24.07.2024

Wasserstoff für die Region im Fokus

Region Bodensee-Oberschwaben / Wangen im Allgäu:
Die Infrastruktur für die zukünftige Versorgung der Region mit Wasserstoff nimmt konkrete Formen an. Das zeigte die Sitzung der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) in Wangen.
„Wasserstoff ist essenziell für das Gelingen der Energiewende“, sagte IHK-Präsident Martin Buck gleich zu Beginn der Sitzung der IHK-Vollversammlung, die dieses Mal in Wangen tagte. Nicht die Effizienz sei in erster Linie das Problem. „Unser Problem ist es, die Energie zum richtigen Zeitpunkt dort zu haben, wo sie gebraucht wird. Wasserstoff können wir nutzen, um Energie zu speichern und zu transportieren.“
Wasserstoff werde unter anderem bei der Industrie benötigt, erklärte Dr. Sönke Voss, Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben. Zahlreiche regionale Unternehmen seien bereits in Sachen Wasserstoff tätig. „Viele sind in Wartestellung und würden gerne mehr tun.“ Auch mit Kommunen sei die IHK diesbezüglich im Gespräch. Nicht vergessen werden dürfe, dass für Wasserstoff-Anlagen entsprechende Flächen benötigt werden und bereitgestellt werden müssten, so Voss weiter. Politik und Behörden seien dringend gefordert, die Genehmigungsprozesse für Elektrolyseur-Anlagen zu vereinfachen und verlässliche Rahmenbedingungen für die Förderung zu schaffen. Die IHK unterstütze Bedarfsabfragen, vernetze die regionalen Experten zum Thema Wasserstoff und behandle das Thema in ihren Ausschüssen.
Wasserstoff für Baden-Württemberg
Betrachtet man den Energiemix, den Haushalte und Unternehmen heute in Deutschland verbrauchen, um Maschinen zu betreiben, Wärme zu erzeugen oder Fahrzeuge zu bewegen, so fällt auf, dass aktuell nur etwa 20 Prozent des Endenergieverbrauchs durch elektrischen Strom gedeckt werden. Die restlichen 80 stammen von chemischen Energieträgern wie Erdgas, Heizöl oder Benzin.
Auch wenn viele fossile chemische Energieträger durch elektrische Energie ersetzt werden könnten, sei die Energiewende ohne chemische Energieträger nicht zu meistern, so Steffen Kirsch, Experte bei der terranets BW GmbH. Klimaneutralen Energieträgern wie erneuerbarem Methan oder Wasserstoff komme daher eine große Bedeutung zu. Als Betreiber eines Gas-Fernleitungsnetzes beteilige sich terranets BW auch an der Entwicklung des bundesweiten Wasserstoff-Kernnetzes. Dies umfasse auch Leitungen, die aktuell noch für Erdgas genutzt und künftig auf Wasserstoff umgestellt werden sollen. Im Jahr 2026 solle erstmals ein integrierter Netzentwicklungsplan für Erdgas und Wasserstoff von der Bundesnetzagentur genehmigt werden, berichtete Kirsch. Dieser solle in der Folge alle zwei Jahre fortgeschrieben und an aktuelle Entwicklungen angepasst werden. „Wir stellen dabei sicher, dass auch in den kommenden Jahren niemand, der auf Erdgas angewiesen ist, abgehängt wird. Vielmehr haben wir bis zur Klimaneutralität dann quasi zwei Netze nebeneinander.“ Die Umstellung erfolge dann 2040, wenn Baden-Württemberg klimaneutral geworden sei. Die Region Bodensee-Oberschwaben werde das Kernnetz voraussichtlich 2032 erreichen, wenn die Erdgas-Pipeline von Ulm nach Lindau auf Wasserstoff umgestellt werde.
Wasserstoff in der Bodenseeregion
Über aktuelle konkrete Wasserstoff-Infrastrukturplanungen und Aktivitäten in der Region informierte Peter Majer von der Stadtwerk am See GmbH & Co. KG Friedrichshafen. Die Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff erfolge in der Region Bodensee-Oberschwaben in verschiedenen Zeitstufen. Besonders in Friedrichshafen seien die Voraussetzungen gut, da hier vorhandene Erdgasleitungen schrittweise auf Wasserstoff umgerüstet werden können. Eine Förderung in Höhe von 180.000 Euro für eine integrierte Netzplanung gemeinsam mit dem regionalen Energieversorger Technische Werke Schussental GmbH & Co. KG (TWS) sei zwischenzeitlich bewilligt worden. Damit sei es möglich, die Planungen für den Bodenseekreis und den Landkreis Ravensburg besser aufeinander abzustimmen. Für den Herbst 2024 sei eine Förderrunde für Wasserstofftankstellen in Landes- und Bundesprogrammen angekündigt. Beim Sauerstoffwerk Friedrichshafen seien passende Transport-Anhänger verfügbar und es gebe erste, wenn auch noch geringe Bedarfsanfragen.
Aktuell prüfe das Stadtwerk am See mehrere mögliche Standorte für Wasserstoff-Tankstellen. Eine solche Tankstelle der Zukunft benötige mehr Platz als eine herkömmliche. Der Platzbedarf verringere sich aber extrem, wenn der Anschluss an eine Wasserstoff-Leitung möglich sei, so Majer weiter. Hinsichtlich der zu erwartenden Preise für Wasserstoff äußerte er sich verhalten optimistisch. Es gebe aktuell bereits mehrere in Betrieb befindliche Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland. Zwar sei es noch nicht seriös möglich, einen Preis für 2040 genau abzuschätzen, doch nähere sich der Preis pro Fahrzeug-Kilometer mit Wasserstoff bei Anlieferung per Pipeline demjenigen für Diesel bereits an.
Unternehmen sind bereit
Bei der anschließenden Diskussionsrunde mit den Mitgliedern der IHK-Vollversammlung wurde deutlich, dass die Unternehmen aus der Region in einigen Punkten bereits weiter sind als die Politik, die nach Auffassung von Martin Buck das erforderliche Tempo bei der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen vermissen lasse. Mehrere Unternehmer würden bereits aktiv eine Anwendung von Wasserstoff vorantreiben, würden aber durch Auflagen und langwierige Genehmigungsprozesse gehemmt. Bei anderen liefen bereits Vorerkundungen, ob die eigenen Leitungsnetze für Wasserstoff geeignet sind, und auch mehrere Mittelständler stehen mit Erzeugungsanlagen für Wasserstoff in den Startlöchern.
Medieninformation Nr. 72/2024