Brandenburger Wirtschaft stellt neun Kernforderungen zur Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes
Der Rat der Europäischen Union hatte am 24. Mai 2024 die Richtlinie über die Sorgfalts- und Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen (CSDDD - Corporate Sustainability Due Diligence Directive) verabschiedet. Die Frist für die Umsetzung in nationales Recht beträgt zwei Jahre.
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Die IHK-Fachausschüsse Außenwirtschaft der Brandenburger Industrie- und Handelskammern haben die aktuelle Umsetzungsperiode wahrgenommen, um nochmals mit Nachdruck auf Disparitäten im EU-Lieferkettengesetz hinzuweisen und aktuelle Erleichterungen für die deutschen und damit auch Brandenburger Unternehmen einzufordern.
Das Wichtigste hierzu im Überblick:
1. Aussetzung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bis zur Umsetzung der EU-Regelung in deutsches Recht
Die Brandenburger Wirtschaft fordert die Bundesregierung auf, das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bis zur Umsetzung der EU-Regelung in deutsches Recht auszusetzen, um weitere Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen gegenüber Unternehmen im EU-Binnenmarkt auszuschließen.
2. Keine Sonderwege im deutschen Recht im Vergleich zu den EU-Vorgaben
Die Brandenburger Wirtschaft fordert, dass die Bundesregierung keine Alleingänge bei der Umsetzung der EU-Regelung zuungunsten der Wettbewerbsfähigkeit deutscher und damit auch Brandenburger Unternehmen unternimmt. Der Anwendungsbereich im deutschen Recht darf auch temporär nicht über die EU-Vorgaben hinaus gehen.
3. Kein weiterer Bürokratieauswuchs: EU-Regelungen bei der Umsetzung in nationales Recht bürokratiearm und praxistauglich ausgestalten
Die Brandenburger Wirtschaft nimmt die im Arbeitsprogramm 2024 verankerten Versprechen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum zügigen Abbau von mindestens 25 Prozent Bürokratielasten beim Wort. Sie erwartet von der deutschen Politik eine möglichst bürokratiearme und praxistaugliche Ausgestaltung der Regelungen bei der Umsetzung in deutsches Recht, um Unternehmen nicht komplett zu überfordern und ein Umsetzungschaos zu vermeiden.
4. Proaktive politische Unterstützung für den Aufbau alternativer Lieferketten und der Entwicklung neuer Sourcing-Strategien
Die aktuellen EU-Regelungen sehen gegenüber der deutschen Gesetzesversion eine Ausweitung der Sorgfaltspflichten entlang der sogenannten „Aktivitätskette“ unter Berücksichtigung direkter und indirekter Geschäftspartner vor. Die Brandenburger Wirtschaft fordert mit Blick auf den politisch gewollten Eingriff in die unternehmerischen Sourcing-Strategien von der Politik adäquate Lösungen, um die Sicherstellung der Rohstoffversorgung und der Versorgung mit wichtigen Vorprodukten zu gewährleisten. Sie fordert eine proaktive politische Unterstützung bei der Suche nach alternativen Zuliefermärkten und dem Aufbau alternativer Lieferketten sowie bei der Entwicklung neuer Einkaufstrategien. Die Brandenburger Landesregierung sollte die notwendige Unterstützung Brandenburger Unternehmen auf der Importseite im künftigen Außenwirtschaftskonzept als wesentlichen Schwerpunkt verankern.
5. Keine Benachteiligung der Wettbewerbsfähigkeit von europäischen Unternehmen gegenüber Unternehmen aus Drittländern
Durch das Gesetz stehen Einkäufe wichtiger und eingeschränkt verfügbarer Rohstoffe zur Disposition, wenn die Umsetzung der Sorgfaltspflichten innerhalb der Aktivitätenkette auch aus Gründen der drohenden zivilrechtlichen Haftung der juristischen Vertreter im Unternehmen nicht abgesichert werden kann. Dies wirkt sich negativ auf die Lieferketten aus und entkoppelt europäische Unternehmen von den weltweiten Rohstoff- und Einkaufsmärkten. Dies führt wiederum zu Kosten- und damit verbunden zu Preissteigerungen zuungunsten der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und damit auch Brandenburger Unternehmen.
Die Brandenburger Wirtschaft erwartet eine genaue und unabhängige Analyse der Auswirkungen des Gesetzes auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und damit auch Brandenburger Unternehmen und eine damit verbundene regelmäßige Überprüfung der EU-Vorgaben und der Ausgestaltung des EU-Lieferkettengesetzes.
6. Definition von Kriterien zur Messung der Erfolgswirksamkeit der Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes sowie regelmäßige Evaluierung zu seinen Auswirkungen
Das geplante Gesetz zielt auf die Verbesserung der Einhaltung von Menschenrechten vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen und der umwelt- und sozioökonomischen Rahmenbedingungen ab. Es besteht jedoch die Gefahr, dass durch das EU-Lieferkettengesetz die Armutsfalle der Entwicklungsländer noch verstärkt wird, da sich europäische Unternehmen im hohen Umfang aus Drittländern zurückziehen werden.
Es ist aus Sicht der Brandenburger Wirtschaft essenziell, die Erfolgswirksamkeit des Gesetzes regelmäßig zu messen und hierfür einen Kriterien- und Bewertungskatalog zu entwickeln. Darüber hinaus sind die Auswirkungen des Gesetzes auf die Lieferketten und die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen und deutschen Wirtschaft regelmäßig zu eruieren, Kriterien für eine Erfolgsmessung zu definieren und diese regelmäßig zu überprüfen.
7. Überprüfung und Anpassung der Entwicklungspolitik zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern
Die Einführung und Umsetzung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sollte nicht dazu beitragen, die notwendige politische Arbeit mit den Regierungen vor Ort in Entwicklungsländern zurückzufahren. Dennoch zeigt das aktuelle politische Handeln der Bundesregierung ein anderes Bild.
Die Brandenburger Wirtschaft fordert daher: Keine Kürzung von Budgets in der deutschen und europäischen Entwicklungsarbeit! Die Entwicklungsarbeit muss durch zielgerichtete Programme und durch Know-How-Transfer weiter gestärkt und die Programme gleichfalls einer regelmäßigen Evaluierung und Anpassung unterzogen werden.
8. Keine zivilrechtliche Haftung von Unternehmensvertretern! Belohnen statt Strafen!
Ein wesentlicher Kritikpunkt der Brandenburger Wirtschaft ist die vorgesehene zivilrechtliche Haftung im geplanten Lieferkettengesetz. Dieses Vorhaben wirkt wie ein weiterer Katalysator bei der Veränderung von Einkaufs- und Sourcing-Strategien und damit auf die durch das Gesetz verfolgten Ziele kontraproduktiv. Eher sollten Unternehmen, die vorbildhaft und nachhaltig ihre Lieferketten managen, durch die Verbreitung ihrer guten Praktiken belohnt werden.
Die Brandenburger Unternehmen positionieren sich klar gegen die zivilrechtliche Haftung, da die Umsetzung der geforderten Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Wertschöpfungskette unternehmerisch nicht abbildbar und nicht praxistauglich ist.
9. Implementierung einer Datenbank zur Registratur geprüfter Lieferanten zur Verbesserung der Praxistauglichkeit des EU-Lieferkettengesetzes
Die Auskunfts- und Nachweisbereitschaft von Unternehmen innerhalb einer Lieferkette wird abnehmen, wenn diese von einer Vielzahl von Unternehmen zu immer wieder denselben Nachweisen aufgefordert werden. Daher sollte die EU-Kommission die Einrichtung einer Datenbank veranlassen, in der auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten bereits evaluierte Unternehmen registriert werden und auf die europaweit alle Unternehmen Zugriff haben. Unternehmen, die in der Datenbank registriert sind, haben über ein erworbenes Sorgfaltssiegel einen konkreten Wettbewerbsvorteil auf dem Weltmarkt, so dass auch eine höhere Bereitschaft zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards erzielt werden kann.
Den vollständigen Wortlaut des Forderungspapiers finden Sie hier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 162 KB) und im Downloadbereich.
Adressaten des Forderungspapiers:
- Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg
- Ministerium für Finanzen und Europa des Landes Brandenburg
- Bundestagsabgeordnete des Landes Brandenburg
- Europaabgeordnete des Landes Brandenburg
- Deutscher Industrie- und Handelskammertag Büro Brüssel