Neue Pflichten für den Handel
Beim Verkauf von Waren an Verbraucher treffen Verkäufer seit dem 1. Januar 2022 zahlreiche neue Pflichten. Im Zentrum steht unter anderem eine Update-Verpflichtung für Verkäufer bei Waren mit digitalen Elementen wie etwa Smart-Watches, aber auch ein verschärftes Gewährleistungsrecht.
Völlig neu ist eine Aktualisierungspflicht des Verkäufers für Tablets, E-Bikes, Autos, intelligente Armbanduhren, Navigationssysteme, Saugroboter, Waschmaschinen und sonstige Produkte mit digitalen Komponenten. Die Aktualisierungspflicht soll sicherstellen, dass die Technik auch dann noch funktioniert, wenn sich das digitale Umfeld – zum Beispiel die Cloud-Infrastruktur – ändert. Neben der Interoperabilität geht es dabei auch um die Sicherheit von smarten Geräten, die durch Sicherheits-Updates vor einem unberechtigten Zugriff Dritter auf Daten oder Funktionen geschützt werden sollen.
Dabei schuldet der Verkäufer alle Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache erforderlich sind. Er muss den Verbraucher auch über die anstehende Aktualisierung informieren. Jenseits von funktionserhaltenden Aktualisierungen ist der Unternehmer aber nicht dazu verpflichtet, verbesserte Versionen der digitalen Elemente zu Verfügung zu stellen.
Dauer der Aktualisierungspflicht nicht festgelegt
Die konkrete Dauer der Aktualisierungspflicht ist unbestimmt. Es kommt auf die Verbrauchererwartung an. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann die Dauer der Aktualisierungspflicht länger oder kürzer sein. Anhaltspunkte für die Festlegung des Zeitraums können Webeaussagen, die zur Herstellung der Kaufsache verwendeten Materialien, der Preis und Erkenntnisse über die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer (“life-cycle") sein.
Die neue Aktualisierungspflicht wird den Handel vor Herausforderungen stellen, da er Updates und Upgrades in der Regel nicht unmittelbar vorhalten kann und er in den meisten Fällen auf die Mitwirkung der Hersteller angewiesen ist. Die Aktualisierungspflicht sollte nach Ansicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages daher sinnvollerweise durch vertragliche Regelungen auf den Lieferanten des Händlers oder den Hersteller delegiert werden.
In jedem Fall wird der Handel sich verstärkt auf Kundenbeschwerden in Bezug auf tatsächlich oder vermeintlich fehlende Aktualisierungen einstellen müssen.
Verschärfung der Beweislast
Verkäufer müssen beim B2C-Kauf künftig nicht – wie bisher – nur in den ersten sechs Monaten, sondern zwölf Monate nach Übergabe der Kaufsache beweisen, dass die Kaufsache mangelfrei war. Die Beweislastverlängerung im B2C-Geschäft hat damit eine empfindliche Verschärfung zulasten des Verkäufers erfahren.
Die gesetzliche Vermutung kann zwar – wie bisher – widerlegt werden, etwa wenn der Verkäufer nachweisen kann, dass der Mangel durch unsachgemäße Behandlung oder durch Verschleiß entstanden ist. Eine solche Beweisführung kann aber aufwendig und schwierig sein. Die Verdoppelung der Vermutungsfrist auf ein Jahr wird den Handel deshalb aller Voraussicht nach mit mehr Streitfällen und höheren Kosten belasten.
Vorsicht bei negativer Beschaffenheitsvereinbarung
Beim Verkauf von B-Ware, Vorführgeräten, Ausstellungsstücken oder gebrauchter Ware kann die negative Beschaffenheit zum Beispiel im Hinblick auf Gebrauchsspuren nicht mehr wie bisher über die Produktbeschreibung oder die Ausschilderung der Ware vereinbart werden.
Negative Beschaffenheitsvereinbarungen sind künftig nur noch möglich, wenn der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung "eigens" davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht. Außerdem muss die Abweichung ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.
Die Abweichung kann daher auch nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder im Formularvertrag geregelt werden. Im Online-Handel genügt auch ein vor-angekreuztes Kästchen nicht, das der Verbraucher deaktivieren kann.
Neue Regeln bei der Gewährleistungsfrist
Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beim Warenkauf beträgt nach wie vor zwei Jahre ab Ablieferung der Sache. Neu sind aber zwei sogenannte Ablaufhemmungen: Bei einem Mangel, der sich innerhalb der regulären Gewährleistungsfrist gezeigt hat, tritt die Verjährung erst vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Wenn sich also bei einem gekauften PC erst im 23. Monat der Mangel zeigt, kann der Käufer seine Ansprüche beispielsweise noch bis zum 27. Monat nach Lieferung geltend machen. Das Problem: Für den Verkäufer ist kaum nachprüfbar, wann der Mangel sich tatsächlich gezeigt hat.
Darüber hinaus sieht das Gesetz eine Ablaufhemmung vor, wenn der Unternehmer während der Verjährungsfrist einem geltend gemachten Mangel durch Nacherfüllung abhilft. In diesem Fall tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels erst nach Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde.
Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der Käufer nach Rückerhalt der Sache prüfen kann, ob durch die Nacherfüllung dem geltend gemachten Mangel abgeholfen wurde. Sichergestellt wird zudem, dass die Verjährung nicht abläuft, während sich die Kaufsache zur Nacherfüllung beim Verkäufer befindet.
Erleichterte Rücktrittsmöglichkeiten für Käufer
Das Gewährleistungsrecht geht wie bisher davon aus, dass der Verkäufer bei einem Sachmangel die Möglichkeit haben soll, den Mangel zu korrigieren. Der Käufer hat deshalb zunächst nur einen Anspruch auf Nacherfüllung. Er kann hiernach Reparatur der mangelhaften Sache oder Lieferung einer neuen, mangelfreien Sache verlangen. Rücktritt, Minderung und Schadensersatz sind dagegen nur möglich, wenn der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese ergebnislos verstrichen ist.
Während es im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei dieser Regel bleibt, entfällt das Erfordernis der Fristsetzung bei Verbrauchergeschäften. Ausreichend ist hier der bloße Ablauf einer angemessenen Frist. Hat der Unternehmer in diesem Sinne nicht rechtzeitig nacherfüllt, ist der Verbraucher zum Rücktritt berechtigt.
Die Auswirkungen dieser vielleicht auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkenden Verschärfung des Gewährleistungsrecht können erheblich sein:
Ein Kfz-Händler zum Beispiel, der sich mit der Bearbeitung der Reklamation wegen eines überschaubaren Sachmangels zu lange Zeit lässt, läuft nunmehr Gefahr, dass er den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des gebrauchten Pkw zurückzahlen muss.
Ein Kfz-Händler zum Beispiel, der sich mit der Bearbeitung der Reklamation wegen eines überschaubaren Sachmangels zu lange Zeit lässt, läuft nunmehr Gefahr, dass er den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des gebrauchten Pkw zurückzahlen muss.
Zeit nutzen bis zum Jahreswechsel
Diese zum Teil sehr weitgehenden Änderungen gehen auf die sogenannte EU-Warenkaufrichtlinie zurück, die ins deutsche Recht umzusetzen war.
Handelsunternehmen sind nun gefordert, die zahlreichen neuen gesetzlichen Regelungen in der Praxis umzusetzen. Das betrifft nicht nur die vorgenannten Neuerungen. Auch bei der Garantie, dem Verkauf von gebrauchten Waren, Unternehmerrückgriff sowie in verschiedener anderer Hinsicht sind neue gesetzlichen Vorgaben zu beachten.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sollten deshalb überprüft, das Verkaufspersonal geschult, das Beschwerde-Management angepasst und die Vertragsverhältnisse in Bezug auf Hersteller und/oder Lieferanten mit Blick auf die Neuregelungen angepasst werden. Um Rechtsnachteile zu vermeiden, sollten die notwendigen Maßnahmen möglichst bis zum Inkrafttreten des neuen Kaufrechts am 1. Januar 2022 umgesetzt werden.
Beim Verkauf von Waren an Verbraucher treffen Verkäufer ab dem 1. Januar 2022 zahlreiche neue Pflichten. Im Zentrum steht unter anderem eine Update-Verpflichtung für Verkäufer bei Waren mit digitalen Elementen wie etwa Smart-Watches, aber auch ein verschärftes Gewährleistungsrecht. Einen Überblick über die Änderungen im Kaufrecht finden Sie hier.
Völlig neu ist eine Aktualisierungspflicht des Verkäufers für Tablets, E-Bikes, Autos, intelligente Armbanduhren, Navigationssysteme, Saugroboter, Waschmaschinen und sonstige Produkte mit digitalen Komponenten. Die Aktualisierungspflicht soll sicherstellen, dass die Technik auch dann noch funktioniert, wenn sich das digitale Umfeld – zum Beispiel die Cloud-Infrastruktur – ändert. Neben der Interoperabilität geht es dabei auch um die Sicherheit von smarten Geräten, die durch Sicherheits-Updates vor einem unberechtigten Zugriff Dritter auf Daten oder Funktionen geschützt werden sollen.
Dabei schuldet der Verkäufer alle Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache erforderlich sind. Er muss den Verbraucher auch über die anstehende Aktualisierung informieren. Jenseits von funktionserhaltenden Aktualisierungen ist der Unternehmer aber nicht dazu verpflichtet, verbesserte Versionen der digitalen Elemente zu Verfügung zu stellen.