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Langschläferfrühstück für die Partykracher
Kluge Eltern drängeln und quengeln nicht, wenn es darum geht, die Nachfolge im Familienunternehmen beizeiten einzutüten. Sie locken auch nicht mit Versprechungen aller Art, denn selbst gut gemeinte Köderei kann als Schuss in den Ofen nach hinten losgehen: Der Nachwuchs dampft genervt ab und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Bestenfalls nur aus dem Betrieb. Torben Hackes Eltern müssen also ziemlich viel richtig gemacht haben. Er musste keine Schichten hinterm Tresen schieben, beim Frühstücksbüfett den Aufschnitt nachlegen oder an der Rezeption aushelfen. Und obwohl die Familie die ersten 14 Jahre seines Lebens sogar im eigenen Hotel wohnte und jeden Tag ebendort zu Mittag aß, wurde der Sohn nicht eingespannt. Er war bei der Berufswahl völlig frei. Die „Exitmöglichkeit“ ließ er sausen: Seit 2013 ist er offiziell Inhaber des Hotels Schönau.
Torben Hacke ist seit 2013 als Hotelinhaber tätig.
© Claudia Taylor
Das großzügige Hotelensemble liegt an der Peiner Landstraße in Stederdorf, einem Stadtteil von Peine. Die A 2 ist nur einen 1000-Meter-Lauf entfernt. Es wird gerade auswärtigen Gäste nicht selten so gehen, dass ihnen ein staunend gerauntes „Oh“ oder ein „Ah“ der bemerkenswerten Anerkennung entfährt, wenn sie die Hotellobby betreten. Die moderne, verästelte Interpretation des guten alten Kronleuchters dominiert als funkelnder Eyecatcher die ansonsten stilsicher in lässiger Funktionalität gehaltene Halle samt Rezeption. Dieser moderne Stil stünde auch einem Hotel in, sagen wir mal, Potsdam oder Hamburg gut.
Mut zum Innendesign: Zebras unter Pfauenfedern im Séparée
Torben Hacke, der eben noch mit seiner Tochter beim Kinderarzt war, „gottlob nichts Dramatisches“, begrüßt uns freundlich: „Was halten Sie vom Séparée, da können wir ungestört plaudern.“ Der Raum mit Ausblick auf die großzügige Terrasse besticht durch den Mut, auch mal den Ideen und Konzepten einer Innendesignerin zu vertrauen. Die Sitzpolster grün, die Kissen orange, und auf der Tapete grasen auf roséfarbenem Grund geschätzt 520 leichtfüßige Zebras unter Pfauenfedern. Hacke nimmt meinen schweifenden Blick auf und sagt: „Wissen Sie, wir sind zwar ein Familienbetrieb in vierter Generation. Aber das muss ja nicht heißen, dass wir unser Unternehmen führen wie ein Antikmuseum: bloß nichts verändern.“ Er halte es wie seine Eltern, die den Blick auch immer in die Zukunft gerichtet haben. „Ab und an muss man mal alles auf links drehen, modernisieren“, ist Hacke überzeugt.
Wissen Sie, wir sind zwar ein Familienbetrieb in vierter Generation. Aber das muss ja nicht heißen, dass wir unser Unternehmen führen wie ein Antikmuseum: bloß nichts verändern.
Torben Hacke, Jahrgang 1974, hatte nach dem Abitur einen BWL-Studienplatz im Visier. Aber als er dann seinen Bundeswehrdienst ableistete, kam er öfter ins Grübeln, in welche Richtung ihn sein beruflicher Weg denn nun mal führen sollte. Kurzum: Er entschied sich um, machte in einem 5-Sterne-Betrieb in Baiersbronn eine Ausbildung zum Hotelfachmann. Danach war er zwölf Jahre auf Wanderschaft: Trainee in einer Hamburger Sterne-Küche, Rezeption im Ritz-Carlton in Wolfsburg, danach ein Jahr in Florida, auf den Cayman Islands in der Karibik und wieder in Wolfsburg als stellvertretender Empfangschef. 2007 stieg er dann in den elterlichen Betrieb ein.
Kein Fachkräftemangel: „Aktuell haben wir alle Stellen besetzt“
Saisonale Gerichte finden regelmäßig den Weg in die Speisekarte.
© Claudia Taylor
Das Hotel Schönau hat sich vom Giebelhaus mit Bierstube nach diversen Um- und Anbauten zu einem imposanten Haus entwickelt. Zuletzt wurde das Restaurant vor zwei Jahren modernisiert. Dort gibt es saisonal Spargel, Pfifferlinge, Braunkohl. Der Klassiker „Schönau Krüstchen“ steht immer auf der Speisekarte. Das Hotel hat Platz für Gäste in 61 Zimmern, sowohl im Restaurant als auch auf der großzügigen Terrasse, die gemütlichen Innenhofcharme hat und die viel befahrene Peiner Landstraße vergessen lässt, können jeweils 100 Gäste bewirtet werden. 44 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind bei Hacke in Lohn und Brot. Hat er auch zu kämpfen, überhaupt qualifiziertes Personal zu finden? „Nein, aktuell haben wir alle Stellen besetzt.“ Fachkräftemangel sei kein Problem in seinem Betrieb, was aber auch damit zusammenhängen mag, dass niemand während der Coronapandemie entlassen worden ist. Etliche Mitarbeitende sind schon zehn Jahre oder länger im Betrieb, in der Küche arbeitet ein seit Jahren eingespieltes Team. Es sei kein Geheimnis, dass gerade in den Küchen in einigen Jahren personeller Notstand drohen wird, so Hacke. „In zehn Jahren wird es laut soliden Prognosen kaum noch Köche geben.“ Und dann? KI-Köche? Versuche ich einen kleinen Scherz. „Keine Ahnung“, lacht Hacke entspannt. Da werde sich was entwickeln, maschinelle Unterstützungssysteme, so was in der Art, ist Hacke gewiss. Darüber wird er sich zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls keine grauen Schläfen wachsen lassen. Denn was soll‘s: man müsse optimistisch bleiben, wer den Kopf in den Sand stecke, der könne gleich einpacken. „Dann ist das Spiel schon verloren.“ Und Hacke ist kein Verlierertyp.
Hotel mit Saalbetrieb – das gibt es nicht mehr oft
Die Eingangshalle besticht durch ein ansprechendes Design.
© Claudia Taylor
Im Hotel Schönau hat man sich auf das Event- und Tagungsgeschäft spezialisiert. „Wir sind gut ausgebucht. Hotels und Gaststätten mit Saalbetrieb gibt es ja nicht mehr so oft.“ Von der Wiege bis zur Gnadenhochzeit bespielen Hacke und sein Team das gesamte Veranstaltungsspektrum. Zwei Säle können für Hochzeiten, Geburtstage, Jubiläen und Feiern aller Art bis zu 130 Gäste fassen. Getrennt durch den Innenhof befindet sich gegenüber der Tagungsbereich mit einer Kapazität für maximal 70 Personen. Das Tagungsgeschäft habe deutlich angezogen, so Hacke. Wer sich mit seiner Firma hier einbucht, schätzt das Rundumpaket mit Tagungstechnik, Speisen und Ausklang an der Bar, die auch eine originelle gestalterische Handschrift trägt. „In der Großstadt würden die Leute nach getaner Arbeit vielleicht auseinanderströmen, bei uns bleiben sie im Haus, kommen mit Kolleginnen und Kollegen informell an der Bar zusammen, weil sie sich sagen: Mit der Taxe noch mal nach Braunschweig? Muss nicht sein.“
In der Großstadt würden die Leute nach getaner Arbeit vielleicht auseinanderströmen, bei uns bleiben sie im Haus, kommen mit mit Kolleginnen und Kollegen informell an der Bar zusammen, weil sie sich sagen: Mit der Taxe noch mal nach Braunschweig? Muss nicht sein.
Wer bei Hacke seine Goldene Hochzeit oder seinen 80. feiert, hat manchmal schon eine richtige Feier-Agenda in dem Haus hingelegt. Polterabend auf dem Saal, Kindstaufe, Konfirmation, und und und. Das seien schöne Gespräche, die er dann mit den betagten Kundinnen und Kunden führt. Da geht es zwar auch um die Speisenfolge und ob sich im Barbereich in Dauerschleife Fotos der Jubilarin an die Wand projizieren lassen, aber auch ganz viel um schöne Erinnerungen, die mit dem Haus Schönau verbunden sind. Hacke mag diese Termine. Wie er überhaupt gern im Hotel unterwegs ist. Arbeit sei das schon, aber eine, die er nicht über Gebühr oft als strapaziös empfindet. Auch wenn es mal spät wird.
Ein fester freier Tag ist im Wochenplan notiert
Auf dem Betriebsgelände wohnen er und seine Familie, zu der zwei Kinder im Alter von vier Jahren und elf Monaten gehören, aber nicht. 500 Meter sind es zu seinem Zuhause, so viel Distanz darf dann schon mal sein. Und einen festen freien Tag genehmigt er sich auch, seitdem der Nachwuchs da ist. Sein Opa Richard war kein Gastronom. Aber als er in den Betrieb einheiratete, nahm er die Herausforderung an. „Ich bin für den Fortschritt, Junge!“ Diesen Satz hörte der kleine Torben oft von seinem Großvater. Ganz begeistert sei der gewesen, als im Hotel der erste Fahrtstuhl eingebaut wurde. Und so hat sich auch Hacke diese Maxime zu eigen gemacht: „In 20 Jahren alles anders machen, damit alles so bleibt wie es ist.“
Das stilsichere Ambiente lädt zum gemütlichen Verweilen ein.
© Claudia Taylor
Viele Bälle und Polterabende gingen früher über den Tanzboden im Saal. Die Zeiten sind längst vorbei. Heute schätzen zum Beispiel Hochzeitspaare, dass sie im Haus Schönau alles aus einer Hand bekommen: Location, Essen, Übernachtung. Und damit beim Feiern niemand auf die Uhr schielen muss, weil Rührei und Croissants am nächsten Morgen schon um 9:30 Uhr abgeräumt werden, gibt es nach einer langen Partynacht bis 12:30 Uhr Frühstück. So kann man es entspannt bis 4:00 Uhr krachen lassen.
suja
4/2024