22.07.2024

Expertenkommissionen legen Berichte für ein „modernes und zukunftsfestes Steuersystem“ vor

Am 12. Juli 2024 wurden im Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Ergebnisse der beiden Expertenkommissionen „Bürgernahe Einkommensteuer“ und „Vereinfachte Unternehmensteuer“ vorgestellt.
In den vorangegangenen neun Monaten haben Experten aus Wissenschaft und Steuerpraxis Vorschläge für ein modernes und zukunftsfestes Steuersystem erarbeitet. Die DIHK war mit drei Mitgliedern des DIHK-Finanz- und Steuerausschusses – Kirsten Birnbaum (SAP SE), Thomas Dierichs (Diehl Stiftung und Co. KG) und Werner Thumbs (Profunda-VerwaltungsGmbH) – sowie mit Dr. Rainer Kambeck an der Erarbeitung der Vorschläge beteiligt.
Die Abschlussberichte zeigen mögliche Vereinfachungsschritte und strukturelle Maßnahmen auf, um im Besteuerungsverfahren Bürokratie zu verringern, Digitalisierung voranzutreiben und die Attraktivität des Standortes Deutschland zu steigern. Das BMF wird die Vorschläge der unabhängigen Kommissionen nun auf ihre Umsetzbarkeit und ihre Belastungswirkung hin prüfen und gegebenenfalls entsprechende Umsetzungsvorschläge vorlegen. Auf eine solche Prüfung hatten sich die Koalitionspartner im Rahmen der sogenannten Wachstumsinitiative am 5. Juli 2024 verständigt.

Die Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ schlägt unter anderem vor:

  1. Vermehrte Typisierung und Pauschalierung.
  2. Stärkere Angleichung des Lohnsteuerabzugsverfahrens an das Ergebnis der Steuerveranlagung. Weiterentwicklung der vorausgefüllten Steuerklärung hinzu einem Erklärungsverzicht für bestimmte Gruppen, d.h. automatische Veranlagung mit der Möglichkeit ergänzende Angaben zu machen.
  3. Einführung des Once-Only-Prinzips im Besteuerungsverfahren: allen relevanten Stellen stehen Daten zur Verfügung; Digital-First: Schnittstelle zwischen Bürgerinnen/Bürgern und Verwaltung durch Digitalisierung unterstützen.
  4. Vereinfachung für Freiberufler, Selbständige und Gewerbetreibende durch Zusammenführung der Einkunftsarten; Anhebung/Ausweitung der Grenzen für die vereinfachte Gewinnermittlung. Anpassung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter; Klarere Abschreibungsmöglichkeiten (keine Überschneidungen) und Gleichlauf von Aufzeichnungspflichten; Ggf. Wegfall der Afa-Tabellen. Erleichterter Zugang zu Stundungen und Ratenzahlungen.
  5. Einführung einer festen Arbeitstagspauschale (in der Entfernungspauschale [ausgenommen Pauschalregelung für Fernpendler], Arbeitszimmer und Homeoffice-Regelung aufgehen) und die einen Großteil der abhängig Beschäftigten besserstellen soll;
  6. Pauschale Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bspw. durch Anhebung der Werbungskostenpauschale.
  7. Entlastung von Rentnerinnen und Rentnern durch Reduzierung der Anzahl der Rentnerinnen und Rentner, die eine Steuererklärung abgegeben müssen; Einführung eines einheitlichen Pauschbetrages für Renten und Pensionen.
  8. Evaluierung der Tatbestände des § 35a EStG.
  9. Vereinfachung des Sonderausgabenabzugs und Abschaffung des Abzugs sonstiger Vorsorgeaufwendungen bzw. Einführung eines Pauschbetrages/Anpassung des Höchstbetrages; Evaluierung des Höchstbetrages bei Kinderbetreuungskosten; Integration des Sonderausgabenabzugs der Kirchensteuer in das Lohnsteuerabzugsverfahren.

Die Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ schlägt vor:

  1. Erweitertes Optionsmodell: Ermöglicht auch nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften die Option zur transparenten Besteuerung, d.h. freie Wahl zwischen der Körperschaftsteuerpflicht der Gesellschaft oder der Zurechnung des Unternehmensgewinns an die Gesellschafter
  2. Deutliche Ausweitung (zeitlich und betragsmäßig) des Verlustrücktrags und uneingeschränkte Gewährung des Verlustvortrags, um das Unternehmenssteuerrecht dem Ideal der Entscheidungsneutralität anzunähern und es gleichzeitig deutlich krisenfester zu machen.
  3. Entschlackung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer durch verstärkten Verzicht auf Hinzurechnungen und Kürzungen, außerdem Anrechnung der Gewerbesteuerlast bei der Körperschaftsteuer: Pauschale Berücksichtigung der Gewerbesteuer, um die Gesamtbelastung ohne vollständige Marginalisierung der Körperschaftsteuer unter 30 Prozent zu senken, möglichst in Richtung einer international wettbewerbsfähigen Zielgröße von 25 Prozent.
  4. Neues Leitmodell für die Mitunternehmerbesteuerung: Steuerliche Anerkennung von Leistungsbeziehungen zwischen Personengesellschaften und Gesellschaftern bis zur Grenze der verdeckten Gewinnausschüttung.
  5. Anhebung der Grenzwerte für die Anwendung der vereinfachten steuerlichen Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR)
  6. Stärkere steuerneutrale Umstrukturierung von Unternehmen: Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen; Außerdem Verkürzung und Vereinheitlichung von Haltefristen im Umwandlungssteuerrecht
  7. Vermeidung von Doppelbesteuerungen und anderen Mehrbelastungen im internationalen Steuerrecht, unter anderem:
    • Anrechnung ausländischer Steuern und bessere Verrechnung ausländischer Betriebsstättenverluste,
    • Anrechnung bestimmter im Ausland erwirtschafteten Einkünften bei der Gewerbesteuer,
    • Vortrag nicht genutzter Anrechnungsbeträge
    • Revision der ATAD auf EU-Ebene: u.a. Zurückführung der Hinzurechnungsbesteuerung bei der ATAD            auf eine transaktionsbezogene Missbrauchsregel
Die beiden Berichte finden Sie hier zum nachlesen.
Wir werden darüber berichten, in welcher Form und mit welcher zeitlichen Planung die Empfehlungen der Kommissionen von der Bundesregierung aufgegriffen und bestenfalls umgesetzt werden.
Aus dem Steuer-Newsletter der DIHK (Ausgabe Nr. 7/2024)