IHK Berlin
Ausbildungsbilanz 2021: Nach Corona-Einbruch wieder Plus bei Vertragszahlen
Im vergangenen Jahr wurden wieder mehr IHK-Ausbildungsverträge geschlossen als im ersten Corona-Krisenjahr 2020. Mit insgesamt 6883 Verträgen zum 31.12.2021 gab es ein Plus von 2,5 Prozent im Vorjahresvergleich (6.669 Verträge). Die Lösungsquote bestehender Verträge bleibt mit rund 12 Prozent niedrig, die Bestehensquote bei den Abschlussprüfungen mit rund 83 Prozent sehr hoch. Dennoch ist die Ausbildungsdynamik in vielen Branchen durch die anhaltende Krise, sich verschärfende Besetzungsprobleme, aber auch durch aktuelle wirtschaftliche Wachstumsrisiken wie steigende Preise und Lieferengpässe gebremst. Aus Sicht der Berliner Wirtschaft ist die Politik deshalb gefordert, mit einer wachstumsfördernden Ausbildungspolitik zu unterstützen. Dazu gehören branchenspezifische Lösungen, eine ganzheitliche Beratung von Jugendlichen von der Orientierung an allen Berliner Schulen bis zum Vertragsabschluss, eine klare Strukturreform der Jugendberufsagentur und eine konzertierte Ausbildungsoffensive gemeinsam mit der Wirtschaft.
Die größten Vertragssteigerungen gab es in den Berufsbildern Fachkraft für Veranstaltungstechnik (+ 50 Prozent), Automobilkaufleute (+32 Prozent), Kaufleute im E-Commerce (+32 Prozent) und den Fachlageristen (+28 Prozent). Auch bei den Industrieelektrikern stieg die Zahl der Ausbildungsverträge um gut 26 Prozent.
Leichte Vertragszuwächse im Vergleich zu 2021 gab es erfreulicherweise auch in den Branchen, die besonders unter Folgen der Pandemie zu leiden hatten und immer noch leiden: Hotel- und Gastgewerbe sowie die Veranstaltungs- und Tourismusbranche. So stieg die Zahl der Verträge bei den Hotelkaufleuten um sieben Prozent im Vergleich zu 2020, liegt aber krisenbedingt noch 39 Prozent unter den Zahlen von 2019. Auch bei den Tourismuskaufleuten stieg die Zahl der Azubis wieder (+ drei Prozent), liegt aber ebenfalls noch 40 Prozent unter den Vertragszahlen von 2019. Im Gastgewerbe gab es leichte Zuwächse bei den Verträgen (2020: 657; 2021: 679) im Vergleich zu 2020. Insgesamt gehen im Vergleich zum Vorkrisenniveau 2019 die jetzt noch fehlenden Verträge zu 60 Prozent auf das Hotel- und Gastgewerbe (-428 Verträge) und die Dienstleistungsbranche (-347 Verträge) zurück.
Große Teile von Industrie und im Bau hatten und haben aktuell mit Exportschwierigkeiten, Lieferengpässen und zunehmenden Besetzungsschwierigkeiten zu kämpfen. Deshalb ist es auch hier im Vorjahresvergleich zu leichten Rückgängen gekommen (Ausbildungsverträge Baugewerbe 2020: 214; 2021: 210).
Jörg Nolte, Geschäftsführer Wirtschaft und Politik:
„Die gute Nachricht ist: Mit einem Plus von drei Prozent bei den Ausbildungsverträgen haben wir hoffentlich die Talsohle durchschritten, die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge steigt wieder. Das zeigt, die Berliner Wirtschaft will ausbilden. Allerdings machen den Betrieben die anhaltenden Pandemie-Auswirkungen, das sich aktuell eintrübende Konjunkturklima und die wachsenden Probleme Auszubildende zu finden zu schaffen. Der Weg zurück zum Vorkrisen-Niveau – und im besten Fall darüber hinaus - ist also noch lang. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausbildungsoffensive muss jetzt zügig gemeinsam auch mit der Wirtschaft umgesetzt werden. Branchenspezifische Herausforderungen müssen schnell gelöst und engagierter Nachwuchs durch eine ganzheitliche, metropolraumweite Beratung von der Schule bis zum Vertragsabschluss geführt werden. Denn Ausbildung ist und bleibt der Schlüssel für die Fachkräftegewinnung.“
Dorothee Frankenstein, Ausbildungsleiterin mf Mercedöl GmbH:
„Gewerblich-technische Ausbildungsberufe sind den Jugendlichen oft nicht bekannt. Das stellen wir z.B. im Rahmen unserer Schulpatenschaften immer wieder fest und leider scheint Ausbildung immer noch ein Imageproblem im Vergleich zum Studium zu haben. Dabei bieten diese Berufe hervorragende Perspektiven, die mit entsprechender Weiterbildung gleichwertig zum Bachelor bzw. Master sind. Gleichzeitig sind die heutigen Ausbildungen immer anspruchsvoller und komplexer, so dass von den Jugendlichen eine ganze Menge gefordert wird. Als mittelständisches Unternehmen stellen wir deshalb umfangreich Ressourcen bereit, um auch schwächere Azubis erfolgreich zum Abschluss zu begleiten. Wichtig ist aus unserer Sicht jetzt, die Berufsorientierung in Schulen wieder mindestens auf das Vorkrisen-Niveau zu heben und die Ausbildung als vielversprechende und vielfältige Perspektive erlebbar zu machen.“
Karen Koch, Ausbildungsleiterin Bio Company SE:
„Durch die Pandemie ist die Berufsorientierung z.B. an den Schulen weitgehend ausgefallen. Gerade Jugendliche, die dringend auf Beratung und Unterstützung angewiesen wären, waren weitgehend auf sich allein gestellt. Welche problematischen Folgen das für Zukunftsplanung vieler Jugendlichen hatte, stellen wir jetzt bei den Bewerbungsgesprächen fest. Vielen fehlt die Vorstellung, welcher Beruf für sie passen könnte, welche Voraussetzungen man mitbringen sollte und wie man dieses Ziel erreicht. Es ist deshalb sehr gut, dass die Berufsorientierung jetzt wieder angelaufen ist, denn für eine ganze Reihe von Jugendlichen war die Zeit nach dem Schulabschluss schlichtweg verlorene Zeit.“
16. Februar 2022