6 Kernforderungen zur Brandenburger Außenwirtschaftspolitik

Brandenburger Außenwirtschaftstreibende finden zur Zeit keine optimalen Voraussetzungen für ein außenwirtschaftliches Engagement vor: Steigende bürokratische Anforderungen, zunehmende Hindernisse im grenzüberschreitenden Handel, wie z. B. Sanktionen, Embargos, Zölle und Kontingente belasten vor allem den Klein- und Mittelstand. Dies ergab eine aktuelle Umfrage der Brandenburger Industrie- und Handelskammern im Frühjahr 2024. An der Umfrage hatten sich insgesamt 473 Unternehmen aus den Bereichen produzierendes Gewerbe, Bau, Dienstleistungen, Handel und sonstige Branchen beteiligt. Auf dieser Grundlage haben die Brandenburger Industrie- und Handelskammern sechs Kernforderungen aufgestellt:

Strategische Ausrichtung der Brandenburger Außenwirtschaftspolitik in enger Zusammenarbeit mit Berlin neu definieren

Das aus dem Jahr 2018 stammende Brandenburger Außenwirtschaftskonzept und die im Jahr 2014 erstellte Internationalisierungsstrategie des Landes müssen dringend überarbeitet und an die aktuellen Herausforderungen der Brandenburger Unternehmen in der Außenwirtschaft angepasst werden. Die Außenwirtschaft ist seit 2021 stark geprägt von sich verändernde Lieferketten, Einschränkungen durch Sanktionen, Energieabhängigkeiten, zunehmenden Bürokratiebelastungen auch im Binnenmarkt und schließlich den zunehmenden Eingriff in das selbstbestimmte, wirtschaftliche Handeln von Unternehmen durch EU- und Bundesgesetzgebungen. Diesen Herausforderungen müssen die strategischen Papiere der Landesregierung Rechnung tragen.
Das Außenwirtschaftskonzept sollte eng mit dem Bundesland Berlin abgestimmt und an einer gemeinsamen internationalen Ausrichtung gearbeitet werden, die mit dem gemeinsamen Auftritt der Hauptstadtregion bereits gelebt wird. Zwar wird im aktuellen Konzept die Zusammenarbeit mit Berlin bereits in den Fokus gestellt. Der Königsweg wäre jedoch eine Strategie beider Bundesländer, bei der gemeinsame strategische Handlungsfelder identifiziert werden. Bei der Überarbeitung des Außenwirtschaftskonzeptes sollte das Land überprüfen, wie die strategischen Handlungsfelder durch konkrete gemeinsame Maßnahmenpakete mit Berlin mit Leben gefüllt werden können.
Das Konzept sollte spezifische Zielstellungen enthalten, um eine besser Überprüfbarkeit der Ergebnisse zur Wirksamkeit des Konzeptes gewährleisten zu können. Auch sollte die Außenwirtschaftsförderung zwischen beiden Bundesländern besser abgestimmt und einer stärkeren Harmonisierung unterzogen werden.
Das Thema ausländische Fachkräfte muss unter Nutzung des Bekanntheitsgrades des Standortes Berlin für Brandenburg stärker in den Vordergrund gestellt werden und eine gemeinsame Strategie zur Gewinnung ausländischer Fachkräfte entwickelt werden. Dabei sollte auch die einzelbetriebliche Förderung für die Gewinnung ausländischer Fachkräfte einer Überprüfung unterzogen werden. Weitere strategische Themen der Zusammenarbeit sind die Ansiedlung ausländischer Unternehmen bzw. Investoren sowie die Identifizierung und Bearbeitung gemeinsamer Zielmärkte.

Stärkere Nutzung politischer Strukturen des Bundeslandes für den Abbau von Bürokratie und Handelshemmnissen

Größtes Hemmnis der für ein außenwirtschaftliches Engagement der größtenteils durch KMU geprägten Brandenburger Unternehmenslandschaft ist die Bürokratie. Mehr als 75 Prozent der Brandenburger Unternehmen würden durch eine Reduzierung der bürokratischen Hürden ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit klar verbessert sehen. Diese äußern sich etwa in der Tatsache, dass der EU-Binnenmarkt nach wie vor nicht harmonisiert ist und eine Flut an Rege-lungen auf Bundes- und EU-Ebene, vor allem im Bereich des Warenverkehrs, der Umweltauflagen sowie der Nachhaltigkeits- und Sorgfaltspflichten Unternehmen zunehmend davon abhalten, grenzüberschreitend aktiv zu bleiben oder zu werden.
Das Land Brandenburg sollte sich über ihre landeseigene Vertretung in Brüssel für die Interessen der Brandenburger Unternehmen einsetzen und die steigenden bürokratischen Herausforderungen bei geeigneten Strukturen in Brüssel stärker adressieren, beispielsweise über die Forderung der tatsächlichen Anwendung der One-in-One-Out-Regel. Dabei kann ein engerer Schulterschluss mit der Berliner Landesvertretung zielführend sein. Gleiches gilt für eine stärkere Nutzung von Strukturen zwischen Bund und Ländern. Dabei sollten die Brandenburger Vertreter in engerer Zusammenarbeit mit den vorhandenen Multiplikatoren und Interessenvertretungen, wie z. B. Kammern, Wirtschaftsförderungen und Wirtschaftsverbänden agieren, um Problemstellungen frühzeitig in Entscheidungsprozesse auf Bundes- und EU-Ebene einzubringen und aktuelle Entwicklungen entsprechend rückzukoppeln.

Brandenburger Außenwirtschaftsförderung weiter schärfen

47 Prozent der an der Umfrage beteiligten Unternehmen wünschen sich Unterstützung in Form von Förderung- und Finanzierungsangeboten. Darüber hinaus sehen 46 Prozent vor allem bei der Beteiligung an Messen einen hohen Bedarf. Mit der Förderrichtlinie GRW – Markt International hat das Land Brandenburg als eines der wenigen Bundesländer in Deutschland klein- und mittelständischen Unternehmen ein Förderinstrument für ihre Auslandsmarkterschließung zur Verfügung gestellt. Mit Blick auf seine aktuelle Ausschöpfung, seine Fördertatbestände und die spezifische Unterstützung für Starts-Up und Außenwirtschafts-Newcomer wird es bereits gut angenommen.
Um die Potentiale vor allem im Klein- Mittelstand auch unter den aktuell schwierigen Rahmenbedingungen zu heben, sollte das Land auch in Zukunft die bestehenden Förderungen für die Internationalisierung beibehalten und in Abhängigkeit von den sich schnell ändernden Herausforderungen regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Mit Blick auf die von den Unternehmen skizzierten Unterstützungswünsche, muss vor allem die Messeförderung beibehalten und an die sich aktuell schnell ändernden Preisentwicklungen stets angepasst werden.
Um die Unternehmen auch bei ihrer Geschäftspartnersuche im Ausland zu unterstützen, sollte die Brandenburger Förderung ein in Anlehnung an die geplante Richtlinie des Bundeslandes Sachsen-Anhalt vorgesehenes Kontaktanbahnungsinstrument für KMU mit aufnehmen. Immerhin beklagt ein Viertel der an der Umfrage beteiligten Unternehmen Probleme bei der Geschäftspartnersuche. Beim Kontaktanbahnungsinstrument für KMU erhalten kleine und mittlere Unternehmen für entstehende Ausgaben bei der unternehmensbezogenen Beratung und Vermittlung von Kontakten zu Geschäftspartnern im Ausland einen pauschalen Zu-schuss in Höhe von 1.600 Euro als De-minimis-Förderung.
Zudem sollte die Außenwirtschaftsförderung des Landes den von den Unternehmen geforderten Netzwerkgedanken aufgreifen. Dabei sollte in Anlehnung an die Richtlinie des Landes Berlin die Bildung internationaler Netzwerke mit in das Förderportfolio integriert werden.
Das Land sollte zudem die Usability und Nutzerfreundlichkeit des ILB-Kundenportals auf den Prüfstand stellen. Anträge der Unternehmen sind zeitsparend und ohne notwendigen Bürokratiemehraufwand sowohl bei Beantragung und Abrechnung zu gewährleisten.
Darüber hinaus sollte sich die Landespolitik auf Bundes- und EU-Ebene dafür einsetzen, dass Förderstrukturen und Unterstützungsleistungen, insbesondere Finanzierungsinstrumente erhalten und kontinuierlich weiter entwickelt werden und nicht dem haushälterischen Rotstift zum Opfer fallen. Dies betrifft u.a. die Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten für ein Engagement in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Außenwirtschaftsfördernde Strukturen weiter ausbauen

46 Prozent der Unternehmen sehen vor allem bei der Beteiligung an Messen einen hohen Mehrwert. Darüber hinaus betrachten sie unternehmerische Netzwerke und Angebote zum Austausch als wesentlich für den Erfolg ihrer Auslandsaktivitäten. Positiv hervorzuheben ist, dass das Land Brandenburg über seine Landesgesellschaft in den letzten drei Jahren neue Strukturen aufgebaut hat, um vor allem die Messeförderung des Landes auszubauen. Dies ist sowohl für die Kundenakquise im Ausland als auch für die internationale Sichtbarkeit der Hauptstadtregion wesentlich. Die Strukturen sollten jedoch weiter gestärkt werden und angesichts schrumpfender finanzieller Spielräume bessere Synergien durch eine enge Zusammenarbeit mit Berlin erzielt werden. Auch dürfen dort, wo außenwirtschaftsfördernde Strukturen im Land aufgebaut werden, an anderer Stelle nicht abgebaut werden.
Über den Einsatz geförderter Exportscouts in den einzelnen Regionen können Service-Ressourcen in Brandenburg für die Stärkung der Internationalisierungskompetenzen der Brandenburger Unternehmen breiter aufgestellt werden. Die Förderung von Vernetzungsprojekten in Anlehnung an die Berliner Außenwirtschaftsförderung würde ebenfalls zu einer strukturellen Aufwertung der Brandenburger Außenwirtschaftsförderung führen.

Beziehungen im Dreiländer-Eck Deutschland-Polen-Tschechien verstärken und verstetigen

Mit Blick auf die aktuellen wirtschaftliche und geopolitische Herausforderungen der Brandenburger Außenwirtschaft sind starke und verlässliche Partner ein klarer Wettbewerbsvorteil: Die deutliche Fokussierung der regionalen Firmen auf europäische Partner schließt den Mittel- und Osteuropäischen Markt ein. Nicht zuletzt das Dreiländer-Eck Deutschland-Polen-Tschechien bietet Brandenburger Unternehmen zahlreiche wirtschaftliche und zukunftsfähige Geschäftspotenziale. Daher ist die brandenburgisch-polnisch-tschechische Zusammenarbeit insbesondere bei der Wahrung eines offenen Binnenmarktes und in den Bereichen Infrastruktur sowie Energie und Umwelt zu fördern.
Polen ist und bleibt der wichtigster Handelspartner Brandenburger Unternehmen: jede zweite Firma in der Region pflegt Handelsbeziehungen mit dem Nachbarland jenseits der Oder. Tschechien gehört seit Jahren zu den wichtigsten Handelspartnern Brandenburgs und steigt in der Bedeutung als Exportmarkt stetig. Zusätzlich sind beide Länder Sprungbretter in weitere bedeutsame mittel- und osteuropäische Märkte wie etwa Slowenien, Slowakei und Rumänien.
Über die Handelsbeziehungen, den grenzüberschreitenden Dienstleistungsaustausch und auch die großen Pendlerströme der Fachkräfte werden die Beziehungen der drei Länder gestärkt. Beleg dafür sind beispielsweise die stetig steigenden Zahlen von Ansiedlungen polnischer Unternehmer in Brandenburg und das gleichbleibend starke Interesse Brandenburger Unternehmen am polnischen Markt. Vor diesem Hintergrund sollte Brandenburg seine Schlüsselposition – die es mit seinen besonderen Beziehungen zu Polen bundesweit einnimmt – stärker ausfüllen. Mit Blick auf die Zusammenarbeit im Länderdreieck ist ein stärkeres Engagement des Bundeslandes im Sinne der Brandenburger Firmen.
Außerdem müssen die Vorteile der freien Wirtschaft in den Grenzregionen bewahrt werden: Handelshemmnisse wie etwa die Umsatzsteuer oder die Taxameter-Problematik behindern die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes. Die Wiederbelebung und der Ausbau der Partnerschaftsbeauftragen des Landes Brandenburgs in Polen könnten hier zur Stärkung und Verstetigung der Brandenburgisch-Polnischen Beziehungen beitragen. Insbesondere, wenn sie wieder mehr den wirtschaftlichen Austausch in den Blick nehmen.
Brandenburg ist mit seiner Nähe zu Polen und Tschechien geprägt durch große europäische Verkehrs-Korridore. Grenzkontrollen behindern den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen. Die Anpassung der Leistungsfähigkeit vorhandener und die Prüfung der Einrichtung zusätzlicher Grenzübergänge sind hingegen mit Blick auf die stark gewachsenen Verkehrsmengen schnellstmöglich durchzuführen. Und auch weitere Themen, die die gemeinsame Infrastruktur verbessern, sollten unbedingt angegangen werden, etwa die Bahnstrecke Berlin-Stettin, die Ostbahn, der Ausbau der A12 und der A13 sowie der Schienenausbau Berlin-Cottbus-Görlitz und weiter nach Breslau.
Unternehmen in allen drei Regionen – Brandenburg, Polen und Tschechien - benötigen Unterstützung bei der Umsetzung der Vorgaben des europäischen Green Deals. Eine Zusammenarbeit in den Bereichen Umwelt & Energie beispielsweise für Aspekte wie Abfallwirtschaft, geschlossene Stoffkreisläufe oder die Nutzung der Oder sollte daher intensiviert und verstetigt werden. Die Kooperation in diesen Bereichen birgt nicht zuletzt auch ein enormes wirtschaftliches Potenzial und Wettbewerbsvorteile für alle drei Länder.

Fachkräfteverfügbarkeit für das Außenwirtschaftsgeschäft verbessern

Die mangelnde Fachkräfteverfügbarkeit bremst die Unternehmen bei der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit zunehmend aus. Unternehmen haben Probleme, die für das internationale Geschäft notwendigen personellen Ressourcen bereitzustellen. Diese stehen für die Kundenakquise und Kundenpflege im Ausland, für die Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen oder auch für die Einhaltung notwendiger Zollvorschriften und die Exportkontrolle im Unternehmen immer weniger zur Verfügung. Das Land Brandenburg muss sich stärker denn je dafür einsetzen, dass die Regelungen für die Fachkräfteeinwanderung unbürokratisch und praxisnah umgesetzt werden können. Auskunfts- und Nachweispflichten der Unternehmen müssen verringert werden. Aktuell bremst der enorme Bürokratieaufwand nach wie vor den Zugang von internationalen Fachkräften aus. Voraussetzung ist es ebenfalls, dass die für die Einwanderung zuständigen Behörden entsprechend ausgestattet sind.
Gefragt sind geeignete Förderprogramme zur Finanzierung externer Recruiting-Leistungen sowie von Kosten, die für die Fachkräfteintegration anfallen, wie etwa Übersetzungen, Beglaubigungen von Zeugnissen, berufliche Anerkennungen oder auch vorübergehende Reise- und Unterbringungskosten im Rahmen des Recruiting-Prozesses. Die Risiken des unternehmerischen Aufwandes bei der internationalen Fachkräftegewinnung müssen reduziert und auf diesem Wege Unternehmen ermutigt werden, sich bei der Fachkräftegewinnung international stärker zu engagieren. Darüber hinaus kann die Finanzierung einer stärkeren Positionierung der Brandenburger Unternehmen auf internationalen Jobmessen zielführend sein. Zusätzlich sollte in engerer Zusammenarbeit mit Berlin und unter Nutzung des Bekanntheitsgrades der Hauptstadt eine gemeinsame Strategie zur Gewinnung ausländischer Fachkräfte entwickelt werden.
Zudem sollten „Kümmerer-Strukturen“, beispielsweise in Form des Aufbaus internationaler Netzwerke zum Zugang zu internationalen Fachkräften stärker gefördert werden. Initiativen, etwa zur stärkeren Zusammenarbeit mit den Hochschulen für die Gewinnung ausländischer Studierender für regionale Bestandsunternehmen sollten entwickelt, ausgebaut und stärker personell untersetzt werden.