auslandsgeschäft werde immer schwieriger, nicht zuletzt wegen dem Bürokratiemonster Lieferkettengesetz. „Auch die Wirtschaftsbeziehungen zum wichtigen Handelspartner China stehen unter Druck.“
Nur 27 Prozent der befragten Unternehmen in Südhessen beurteilen ihre Lage als gut, 49 Prozent als befriedigend, 24 Prozent als schlecht. Gegenüber Frühsommer verliert der Saldo aus zufriedenen und unzufriedenen Unternehmen vier Punkte, gegenüber Jahresbeginn neun Punkte. Er liegt jetzt nur noch bei plus drei Prozentpunkten.
Vieles deutet darauf hin, dass sich die Rezession verfestigt.

Robert Lippmann

Die Zukunftserwartungen sind so schlecht wie selten. Nur elf Prozent rechnen mit einer Verbesserung der Situation, 56 Prozent glauben, dass es so bleibt wie es ist. Jedes dritte Unternehmen (33 Prozent) befürchtet sogar eine weitere Verschlechterung. Damit rutscht der Erwartungssaldo um zwölf Prozentpunkte ab, er beträgt aktuell minus 22 Prozentpunkte. „Ich kann meine Warnung aus dem Frühsommer nur wiederholen. Unternehmen mit negativen Zukunftserwartungen investieren nur zurückhaltend, oder gar nicht“, erläutert Hauptgeschäftsführer Lippmann. „Und genau das ist aktuell der Fall, nicht nur in Südhessen. Mit minus zwölf Prozentpunkten liegen die Investitionspläne der Unternehmen im roten Bereich“, so Lippmann weiter.

Fachkräftemangel wieder größtes Risiko

Als Hauptrisiko für die Zukunft sehen die Unternehmen den Fachkräftemangel. Dies äußern knapp zwei von drei der befragten Unternehmen (63 Prozent). Ähnlich sorgen sie sich um die Inlandsnachfrage (57 Prozent der Nennungen), denn bei Neuanschaffungen sind die Konsumenten zögerlich.
„Das führt schon mal zu paradoxen Situationen. Die meisten Unternehmen klagen über fehlende Aufträge und ausbleibende Kundschaft. Andere haben gut zu tun, aber keine Fachkräfte, um die Aufträge abzuarbeiten“, sagt Lippmann. Immer häufiger nennen die Unternehmen die Wirtschaftspolitik als Quelle für Frustration. Aktuell sehen 54 Prozent der Unternehmen die Qualität der Wirtschaftspolitik als Risiko. Gegenüber Frühsommer hat die Risikobewertung beim Thema Wirtschaftspolitik um drei Prozentpunkte, gegenüber Jahresbeginn sogar um sieben Prozentpunkte zugenommen. Als Beispiele nennen Unternehmen die als chaotisch empfundene Umsetzung des Gebäudeenergiegesetzes („Heizungsgesetz“). Auch die überbordende Bürokratie im Zusammenhang mit dem Lieferkettengesetz oder Sustainable Finance wird genannt. Dabei sei den Unternehmen bewusst, dass es oft Initiativen der EU sind. Was sie nicht nachvollziehen können, sei, dass der deutsche Gesetzgeber tatkräftig daran mitgewirkt habe. „Deswegen unser dringender Appell an die Politik: Unsere Wirtschaft, unsere Unternehmen brauchen Freiräume. Fangen wir also an, zum Beispiel bei der Energiewende. Hessische Unternehmen engagieren sich hier vielfältig: Mehr als zwei Drittel haben eigene erneuerbare Energieanlagen auf dem Betriebsgelände installiert oder planen, dies zeitnah umzusetzen. 60 Prozent von ihnen sehen sich jedoch durch fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik wie auch bürokratische Hemmnisse ausgebremst. Das sind Transformationshindernisse, die hausgemacht sind. Hier ist die Politik am Zug, hier hat sie die Dinge selbst in der Hand.“
Dr.Peter Kühnl
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Wirtschaftspolitik, Konjunktur, Statistik