Wettbewerbsverstöße
Wettbewerbsrechtlich abgemahnt - was tun?
Verstöße gegen Wettbewerbsregeln sind keine Seltenheit. Sie geschehen häufig gezielt in der Absicht, sich einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen, jedoch auch häufig aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit. Wie kann auf eine solche Abmahnung reagiert werden?
Das Wichtigste vorab
Wer zum ersten Mal eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erhält, wird zunächst stark beunruhigt sein: Da ist die Rede von Wettbewerbsverstößen, es wird eine Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung gesetzt, hohe Vertragsstrafen und gerichtliche Schritte angedroht.
Beachte: Das deutsche Wettbewerbsrecht verhindert einen sofortigen Streit vor Gericht. Zunächst muss versucht werden, den Verstoß außergerichtlich zu klären und zu beheben. Deshalb erhält derjenige, dem ein Verstoß vorgeworfen wird, zuerst eine Abmahnung.
Leider ist das Instrument in Verruf gekommen, weil es immer wieder als Einnahmequelle von unseriösen Marktteilnehmern missbraucht wird. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer e.V. (DIHK) und viele andere Verbände haben in einem Positionspapier 2017 konkrete Lösungsvorschläge zusammengestellt, die die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen wird.
Zum Referentenentwurf vom 11. September 2018 hatte sich die DIHK am 28. September positioniert.
Im Mai 2019 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vorgelegt. Die DIHK bewertet die darin gefundenen Lösungsansätze zur Abmahnproblematik im Grundsatz positiv, sieht allerdings im Detail Nachbesserungsbedarf, den er am 31. Juli 2019 in einer Stellungnahme formulierte:
Statt sofort die geforderte Erklärung abzugeben, um den in Aussicht gestellten Kosten zu entkommen, sollte sich der Empfänger sorgfältig überlegen, ob die Abmahnung berechtigt ist und wie er am besten auf das Schreiben reagiert. Es lohnt sich, die Abmahnung zunächst zu prüfen - häufig handelt es sich beispielsweise um eine missbräuchliche Serienabmahnung, die zurückgewiesen werden kann.
Das vorliegende Merkblatt gibt Ihnen eine Orientierungshilfe im Umgang mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen.
Tipps für den Umgang mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen
In den wenigsten Fällen greifen staatliche Stellen ein, vielmehr obliegt es der Wirtschaft selbst, sich gegen unlautere Werbemethoden zu wehren. Die Abmahnung ist in der Regel die erste Maßnahme, um eine Wettbewerbsverletzung zu unterbinden.
Eine typische Abmahnung hat üblicherweise folgenden Inhalt:
- Eine kurze Beschreibung des zugrunde liegenden Sachverhalts und
- die Begründung des sich daraus ergebenden Wettbewerbsverstoßes.
- Der Abgemahnte wird aufgefordert, das rechtsverletzende Verhalten künftig zu unterlassen und darüber eine Unterlassungserklärung abzugeben.
- Mit der Unterlassungserklärung soll der Abgemahnte sich gleichzeitig verpflichten, bei einer Wiederholung eine Vertragsstrafe zu zahlen.
- Für den Fall, dass die verlangte Erklärung nicht innerhalb einer bestimmten, oft sehr kurzen Frist unterzeichnet wird, werden gerichtliche Schritte angedroht.
Mit der Abgabe der Unterlassungserklärung kann der Abgemahnte vermeiden, dass der Abmahnende den vermeintlichen Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend macht. Wer die Abgabe verweigert, muss damit rechnen, dass der Abmahner gerichtliche Schritte einleitet. Damit der Wettbewerbsverstoß schnell ausgeräumt werden kann, räumt das Gesetz dem Berechtigten das Recht ein, gegen den Wettbewerbsverletzer vor Gericht eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Der Abmahner kann daneben aber auch die bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) eingerichtete Einigungsstelle anrufen.
Bei vielen abgemahnten Unternehmern herrscht häufig der Glaube vor, dass es sich bei der Abmahnung um eine Form modernen Raubrittertums handelt. Diese Auffassung ist nicht richtig. Mit der Möglichkeit, dass bestimmte Stellen und Personen wettbewerbsrechtliche Verstöße auf zivilrechtlichem Wege verfolgen dürfen, hat der Gesetzgeber das Instrument einer Selbstreinigung innerhalb der Wirtschaft geschaffen. Es soll also nicht – wie in anderen Rechtsbereichen – eine Ordnungsbehörde eingreifen, sondern Unternehmer und Verbraucher sollen selbst den Wettbewerb beobachten. Leider wird das legitime Mittel der Abmahnung immer wieder auch missbraucht, indem Abmahner den Unterlassungsanspruch nur deshalb geltend machen, um Abmahnkosten zu verlangen. Dies geschieht beispielsweise bei sogenannten Serien-Abmahnungen, das heißt, dass von einem Versender viele Abmahnungen mit gleichem Inhalt an unterschiedliche Unternehmen gesendet werden.
Was ist zu tun, wenn man eine Abmahnung erhalten hat?
Das Schreiben nicht zu beachten ist ebenso falsch wie die übereilte und ungeprüfte Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung! In jedem Fall sollte eine schnelle Reaktion erfolgen. Die Frist, innerhalb derer die Erklärung abgegeben werden soll, beträgt häufig nur wenige Tage (in der Regel fünf bis 14) - nicht viel Zeit, um die Abmahnung in aller Ruhe auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Eine Abmahnung darf nie auf die leichte Schulter genommen werden, da sie weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen kann! Der Abgemahnte sollte innerhalb der gesetzten Frist reagieren, da sonst der Erlass einer einstweiligen Verfügung bei hohem Streitwert droht (50.000 - 100.000 Euro sind keine Seltenheit). Mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren könnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung innerhalb weniger Tage entscheiden und den Verantwortlichen zur Unterlassung verurteilen. Nur selten lassen sich die Abmahnenden auf eine Fristverlängerung zur weiteren Prüfung ein. Im Zweifel sollte man sich daher schnellstmöglich bei der Industrie- und Handelskammer beziehungsweise Handwerkskammer, einem Berufsverband oder einem Fachanwalt Rat zu dem weiteren Vorgehen einholen.
Was sollte geprüft werden?
Nach Erhalt der Abmahnung sollten insbesondere folgende Punkte geprüft werden:
- Ist der vom Abmahner dargestellte Sachverhalt tatsächlich korrekt?
- Liegt rechtlich ein Wettbewerbsverstoß vor?
- Ist der Absender berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen?
Einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch können nur Wettbewerber, Wettbewerbs- und Verbraucherschutzverbände sowie Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern geltend machen. Die missbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist jedoch nicht zulässig. Erkundigungen hierzu können bei der IHK eingeholt werden, der oft bereits Informationen über Serienabmahner oder sonstige unseriöse Abmahner und Abmahnvereine vorliegen. Bei Verstößen gegen das Urheber- oder Markenrecht ist grundsätzlich der Rechtsinhaber zur Abmahnung berechtigt. - Ist die Unterlassungserklärung hinsichtlich des Unterlassungsversprechens und der Vertragsstrafe richtig formuliert?
Wie kann auf eine Abmahnung reagiert werden?
Die Reaktion auf eine Abmahnung kann unterschiedlich aussehen:
- Soweit der wettbewerbsrechtliche Verstoß offensichtlich ist, sollte die Unterlassungserklärung abgegeben werden. Der Wettbewerbsverletzer ist bei einer berechtigten Abmahnung auch verpflichtet, die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten (zum Beispiel Anwaltskosten) zu zahlen. Wettbewerbsvereine können nur einen Aufwendungsersatzanspruch geltend machen, der etwa 150 bis 300 Euro beträgt. Abmahnungen durch Rechtsanwälte sind in der Regel kostenträchtiger, da diese Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnen dürfen.
- Auch bei Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes ist der Abgemahnte nicht zwangsläufig verpflichtet, die vom Abmahner vorformulierte Erklärung zu verwenden. Abmahner neigen oft dazu, die Verpflichtung sehr weit zu formulieren. Tatsächlich muss sich der Verletzer aber nur verpflichten, den konkreten Verstoß nicht zu wiederholen. Unter engen Voraussetzungen kann der Verletzer auch eine Aufbrauchsfrist verlangen, wenn die sofortige Unterlassung unverhältnismäßig große Nachteile verursachen und eine befristete Weiterbenutzung für den Verkehr keine unzumutbare Beeinträchtigung bedeuten würde.
- Beachten Sie auch die Folgen der Abgabe einer Unterlassungserklärung. Ergreifen Sie Maßnahmen, eine künftige Wiederholung zu vermeiden, da andernfalls die Gefahr droht, die Vertragsstrafe zahlen zu müssen.
- Bei später eingehenden Folgeabmahnungen sollte der Abgemahnte dem Versender mitteilen, dass er bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, und möglichst eine Kopie übersenden.
- Liegen Gründe vor, die Unterlassungserklärung nicht abzugeben (etwa, weil der Abmahnende nicht berechtigt ist oder kein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vorliegt), sollte der Empfänger den Abmahnenden schnellstmöglich darüber aufklären, dass er die Erklärung nicht unterzeichnen wird. Schweigt der Abgemahnte, signalisiert er, dass er eine außergerichtliche Auseinandersetzung ablehnt, und muss mit einer einstweiligen Verfügung oder einem Gerichtsverfahren rechnen.
- Sollte eine Abmahnung auf eine – durch einen Druckfehler entstandene – wettbewerbswidrige Anzeige erfolgen, empfiehlt es sich, sofort den Abmahnenden anzuschreiben und eine Kopie des Anzeigenmanuskripts, die Reklamation bei der Zeitung und – soweit vorhanden – eine entsprechende Bestätigung der Zeitung beizufügen.
- Sofern zwar ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vorliegt, die Abmahnkosten aber zu hoch erscheinen, kann der Empfänger die Unterlassungserklärung entweder ohne die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten abgeben. Oder er reduziert den Streitwert beziehungsweise die Kostenpauschale. Es bleibt dann das Risiko, auf Kostenerstattung verklagt zu werden. Allerdings befindet sich der Abgemahnte bei einer Klage auf Kostenerstattung in einer wesentlich günstigeren Position als in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Der Streitwert beruht hier nur auf den Abmahnkosten, ist also wesentlich geringer als der ursprüngliche Wettbewerbsstreitwert.
In Fällen, in denen ein Wettbewerbsverstoß zweifelhaft ist, kann auch der Abgemahnte die Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten bei der Industrie- und Handelskammer anrufen. Damit können Wettbewerbsstreitigkeiten kostengünstig beigelegt werden. Damit ist allerdings die Gefahr einer einstweiligen Verfügung nicht ausgeräumt. Der Abgemahnte sollte deshalb zumindest eine vorläufige Unterlassungserklärung abgeben, die bis zum Abschluss des Einigungsstellenverfahrens gültig ist.
Dieses Merkblatt wurde mit gebotener Sorgfalt erstellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erläuterungen kann jedoch nicht übernommen werden.
Stand: Juli 2022